Berner Zeitung, 25.
Oktober 1999
"Saftwurzel" Leuenberger
schafft Sprung ins "Stöckli"
Ernst Leuenberger
hats geschafft. Der markige Solothurner SP-Nationalrat schnappte der
CVP den Ständeratssitz weg. Auch Christiane Langenberger (FDP) wechselt
vom National in den Ständerat.
Karin
Burkhalter und Peter Burkhardt
«Dass ein
Solothumer Sozialdemokrat im ersten Wahlgang gewählt wird, ist eine
Sensation. Ich bin überwältigt», sagte Ernst Leuenberger in einer ersten
Reaktion. Und hierbei dürfte er übers ganze Gesicht gestrahlt und einen
tiefen Zug an der Zigarre genommen haben.
Auf Anhieb der Beste
Dabei wollte der SP-Mann auf Nummer Sicher gehen: Er hatte sowohl für
den National- wie auch den Ständerat kandidiert. Nun wird der markige
Politiker als bestgewählter der drei Kandidierenden - mit 42 903 Stimmen
- seinen Heimatkanton in den nächsten vier Jahren im «Stöckli» repräsentieren.
Der Grund für die «Sensation» liegt eigentlich auf der Hand: Die wenig,
bekannte CVP-Kandidatin Anna Mannhart hatte gegen den profilierten Chef
der Eisenbahngewerkschaft einen äusserst schweren Stand. Sie nimmts
gelassen, das Resultat habe sie nicht überrascht, kommentierte sie den
Wahlausgang. Enttäuschend sei einzig, «dass die Frauensolidarität offenbar
nicht gespielt hat», sagte die 56-Jährige, die für die zurückgetretene
Rosmarie Simmen ins Rennen gestiegen war. Der 54-jährige Leuenberger,
der seit 1983 im Nationalrat sitzt, ist einer der profiliertesten Köpfe
der SP-Fraktion. Unumwunden direkt sagt er, was es zu sagen gibt - und
das nicht selten mit sehr viel Witz und, tiefsinnigem Humor. Seine Art
zu politisieren hat ihm in der ganzen Schweiz grosse Popularität eingebracht
- ganz besonders auch in seiner Zeit als höchster Schweizer im letzten
Jahr. Dass er auf diesem Thron Platz nehmen durfte, war so selbstverständlich
nicht. Es war das erste Mal überhaupt, dass ein Gewerkschafter ins Nationalratspräsidium
gehievt wurde. Der Solothurner, der sich unter der Ägide Peter Bodenmanns
erfolglos fürs Fraktionspräsidium bewarb, ist ein Bodenständiger, sucht
die Nähe zur Bevölkerung: «Dort höre ich, was los ist, wo der Schuh
drückt», pflegt der Bauernsohn aus dem bernischen Bätterkinden zu sagen.
Ein magistraler Rebell
Leuenberger gilt als « Saftwurzel», selbst mag er solche Charakterbezeichnungen
nicht besonders. Er sei ein differenziert denkender Mensch mit historischem
Hintergrund. Der rebellische Gewerkschaftsfunktionär mit dem Auftreten
eines Magistraten wird auch aus dem Ständerat mit «starker Stimme» zu
hören sein - so hat ers zumindest versprochen.
Langenbergers Erfolg
Vor knapp zwei Jahren klappte es nicht: Christiane Langenberger unterlag
in den Räten ihrem Fraktionskollegen Pascal Couchepin bei der Ausmarchung
um die Nachfolge von Bundesrat Delamuraz. Gestern kam für die Waadtländer
Freisinnige die späte Genugtuung: Sie schaffte auf Anhieb den Sprung
in die kleine Kammer. Keine Selbstverständlichkeit, kandidierten doch
immerhin acht Leute für die beiden Sitze. Ein zweiter Wahlgang schien
wahrscheinlich.
Frauen-Sieg in Nidwalden
In Nidwalden bleibt der eine Ständeratssitz die nächsten vier Jahre
in CVP-Hand: Marianne Slongo-Albrecht tritt die Nachfolge ihres Parteikollegen
Peter Josef Schallberger an. Die Geschäftsfrau wird von vielen als fast
freisinnige Politikerin eingeschätzt. Sie stimmte 1992 für den EWR-Beitritt
und vertritt im Gegensatz zu Schallberger in der Europafrage die offizielle
Linie der CVP. Die neue Ständerätin wertete ihre Wahl als grosses Signal
für die Frauen. Unerwartet schaffte im Aargau der Direktor des Paraplegikerzentrums
Nottwil, Guido Zäch, den Einzug in den Nationalrat. Er vertritt die
CVP. Und eine alte Bekannte wird wieder in die grosse Kammer einziehen:
Die Baslerin Anita Fetz, die bereits von 1985 bis 1989 für die Poch
im Nationalrat sass, vertritt nun die Sozialdemokraten.
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