Mittelland Zeitung, 25.08. 2003

Ein politischer Patron
begibt sich auf Reisen

Kick-off. Solothurner Sozialdemokraten mit Ernst Leuenberger an der Spitze haben den Wahlkampf eröffnet.

SP-Ständeratskandidat Ernst Leuenberger hat am Samstag zu einer Spritzfahrt mit dem «Roten Pfeil» geladen. Symbolträchtig eröffnete er damit den Wettstreit für die Wahlen vom kommenden Oktober.

Elisabeth Seifert

Wenn die versammelte Prominenz der Sozialdemokratie im Kanton, die 21 Aspiranten auf einen der begehrten Nationalratssitze samt Ständerat Ernst Leuenberger am Samstag mit dem «Roten Pfeil» der Oensingen Balsthal Bahn (OeBB) durch die heimischen Lande gezogen sind, dann ist das mehr als ein billiger Wahlkampfgag: Laut «Aschi» Leuenberger, der seine Genossen und Genossinnen zur Spritztour eingeladen hat, sollen damit vielmehr ganz bestimmte Botschaften an den Mann und an die Frau gebracht werden.

Fahrt in die Zukunft

Anstatt im Zuge der Liberalisierung auf entzweiende Konkurrenz zu setzen, sollen die Bahnen wieder enger miteinander zusammenarbeiten, lautet etwa eine Forderung des Wahlkampfteams. Die versammelten sozialdemokratischen Wahlkämpfer und die vier grünen Kandidatinnen und Kandidaten wollen die Fahrt mit dem Nostalgiezug aber auch als Bekenntnis für den öffentlichen Verkehr verstanden wissen. «Mit einem historischen Fahrzeug fahren wir in die Zukunft», deutet Eisenbahngewerkschafter Leuenberger die symbolträchtige Reise. Bald werden die Leute nur allzu gern auf Bahn und Bus umsteigen, ist «Aschi» Leuenberger nämlich überzeugt, dann, wenn sie hoffnungslos in den verstopften Strassen stecken bleiben.
Neben der Demonstration gegen eine Liberalisierung ohne Wenn und Aber und für einen intakten und zukunftsweisenden Service public sollte die Wahlkampffahrt auf Schienen gemäss Standesvertreter Leuenberger aber auch die Bedeutung der Sozialdemokratie für den ganzen Kanton Solothurn symbolisieren. So hat das «Schulreisli» der 11 Kandidaten und der 10 Kandidatinnen des linken Lagers im unteren Kantonsteil, am Heimatbahnhof der OeBB in Balsthal, begonnen. In zügiger Fahrt - der «Rote Pfeil» mit Baujahr 1938 bringt es auf gute 120 km/h - ging es weiter in die Kantonshauptstadt; von da nach Grenchen und hinüber ins Schwarzbubenland nach Dornach; dann über Olten zurück zum Zielpunkt der Reise in Oensingen.
Ständeratskandidat Ernst Leuenberger versteht sich denn auch als Vertreter für sämtliche Bevölkerungsteile des Kantons und keineswegs etwa «nur» für das Personal des öffentlichen Verkehrs, wie man das vom Präsidenten des Schweizerischen Eisenbahn- und Verkehrspersonalverbandes (SEV) vielleicht vermuten könnte. Sind ihm doch etwa auch die zahlreichen Biobauern im Kanton Solothurn ein besonderes Anliegen. Durch seinen Einsatz für Direktzahlungen in der Landwirtschaft will er zudem den mittelgrossen Bauernbetrieben «eine Überlebenschance geben». Und überhaupt: «Mein Engagement für die Sozialpolitik kommt allen Menschen zugute. Wir werden schliesslich all einmal alt und sind dann auf auf eine funktionstüchtige AHV angewiesen».

Solidarisierung in der Gruppe

«Plausch sollen die Leute haben» beschreibt Leuenberger einen wichtigen Zweck der Tour. Ihm selbst, dem erklärten Eisenbahnfan, stand die Begeisterung jedenfalls ins Gesicht geschrieben: «Ich freue mich wie ein kleiner Bub, mit dem «Roten Pfeil» durch ganz Solothurn zu fahren», meinte «Aschi» zu Beginn der Reise in Balsthal. Ganz besonders hat es ihm die Wendigkeit des «Roten Pfeils» angetan, die durch die beiden Führerstände möglich wurde: «Das war damals eine technische Sensation», weiss der Eisenbahnexperte zu berichten. Auch für das leibliche Wohl der tapferen Wahlkämpfer wurde an den einzelnen Bahnstationen jeweils gut gesorgt: Die SP-Sektion in Balsthal servierte am Morgen «Kafi und Gipfeli». In Solothurn offerierten die zahlreich aufmarschierten Genossen und Genossinnen anstelle des versprochenen Apéros nochmals «Kafi und Gipfeli», gastfreundlich so oder so. Mittagessen dann in Grenchen und Kuchen später in Dornach.
Die Sektionen der Solothurner Sozialdemokraten solidarisierten sich auf diese Weise mit ihrem Wahlkampfteam. Und die Kandidaten und Kandidatinnen nützten die Gelegenheit, um sich in kurzen Statements ihren Leuten vorzustellen: Die Erhaltung des Sozialstaates wurde da zum Thema gemacht, ein starker Service public, Investitionen in die Bildung und auch eine aktive Wirtschaftspolitik. Ständeratskandidat Ernst Leuenberger hielt sich dabei bescheiden im Hintergrund: «Mich habt ihr ja schon ein paar Mal gesehen», meinte er jeweils. Mittelpunkt des Geschehens blieb er aber allemal, ständig umringt, eine Art politischer Patron, immer besorgt um das Wohl der mitgeführten Schar.

«Aschi» lässt es sich was kosten

Trotz der komfortablen Ausgangslage - zwei Kandidaten für zwei Sitze - nimmt Ernst Leuenberger den Ständeratswahlkampf aber ganz und gar nicht auf die leichte Schulter: «Das Schlimmste für mich ist, wenn die Leute meinen, der macht es sich einfach», ist Leuenberger besorgt. «Das Rennen ist noch nicht gelaufen» ist er denn auch überzeugt und appellierte an die versammelten Genossen: «Wir müssen im ersten Wahlgang das absolute Mehr erreichen und dafür brauche ich eure Stimme».
Der Wahlkampf wird von Ständeratskandidat Ernst Leuenberger also mit allem Ernst geführt. Und der Aufwand dafür ist nicht zu unterschätzen: An den kommenden Samstagen bis Ende September wird «Aschi» in den verschiedenen Bezirken auf Wahltour unterwegs sein. Zudem stehen Stammtischrunden auf dem Programm: «Treffen Sie Ernst Leuenberger in ...». Der Wahlkampf kostet den Vollblutpolitiker, der bereits mit 16 Jahren Bundesrat werden wollte, zudem eine ganze Stange Geld. Nur schon die Ausfahrt mit dem «Roten Pfeil» kommt ihn auf rund 6000 Franken zu stehen, die Miete für die Bahn und das ganze Drum und Dran. Die Auslagen für den Wahlkampf insgesamt veranschlagt Leuenberger auf ungefähr 35 000 Franken.


25.08.2003 05:53

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