Der Bund / 4. Februar 2004

Kein Blankoscheck fürs Parlament!
Kontra Avanti-Gegenvorschlag

Von Ernst Leuenberger

Der so genannte Avanti-Gegenentwurf ist eine Vorlage für den Lastwagentransport, mit der die vom Volk schon viermal bestätigte Verlagerungspolitik - Güter für lange Distanz auf die Schiene - ausgehebelt wird. Bei einer Annahme geschähe folgendes: Der zweite Gotthard-Strassentunnel würde so sicher wie das Amen in der Kirche bald möglichst gebohrt. Für die EU-Brummis würde ein Betonteppich durch unser Land ausgerollt. Wie wir wirtschaftlich von durchblochenden Lastwagen profitieren, konnte bisher niemand erklären.
Bereits heute tragen 70 Prozent der Lastwagen am Gotthard ein ausländisch es Nummernschild. Tendenz steigend. Eine zweite Strassenröhre wäre eine Aufforderung: Wählt die Gotthardroute für den Alpentransit! Das Signal an die EU wäre eindeutig: Wir Schweizer meinen es mit unserer Verlagerungspolitik nicht ernst; deshalb bauen wir zusätzlich zur Neat auch die Strassenkapazitäten aus. Damit würden wir unser Verlagerungsziel sabotieren, aber auch die Wirtschaftlichkeit der neuen Bahntunnel. Im Jahr 2007 ist der Lötschberg-Basistunnel fertig, der neue Gotthard-Eisenbahntunnel vermutlich 2014. Zwei Infrastrukturen zu bauen, ist ein sündhaft teurer Unsinn, der mehr Umweltbelastung brächte, mehr Verkehr, mehr Gefahrengüter, mehr Unfallrisiken. Im vergangenen Jahr kontrollierte die Polizei 15 000 Lastwagen am Gotthard und beanstandete über 40 Prozent. Ein enormes Sicherheitsrisiko. CVP-Bundesrat Hans Hürlimann sagte 1980 bei der Eröffnung des Gotthardtunnels klar, dieser sei kein Korridor für den Schwerverkehr. Ein Nein zu Avanti schadet dem heimischen Lastwagengewerbe nicht. Die Schweiz verfügt über eine sehr gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur. Die Fertigstellung des beschlossenen Nationalstrassennetzes wird dessen Lücken, insbesondere in der Romandie, schliessen. Die dafür nötigen Gelder sind dank dem zweckgebundenen Anteil der Mineralölsteuer vorhanden. Die gewerkschaftlich organisierten Chauffeure lehnen denn auch Avanti ab. Wer gegen diese Vorlage stimmt, sagt also bloss Nein zu einer Generalvollmacht für das Parlament, ungehemmt Autobahnen zu bauen. Die Mittel dazu wollen sich die sonst sparwütigen Väter der Vorlage mittels Fonds sichern, mit dem die Schuldenbremse umgangen wird. Schliesslich entschiede das Parlament abschliessend, was realisiert wird. Das Volk hätte keine Referendumsmöglichkeit. Dem sagt man Blankoscheck.
Auch deshalb verblassen die Farben des verlockenden Ostereis "Förderung Agglomerationsverkehr". Über 50 Städten macht man Versprechen, dass sie einen Anteil der versprochenen 300 Millionen Franken erhalten. Dies reicht nie, um dort die Verkehrsprobleme zu lösen. Sobald Avanti abgeschmettert ist, gilt es für die verkehrsgeplagten Städte Abhilfe zu schaffen. Angesichts der Agglo-Euphorie der Avanti-Turbos sicherlich ein Kinderspiel.


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