Basler Zeitung, Mittwoch
27. September 2000
Gian-Reto
Plattner klagte, Rolf Büttiker verzichtete
Von Peter
Amstutz
Bern.
Wie grundverschieden man sich als direktbetroffener Parlamentarier des
immer wieder populären Themas der Taggelderhöhung in eigener Ratssache
annehmen kann, führten gestern im Ständerat Gian-Reto Plattner (SP,
BS) und Rolf Büttiker (FDP, SO) der Öffentlichkeit vor.
Zur Debatte
standen (wie bereits am Vortag im Nationalrat) «Lohnerhöhungen» um hundert
auf 400 Franken Sitzungsgeld pro Tag (33 Prozent) und die Aufstockung
der Fraktionsbeiträge pro Mitglied und Jahr von 11'000 auf 16'500 Franken.
Die Mehrausgaben belasten die Bundeskasse und die Kantone (für Ständeratstaggelder)
mit fast 4,5 Millionen Franken jährlich. Der Basler SP-Ständerat Gian-Reto
Plattner, der kraft seiner nichtpräsidialen Charge als unverdächtiger
Stimmenzähler über die Verdoppelung der Entschädigungsansätze für Ratspräsidenten
(auf 40'000 Franken pro Jahr) und deren Vizepräsidenten (auf 10'000
Franken) hätte reden sollen, konnte sich eine persönliche Medienkritik
nicht verkneifen: «Es wäre an der Zeit, dass auch jene Leute, die immer
noch glauben, wir seien überbezahlt und bereicherten uns bei unserer
parlamentarischen Arbeit am Volkseinkommen und am Volksvermögen, einmal
zur Kenntnis nehmen, dass davon natürlich überhaupt keine Rede sein
kann.» Als «Belege» führte Plattner zwei Beispiele an. Die zweite Vizepräsidentin
des Nationalrats, die Genfer SP-Vertreterin Liliane Maury-Pasquier (44),
von Beruf Hebamme, werde als Ratspräsidentin übernächstes Jahr ihre
Arbeit aufgeben müssen, weshalb sie auf ein anständiges Entgelt in Bern
angewiesen sei. Ebenfalls als «Geschichte, die beweist, dass man diese
Beiträge erhöhen muss», erzählte Plattner die Episode des Nationalratspräsidenten
Hanspeter Seiler (SVP, BE), der als «höchster Mann des Landes» beim
Staatsbesuch des deutschen Bundespräsidenten Johannes Rau nicht im Bundes-Mercedes
habe vorfahren können, sondern ein Taxi habe besteigen müssen, weil
die Diplomaten alle Staatslimousinen beansprucht hätten. Nach diesem
Exkurs in die Niederungen parlamentarischer Bitterkeiten bot dann der
Solothurner FDP-Ständerat Rolf Büttiker sein Kontrastprogramm. Wer dem
Volk predige, man müsse den Gürtel enger schnallen und die Bundeskasse
schonen, dürfe sich nicht bei erstbester Gelegenheit selber aus Kaspar
Villigers Schatulle bedienen, mahnte Büttiker. Vor zehn Jahren habe
man die Absicht verkündet, eine nächste Entschädigungslösung nicht nach
dem Giesskannenprinzip zu konzipieren, sondern gezielt denjenigen Ratsmitgliedern
finanzielle Hilfe leisten zu wollen, die sie wegen Einkommenseinbussen
wirklich brauchten. Davon sei keine Rede mehr. Dann überraschte Büttiker
seine Kolleginnen und Kollegen mit dem Versprechen: «Nationalrat Karl
Tschuppert hat vorgestern gesagt, man könne gut populistisch gegen die
Taggelderhöhung polemisieren, wenn man wisse, dass man unterliegen und
also gleichwohl mehr kassieren werde. Ich trete darum den Tatbeweis
an und verzichte auf den Anteil an meinem Sitzungsgeld, der zu Lasten
des Kantons Solothurn bezahlt wird. Solothurn muss 200 Millionen Franken
einsparen.» Dem anderen Solothurner im «Stöckli», Ernst Leuenberger
(SP), verschlugs glatt die Sprache. Erst beim Mittagessen fand der sonst
so schlagfertige Debatter wieder Worte: «Ich verzichte nicht aufs Taggeld,
denn als Gewerkschafter weiss ich, dass jede Arbeit ihren Lohn wert
ist.» Mit 31 Ja gegen Büttiker war dann der «Mist» geführt... So hat
sich denn die Episode für alle gelohnt: Für 45 Ständeratsmitglieder,
die wie 200 Volksvertreter mehr Geld bekommen, für den Kanton Solothurn,
dessen Schuldenberg dank Büttikers heroischem Teilverzicht in marginalsten
Tranchen während der nächsten paar Jahrtausende allmählich abgetragen
wird, so dessen Amtsnachfolger gleichermassen selbstlos handeln, und
für Basels einzig(artig)en Soloständerat Plattner, der dem Bund das
Gratispauschalporto für einen Leserbrief sparte.
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