
Handelszeitung , 8. bis 14. Oktober 2008
«Ich
weiss, zu was
der Kapitalismus fähig ist»
Ernst Leuenberger,
Präsident der parlamentarischen Finanzdelegation, hält nichts
vom wachsenden Polit-Alarmismus.
Das
Volk macht sich Sorgen wegen der Finanzkrise. Warum beruhigen die Behörden
nicht?
Ernst Leuenberger:
Gefordert ist vor allem die Nationalbank, und die kann nicht einmal
der Bundesrat beeinflussen. Zusätzliche Dispositive sind eine klassische
Aufgabe der Exekutive. Das Parlament soll sich raushalten, ausser es
gibt eine Vorlage à l Americaine.
Sie
halten nichts von der geplanten Taskforce?
Leuenberger:
Die beiden Präsidentinnen der parlamentarischen Wirtschaftskommissionen
wurden durch einen gewissen Altwarenhändler namens Otto Ineichen
aufgescheucht. Das wiederum machte den Präsidenten der Finanzkommission
nervös, und nun fragt sich auch die Finanzdelegation, was zu geschehen
hätte, wenn eine Schweizer Bank kollabieren würde. Nach heutigem
Stand sehe ich keinen Handlungsbedarf.
Fühlen
Sie sich gut infomiert?
Leuenberger:
Der Bundesrat steht in intensivem Kontakt mit Parlamentariern, vor allem
mit der Finanzdelegation. Die Regierung hat Beurteilungen vorgenommen
und sich Massnahmen überlegt. Das genügt mir.
Macht
die Nationalbank einen guten Job?
Leuenberger:
Sie tut, was situativ angesagt ist.
Wo stehen
wir in der Finanzkrise?
Leuenberger:
Die Nachrichten aus Deutschland lassen einen zweifeln, ob nicht noch
mehr auf den Tisch kommt. Dass diese Krise überhaupt möglich
war, überrascht mich nicht. Als 68er weiss ich, zu was der Kapitalismus
und seine Adlaten fähig sind.
Meinen
Sie gierige Banker?
Leuenberger:
So haben wir uns das vor 40 Jahren vorgestellt. Ein paar verantwortungslose
Glücks- und Raubritter, von der Presse hochgejubelt, führten
das System an den Abgrund.
Zählen
Sie die UBS-Chefs dazu?
Leuenberger:
Klar. Da versenken ein paar Leute fast so viel wie das Bundesbudget
? das fasst mein Verstand nicht. Wenn einer beim Bund nur schon 10 000
Fr. verdonnert, kriegt er ein Verfahren.
Die
Bankenaufsicht prüft Verfahren gegen UBS-Manager.
Leuenberger:
Aufsichtsverfahren bringen nichts, das ist Kategorie Parkbusse. Kürzlich
hörte ich Bankleuten beim Gespräch zu, wie sie sich lustig
darüber machten, den Kunden Lehman-Produkte angedreht zu haben.
Leute, die im äusserst delikaten Finanzgeschäft auf diese
Art ihre Arbeit machen, sind verantwortungslos.
Erwarten
Sie Strafverfahren?
Leuenberger:
Nein. Wir haben die Swissair-Freisprüche erlebt. Auch jetzt wird
nichts passieren.
Interview:
Lukas Hässig
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