
Ordnungshüter und Gesetzgeber
Ständerat
Ernst Leuenberger, Solothurn, am 28. Januar 2009 an der Polizei-Brevetierungsfeier
in Oensingen
An Ihrem
Freuden- und Jubel- und Feiertag der Brevetierung ist es angebracht,
Ihnen ein herzhaftes Glückauf zu wünschen. Ihnen zu gratulieren
zur abgeschlossenen Ausbildung, die Ueberwindung manches Hindernisses
zu erwähnen. Ich gratuliere Ihnen allen von ganzem Herzen, wünsche
Ihnen viel Befriedigung und Erfolg in ihrem nicht ganz einfachen Beruf
und wünsche Ihnen endlich auch etwas Gelassenheit in hektischen
Zeiten.
Ich könnte
über Ihre Berufswahl philosophieren, aber was würde wohl mehr
ein "Ratiburgern" geben als etwas Anderes. Ihre Motive könnten
etwa darin bestanden haben, etwas Seriöses etwas Sicheres; etwas
Angesehenes machen zu wollen. Vielleicht haben Sie auch krisensichere
Anstellung gesucht. Vielleicht wollen sie helfen. Vielleicht ist es
Gemeinschaftssinn. Vielleicht Abenteuerlust. Vielleicht auch Familientradition.
Vielleicht
sind es auch Vorbilder: Krimikommissare. Wachtmeister Studer von Friedrich
Glauser, gespielt von Gretler, H.H. Moser ua.; Vielleicht auch Polizist
Wäckerli. Dt Kommissare. Sherlock Holmes.
Hohes Ansehen
ist Ihren Berufen sicher. Als Politiker stelle ich jeweils bei entsprechenden
Umfragen schmunzelnd fest, dass Feuerwehrleute, Aerzte und Polizisten
zuoberst auf der Werschätzungsliste figurieren, während beispielswese
Politiker zu den Ungeliebten zählen. Ihre Umfragewerte sind hoch.
Das Vertrauen in Sie ist gross. Und ich bin froh darüber. Es gibt
kaum etwas Schlimmeres als eine Polizei, der der Korruption verdächtigt
wird.
Ueberflüssig das damit verbundene Missbrauchpotential zu erwähnen.
Jedenfalls
und das freut mich als öffentlich Tätigen: Sie haben sich
für den Service public entschieden. Sie wollen der Gemeinschaft
dienen.
Aber auch diese Bäume wachsen nicht in den Himmel. Sie erfahren
natürlich auch Spott und Ablehnung allein in den all den nicht
gerade liebenswürdig klingenden volkstümlichen Bezeichnungen
für Ihre Beruf.
Eigentlich
wollte ich als langjähriger Politiker diese Gelegenheit hier nutzen,
um mit Ihnen über etwas ins Gespräch zu kommen, was mich seit
langem umtreibt. Wir Parlamentarier als Gesetzgeber - freilich mit dem
Volk zusammen - stellen Regeln auf, laufend neue, und oft nicht sehr
einfache und delegieren dann die Umsetzungen, die Durchsetzung dieser
Regeln an die Verwaltung, sehr häufig auch an Polizeiorgane.
Ich gebe Ihnen Beispiele, die mich aus verschiedenen Blickwinkeln unterschiedlich
beschäftigen.
Was tun
mit Regeln, die nicht befolgt werden, weil sie nicht getragen werden?
Ich nenne das z.Bsp. das Haschverbot. Ich gebe auch zu, dass meine Antwort
eine sehr schnelle ist: ich finde dieses Verbot überflüssig
und möchte es aufheben. Allein das der Souverän, das entscheidende
Volk ist da andrer Meinung. Was tun? Eine kaum durchsetzbare Regel mit
dem Brecheisen durchsetzen wollen?
Mein zweites
Beispiel sind Verkehrsregeln. Vorweg gesagt, ich bin kein Autofahrer,
sollte also dazu gar nichts sagen. Uebrigens um alle Missverständnisse
zu vermeiden: Ich hatte nie einen Führeerausweis, ich habe auch
nie Versuche unternommen einen zu erwerben. Item: was tun, wenn z.B.
Aufmerksamkeitsregeln mehrheitlich gar nicht befolgt werden? Was wenn
Geschwindigkeitslimiten, Ueberholverbote nicht beachtet werden?
Hier merke ich nun, dass es mir nicht so leicht fällt wie im ersten
Beispiel einfach zu sagen: Regel aufheben, wenn sie nicht befolgt wird.
Hier neige ich nun zur Ansicht: Regel durchsetzen. Vielleicht kommen
Sie jetzt ins Spiel und fragen mich: wie; mit welchem Resultat die Regel
durchsetzen. Heilt die Zeit Wunden? Schafft die Gewöhnung Remedur?
War das etwa bei der Gurtentragpflicht der Fall? Eines ist klar: Mehrheiten
und zwar grosse Mehrheiten müssen vom Nutzen einer Regel überzeugt
sein. Die Einsicht in den Sinn der Regel muss vorhanden sein. Wer aber,
fragen Sie mich nun wohl, soll dies Einsicht erwirken? Muss der parlamentarische
Gesetzgeber das tun? Ich frage dann zurück, wann und wo? Wenn keiner
an eine politische Versammlung kommt? Arena ist oft auch nicht gerade
sehr argumentativ. Delegiere ich die Sache wieder an Sie, etwa an den
Polizisten, der Verkehrserziehung in Kindergarten und Schule macht?
Delegiere ich die Sache an die Schule? An wen denn sonst?
Mein drittes
Beispiel wäre das Internet. In unserem Zusammenhang die Internetpolizei.
Ich will es offenlegen. Wer glaubt, es könnte alles z.B . sittenpolizeilich
(Gewaltdarstellungen, Pornographie) kontrolliert werden, was auf dem
Netz ist, der irrt gewaltig. Ich ziehe mich zurück auf Missbrauchsbekämpfung
und die Aufklärung in der Erziehung. Der mündige Mensch ist
auch diesem Phänomen gewachsen.
Mein viertes
Beispiel wären Dopingverbote im Sport. Mein vorschnelle Antwort:
das ist Sache der Sportverbände und nicht der öffentlichen
Hände.
Mein fünftes Beispiel wäre das Rauchverbot aus Gesundheitsgründen.
Da hat etwa im Kanton Solothurn das Volk so deutlich gesprochen an de
Urne, dass kein eigentlich kein Raum für Deutungen bleibt.
Mein sechstes
Beispiel wäre der staatliche Schutz leichtgläubiger Menschen
vor Uebervorteilung, vor Ausnützung.
Ich leiste mir die Arroganz zu sagen: wer auf
Anlageversprechen von von 15% und mehr Zinsen reinfällt, ist doch
wohl selber schuld und Opfer seine Gier und fertig. Und noch etwas:
falls es jemals Renditemögichkeiten von 15% und mehr gäbe,
gegeben hätte oder geben wird: eines ist sicher sicher zu mir als
klein Hansli kommen die nie. Da wird voher abgesahnt. Einige werden
insgeheim vermuten, ein altes Staatsgläubiger ein Etatist sei zum
Gesellschaftsliberalen mutiert.
Ich danke
dafür, dass ich Ihre Aufmerksamkeit mit meinen Gedanken für
eine Weile habe beanspruchen dürfen. Ich gratuliere nochmals zu
Ihrem Ausbildungsabschluss und wünsche Ihnen allen eine erfolgreiche
berufliche Zukunft und auch etwas privates Glück.
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