Mittelland Zeitung,
01. November 2002
Ständerat Ernst
Leuenbeger zur Revisin der Arbeitslosen-versicherung
Solothurn, Ständerat Ernst Leuenberger, SP/SO
Wieder
wird ein Versuch unternommen, den Schutz für die Arbeitslosen abzubauen.
Eine wichtiger Stützpfeiler unserer Sozialversicherung steht dabei
wie 1997 wieder unter Druck. Die Erfahrungen aus der langen Krise in
den 90er Jahren bestätigt eines sicher, unsere Ar-beitnehmerinnen
und Arbeitnehmer brauchen ein verlässliches Sicherheitsnetz. Das
verhin-dert Verarmung und gesellschaftlichen Ausschluss und bewahrt
die Menschen vor dem Gang auf das Sozialamt.
Mit der Aufhebung des Versicherungsschutzes im ersten Anstellungsjahr
und der Reduktion des maximalen Versicherungsschutzes um 120 Tage auf
400 Bezugstage wird dieser Schutz nun massiv verschlechtert. Gleichzeit
werden mit dem Wegfall des Solidaritätsbeitrages die besser Verdienenden
unnötig auf Kosten der weniger gut Verdienenden finanziell entlastet.
In einer Zeit, in der niemand von einer Entlassung sicher ist und sich
die Wirtschaft vor lauter Turbulenzen kaum halten kann, darf die Arbeitslosenversicherung
nicht verschlechtert wer-den; das Gegenteil wäre nötig.
Mit der Aufhebung des Versicherungsschutzes für Erwerbslosigkeit
im ersten Anstellungsjahr würde jede zwölfte Person aus dem
Schutz der Arbeitslosen-versicherung fallen. Dies hätte in erster
Linie für die Jugendlichen und die Un- und Angelernten verheerende
Auswirkungen. Mit der Verdoppelung der so genannten Mindestbeitragsdauer
von 6 auf 12 Monaten wären Erwerbstätige in ihrem ersten Anstellungsjahr
überhaupt nicht mehr gegen Entlassungen geschützt, obwohl
sie Prämien bezahlen. Genau diese Entwicklung will und hat die
Arbeits-losenversicherung bis jetzt mit grossem Erfolg verhindert. Entlassene
sollen sofort aufgefan-gen werden, um ihnen möglichst schnell wieder
eine Erwerbstätigkeit zu vermitteln.
Die Arbeitslosenversicherung hat bis jetzt erfolgreich das Entstehen
von Armut und Aus-schluss in grossen Dimensionen verhindert. Mit der
Reduktion der Bezugsdauer würde jede fünfte Person mittleren
Alters zu früh den Schutz durch die Arbeitslosenversicherung verlie-ren.
Dabei geht es nicht nur um die betroffene Person selbst. Die meisten
Personen in die-sem Alter haben und leisten familiäre Unterstützungspflichten.
Diese könnten nicht mehr wahrgenommen werden und die Familien wären
dazu gezwungen, sich auf dem Sozialdienst zu melden. Für den Wiedereinstieg
in die Erwerbsarbeit eine fast nicht zu überspringende Hürde.
Hinzu kämen enorme Folgekosten für die Gemeinden und die Kantone.
Das entste-hen von sozialen Brandherden würde geradezu herausgefordert.
Fürsorgeabhängigkeit schafft den Nährboden für Demoralisierung
und Ausschluss.
Keine andere Sozialversicherung steht auf so einem soliden Fundament
wie die Arbeitslo-senversicherung. Im Jahr 2000 wurden 43% Mehreinnahmen
gegenüber den Ausgaben ein-gefahren. Die bis im Jahre 1998 aufgelaufenen
Schulden von 7,4 Milliarden wurden in nur drei Jahren beglichen. Bis
ende 2003 kann sich die Arbeitslosenversicherung ein Reserve-polster
anlegen. Hauruck-Abbaumassnahmen drängen sich zum jetzigen Zeitpunkt
auch nicht von finanzieller Seite auf. Mit der Revision wird behauptet,
dass längerfristig eine aus-geglichene Rechnung möglich sei.
Die bürgerliche Mehrheit in den Räten hat mit der ersatz-losen
Streichung des Solidarbeitrages ab 106'800 Franken den Solidaritäts-gedanken
mit Füssen getreten.
Deshalb stimme ich gegen die Revision der Arbeitslosenversicherung und
sage Nein zum Sozialabbau.
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