Otto
F. Walter - ein linker Weggefährte
Otto machte
es dem in der politischen Praxis Stehenden nicht leicht mit seinen Fragen.
Er fragte nach Politikerantworten weiter und wollte es sehr genau wissen.
Meine berühmten kleinen Schritte mussten sich die absolute Hinterfragung
geschehen assen. Auch kleinste und noch so hart erkämpfte Schritte
müssen in die richtige Richtung gehen, sonst sind sie schlicht
falsch. Das war hart, aber ich lernte seine Einwände schätzen.
Sie forderten heraus, schärften das eigene kritische Auge, verbesserten
meine Argumentation.
Sein Beitrag
zur sozialdemokratischen Programmdiskussion war bedeutend, seine Frustration
nach der parteiamtlichen Absage an den grundsatzharten Weg des BMK-Konzeptes
(Bruch mit dem Kapitalismus) war grenzenlos. Er trug sich damals mit
dem Gedanken, mindestens im Kanton Solothurn eine linke Sammelbewegung
links dieser pragmatischen SP zu bilden. Er ging soweit, die Einreichung
einer Wahlliste zu erwägen. Engagiert, kämpferisch, grundsatztreu.
In dieser Haltung war und blieb Otto F. der Spross einer stockkonservativen
Familie, der er politisch klar und nicht konfliktfrei den Rücken
zugewandt hatte. Er wollte nicht in seiner neuen politischen Heimat
nur mit Pragmatismus und mit Kompromissen leben. Er wollte und suchte
Klarheit und Eindeutigkeit. Sein Einsatz gegen die Atomkraftwerke, sein
Einsatz für eine sozialdemokratische Oppositionsrolle waren kompromisslos,
klar, unmissverständlich. Er wollte aber kein Politiker werden.
Dabei stand ihm nicht nur das Bild seines nationalrätlichen Vaters
im Weg, sondern auch seine tiefe Menschlichkeit, seine verbindliche
Liebenswürdigkeit. Sein politisches Harmoniebedürfnis war
letztlich auch ursolothurnisch. Wir haben zwar ein wenig gestaunt, als
Otto F. mit der ihm eigenen politischen Hartnäckigkeit sich auf
die Seite der EWR-Gegner schlug. Aber er war damit - wie sich zeigen
sollte - näher am Solothurner Volk, als wir alle aus dem gemeinsamen
Kreis. Indessen genau diese Volksnähe suchte er mitnichten. Er
war für das andere Nein, für das kreative NEIN. Verzweifelt
erfuhr er, wie wenig diese Stimme im reaktionären Blocher-Getöse
noch gehört wurde. Er hat gelitten. Er, der weitgewandte; er, der
lange in Deutschland gelebt hatte, war stets für die Öffnung
seiner Schweiz, aber gegen allen Gigantismus. "Brüssel"
war für ihn vor allem babylonischer Wahn.
Mit Otto
F. Walter hat uns ein politischer Mitstreiter verlassen. Seine leise,
aber unüberhörbare Stimme ist verstummt. Sie fehlt uns in
den Politgesprächen im "Kreuz" in Solothurn. Seine Fragen
bleiben im Ohr.
September
1994. Ernst Leuenberger, Nationalrat, Solothurn
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