IG Boden, Nr. 3 (Oktober 2000)

'service public' für alle?

Von Ernst Leuenberger

Noch immer geniesst in der schweizerischen Raumplanung der haushälterische Umgang mit dem Boden zurecht hohe Priorität. Soll dieses Ziel einigermassen erreicht werden, so ist wohl auf einen zusätzlichen Aspekt der Raumordnung zu achten, nämlich auf denjenigen der gleichen Chancengleichheit in allen Landesteilen. Die Raumordnungspolitik ist hochkomplex. In der Schweiz kommt als problemverstärkender Faktor noch dazu, dass die unterschiedliche Ausstattung der verschiedenen Landesteile - also die Unterschiede zwischen Berg und Tal, Stadt und Land - z. T. sehr gross sind. Sie äussern sich in den räumlichen Disparitäten, wie unterschiedliches Wirtschaftswachstum, tieferes Pro-Kopf-Einkommen usw.. Aufgrund der ungleichen Ausstattung der Landesteile, haben ihre Bewohner unterschiedliche Startbedingungen. Eine annähernde Chancengleichheit kann nur über einen räumlich ausgebauten und leistungsfähigen ‚service public' (öffentl. Verkehr, Telekommunikation, Post u. Bildung) erreicht werden. Er ist für die Kohäsion unserer Willensnation unbedingt nötig. Die Aufgabe des Staates (Bund und Kantone) muss es also weiterhin sein, eine optimale Grundversorgung aller Landesteilen zu gewährleisten. Sie muss flächendeckend sein und ohne Preisunterschiede zwischen z. B. dem Calanca-Tal und der Stadt Basel. Ebenfalls soll sie immer auf dem neusten technischen wie organisatorischen Stand der Entwicklung bereitgestellt werden. Nur so können die BewohnerInnen von benachteiligten Schweizer Regionen davon abgehalten werden, sich in Richtung der Begünstigten aufzumachen. Eine solche Wanderung könnte nicht hingenommen werden, würden doch so in den Ballungszentren weitere Bodenreserven angebraucht, während in den Entvölkerungsregionen Brache zurückgelassen würde. Der ‚service public' hilft demnach solche Entwicklungen zu verhindern, indem er die räumlichen Disparitäten zwischen den einzelnen Regionen abdämpfen kann. Raumordnung hat demnach ein unabdingbares Interesse an einem funktionierenden, leistungsfähigen ‚service public'. Denn er ermöglicht überhaupt erst ein nachhaltiges Wirtschaften in den verschiedenen Regionen der Schweiz.

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