Ständerat: Herbstsession 2003, 18. September 2003

Leistungsvereinbarung Bund - SBB

Leuenberger Ernst (S, SO): Meine Minderheit beantragt Ihnen, die Leistungsvereinbarung Bund-SBB AG stehen zu lassen, wie sie beide Kammern des Parlamentes - nach meiner Erinnerung einstimmig - vor genau einem Jahr verabschiedet haben. Vielleicht ist es nützlich, Ihnen in Erinnerung zu rufen, dass dieses Instrument der Leistungsvereinbarung bei der grossen Bahnreform geschaffen worden ist, mit einer Argumentation, die nicht unwichtig ist.
Einige erinnern sich an den vorherigen Zustand: Man hat das Budget und die Rechnung der SBB Jahr für Jahr im Parlament behandelt und verabschiedet. Das Budget der SBB war ähnlichen Entwicklungen ausgesetzt wie das Bundesbudget. Wenn der Bund knapp bei Kasse war, hat man auch dort am Budget geschraubt. Die grossen Strategen des EFD und des UVEK haben dann eben gesagt, das sei nicht gut. Die Verstetigung, die Stetigkeit, die Planbarkeit, die Berechenbarkeit ist bei der jährlichen Budgetierung in diesem Investitionsbereich - und um Investitionen geht es im Wesentlichen - so nicht gegeben. Wir erfinden sodann ein kluges Instrument, wir schliessen eine vierjährige Leistungsvereinbarung mit einem dazugehörigen Zahlungsrahmen ab, mit dem wir uns dann bei der Finanzplanung Rechenschaft darüber geben können, was wir in diesen Sektor investieren wollen, und bei dem sich die Empfänger einigermassen AB 2003 S 819 / BO 2003 E 819
darauf verlassen können, dass dieser vierjährige Rahmen dann auch tatsächlich eingehalten wird. Das waren die grossen Erklärungen der klügsten Leute in diesen beiden Häusern bei der Behandlung der Bahnreform.
Wenn ich die Tatsachen betrachte, scheint mir, dass seit der Verabschiedung der geltenden Leistungsvereinbarung durch das Parlament nun schon zum zweiten Mal Änderungen daran vorgenommen werden. Die erste Änderung ist ja durch die Einführung der Kreditsperre erfolgt. Sie hat sich ganz automatisch ergeben und auch übertragen. Schon damals hat man sich die Frage gestellt, was denn eigentlich ein Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Schweizerischen Bundesbahnen wert sei, wenn man ihn fast leninistisch einfach jederzeit ändern kann. Ich zitiere Lenin, der gesagt hat: "Verträge sind wie eine Pastetenkruste; man bricht sie, wenn man sie essen will." Das sei nur in Klammern vermerkt.
Bei diesem Zahlungsrahmen, bei dieser Leistungsvereinbarung geht es schwergewichtig um Investitionen, und diese Investitionen wiederum haben ein grosses Schwergewicht beim Substanzerhalt. Ich habe in diesem Saal vor wenigen Momenten für Substanzerhalt bei der Verkehrsinfrastruktur - die Nationalstrassen betreffend - plädiert. Ich habe angekündigt, dass ich mir die Freiheit nehmen werde, auch bei der Schieneninfrastruktur für Substanzerhalt zu plädieren, was hiermit getan sei. Ich bin überzeugt, dass Sie alle für Substanzerhalt bei den Bahnen sind.
Ich plädiere für ein Drittes, und damit möchte ich Sie ein bisschen überraschen, damit Sie auch einmal etwas hören, das Sie nicht erwartet haben. Ich bin für Modernisierungsinvestitionen bei den Bahnen, und ich sage hier: Wenn hier ein sturer Gewerkschaftssekretär sässe, würde dieser sagen: Wunderbar, Bundesrat, kürze diese Modernisierungsinvestitionen, da können wir noch eine Zeit lang Arbeitsplätze erhalten, weil dann nicht modernisiert und rationalisiert werden kann! Aber diesen sturen Gewerkschaftssekretär finden Sie im Eisenbahnbereich nicht - vielleicht gibt es irgendwo welche, aber jedenfalls finden Sie den hier auf diesem Stuhl nicht. Ich bin für eine moderne, modernisierte Eisenbahn und darum auch für Modernisierungsinvestitionen, auch wenn das gelegentlich auf der personalpolitischen Ebene sehr weh tut.
Um es kurz zu machen - denn über das Resultat der kommenden Abstimmung mache ich mir keine Illusionen -: Eines ist mir aufgefallen. Ich habe gestern in meinem Einleitungsvotum etwas provoziert und gesagt: Viele in diesem Saal würden von einem Sparprogramm 2 sprechen, und ich höre wenig darüber, was bei diesem Sparprogramm geschehen soll. Ich räume ein: Herr Merz hat mich darauf hingewiesen, er hätte sich zum Sozialbereich sehr konkret geäussert; das sei respektvoll vermerkt, obschon er akzeptiert, dass ich überhaupt nicht einverstanden bin damit, aber das gehört dazu. Als Zweites - und das ist das einzige, das neben dem Sozialbereich erwähnt worden ist - sind Investitionen in den öffentlichen Verkehr genannt worden. Es sind hier Beispiele von überflüssigen Investitionen genannt worden, und das bringt mich eigentlich dazu: Wir sind ja hier im Begriff, Finanzplanzahlen zurückzunehmen. Der Finanzplan ist das grosse Geheimnis des Bundesrates, hinter das ich in meinem parlamentarischen Leben noch einmal kommen möchte; vielleicht gelingt es mir noch in den paar letzten Monaten mit Ihnen, Herr Bundesrat Villiger. Nachdem die Bahnen allesamt sagen, ihre grossen Probleme bei der Infrastrukturfinanzierung kämen höchstwahrscheinlich nach 2006, also nach dieser Periode hier, und dann müssten sie eigentlich mehr Mittel haben, würde mich langsam Folgendes interessieren: Wenn der Bundesrat - und das Parlament mit ihm - denkt, man könnte dann auf dieser reduzierten Ebene, wenn es gut geht, über ein zweites Sparprogramm noch einmal reduzieren, dann würde das Delta enorm gross und die politischen Schwierigkeiten vermutlich noch grösser.
Mich würde einmal interessieren, was denn in den Finanzplänen, die es vermutlich irgendwo gibt, nach dem Jahr 2006 in diesem Bereich eingesetzt worden ist. Herr Bundesrat Villiger, Sie werden mir antworten, Sie könnten sich hier nicht mehr aufs Glatteis wagen. Aber es wäre für die kommende Entscheidfindung durchaus nützlich, wenn man wüsste, ob dannzumal die Erwartungen, die schon heute auf dem Tisch liegen, erfüllt werden können oder ob es Seifenblasen sind, die mehr oder weniger in die Landschaft gesetzt worden sind.
Ich beantrage Ihnen, auf diese Änderung der Leistungsvereinbarungen zu verzichten, aus den Gründen, die ich angeführt habe, aber insbesondere hätte ich gerne - das ist mir das Wichtigste - vom Bundesratstisch eine Erklärung darüber, wie die Geschichte nach dieser Übung, die Sie jetzt beschliessen werden, weitergehen soll.



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