Blick, 10. Dezember 2001

BLICK fragte den Präsidenten der Eisenbahner-Gewerkschaft Ernst Leuenberger Warum haben die Bähnler die Nase voll?

INTERVIEW: Beat Jost

Bei den SBB ist Feuer im Dach. Viele der 28 000 Bähnler sind stinksauer: über die Arbeitsbedingungen, den Lohn und die Bosse. Was ist der Grund für den Frust? BLICK fragte Ernst Leuenberger (56), Präsident der Eisenbahner-Gewerkschaft SEV.

Herr Leuenberger, die SBB-Mitarbeiter sind schwer unzufrieden. Was muss passieren?

Die SBB müssen sofort aufhören mit ihrer ständigen Reorganisiererei. Und sie müssen sich jetzt rasch zu einem anständigen Lohnangebot durchringen, das den berechtigten Erwartungen der Leute entspricht."

1600 Lokführer verlangen in einer Petition den Rücktritt von VR-Präsident Thierry Lalive d'Epinay. Unterstützen Sie diese Forderung?

Das ist eine Forderung, die von unseren Leuten an der Basis kommt. Sie haben die Nase voll. Wenn ich die Forderung unterstützen würde, hiesse es sofort: Das ist eine billige Aktion von Aschi Leuenberger gegen den politischen Gegner Lalive. Ich nehme aber zur Kenntnis, dass es die Forderung gibt.

Herr Lalive äussert überall Verständnis. Reicht das?

Wir sind tatsächlich in der fürchterlichen Situation, dass Herr Lalive sehr viel Verständnis für die Sorgen der Mitarbeiter zeigt. Gleichzeitig aber verkündet sein CEO, Benedikt Weibel, dass der Personalabbau weitergeht und die 39-Stunden-Woche ein Fehler war. Statt die Probleme zu lösen, schafft die SBB-Leitung täglich neue Probleme.

Die SBB leiden unter Personalmangel. Wer ist schuld daran?

Der Personalmangel ist die Folge von schlimmen Fehlplanungen und schweren Fehlentscheidungen des Managements.

Heftig umstritten ist die Trennung von Güter- und Personenverkehr. Muss das rückgängig gemacht werden?

Unser Personal klagt, mit der Trennung würden grosse Leerläufe produziert. Die Chefs sagen, damit wurden gewaltige Produktivitätsgewinne erzielt. Das müssen sie uns jetzt endlich mit klaren Fakten beweisen.

Gestritten wird auch über Lohnerhöhungen. Die angebotenen 3,3 Prozent sind doch akzeptabel.

Das Angebot der SBB beinhaltet eine Erhöhung der Lohnsumme um 3,3 Prozent. Aber der einzelne Mitarbeiter hat nur ein Prozent auf sicher. Das ist zu wenig und schreit nach Verbesserungen.

Werden die Konflikte im Jahr der Expo.02 erst richtig eskalieren?

Die Konflikte werden jetzt ausgetragen. Ich bin überzeugt, dass die Eisenbahnerinnen und -bahner alles machen werden, damit die Züge fahren. Am Personal wird es nicht scheitern.

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