SP- Pressedienst, März 2006

Infrastrukturfonds: Endlich etwas tun für Agglomerationen

von Ernst Leuenberger, Ständerat SO


1. Ausgangslage: Unser Avanti-Abstimmungssieg vom 8. Februar 2004

Das Parlament hatte aus einem bundesrätlichen Gegenvorschlag zur Avanti-Initiative des TCS ein ungeniessbares 30-Milliarden-Projekt für Strassenbau inklusive Gotthard-Strassentunnel gemacht; versehen mit einem Zückerchen in Form von Beiträgen an den Aggloverkehr. Das Volk mit 63% und alle Stände lehnten die Vorlage ab. Der tolle Sieg war aber ein Verhinderungssieg. Für die Agglomerationen war damit noch nichts getan.

In der Abstimmungskampagne hat selbst der TCS Mineralölsteuer-Gelder für Investitionen in den öffentlichen Verkehr in den Agglos befürwortet. Die Agglomerations-Verkehrsprobleme sind im Übrigen augenfällig.

Ebenso unbestritten war stets, dass das 1960 beschlossene Nationalstrassen-Netz fertig zu stellen sei.

Bestritten war immer die so genannte Engpass-Beseitigung bei den Nationalstrassen, was für viele als Generalvollmacht für den Ausbau der Nationalstrassen galt und gilt.

Bestritten war von grün-rot und aus dem Alpengebiet selbstverständlich die vierspurige Gotthard-Autobahn.

Im Abstimmungsresultat zeigte sich auch noch eine andere Komponente. Es gab in Randregionen hohe Nein-Stimmenanteile, weil befürchtet wurde, nur die Städte würden profitieren; während Berg- und Randregionen wieder einmal leer ausgehen würden.

2. Die Vorlage des Bundesrates

Das UVEK handelte schnell und legte bereits am 2. Dezember 2005 eine Botschaft für den Aggloverkehr und das Nationalstrassennetz vor.

Mit der Vorlage NFA (Neuer Finanzausgleich) ist bekanntlich in BV Art. 86, Absatz 3, eine tragfähige Verfassungsgrundlage für den Einsatz von Mineralölsteuer-Geldern auch in den öffentlichen Verkehr in den Agglos geschaffen worden. (Volksabstimmung vom 28. November 2004):

Demnach können Mineralölsteuer-Gelder auch eingesetzt werden für:

„Massnahmen zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur in Städten und Agglomerationen“.

Diese Bestimmung enthält leider auch die Beschränkung auf Investitionen in den öffentlichen Verkehr in den Agglomerationen. Damit können zum vorneherein keine Mineralölsteuer-Gelder in Anlagen des Schienen-Regionalverkehrs in Berg- und Randgebieten fliessen.

Auf dieser Basis schlägt der Bundesrat ein ausgewogenes 20-Milliarden-Paket vor:

- 8,5 Milliarden Franken für die Fertigstellung des Nationalstrassen-Netzes.

- 6 Milliarden Franken zur Lösung der Verkehrsprobleme in den Agglomerationen.

Neben 18 andern Agglomerations-Projekten sind hier drei zentrale Projekte berücksichtigt:

- Die Durchmesserlinie Zürich (DML); für das ganze Schweizer Bahnnetz zentral.

- Die Verbindung Mendrisio-Varese (FMV)

- Die Schienenverbindung Cornavin-Eaux-Vives-Annemasse (CEVA), ein Versprechen des Bundes an Genf aus dem Jahre 1912!

- 5,5 Milliarden Franken für Engpassbeseitigung bei den Nationalstrassen.

3. Beratung in der Kommunikation für Verkehr und Fernmeldewesen des Ständerates (KVF-SR)

Den ersten Hammer servierte in den Hearings die neue TCS-Führung, die unverhohlen mit den Referendum drohte, wenn Gelder für S-Bahnen in der Vorlage drinblieben. Was als Antwort die Referendumsdrohung des VCS und seiner Verbündeten nach sich zog, ohne S-Bahn würde die Vorlage bekämpft. Der TCS weiss ganz genau, dass seine Chancen nur im Parlament liegen; vor dem Volk verliert er.

Die Kommission begriff, dass sie auf einem sehr schmalen Grat wandelte und erkannte, dass das UVEK eine sehr ausgewogene Vorlage präsentiert hat, von der ohne Not nicht abgewichen werden sollte.

Mitten in die Kommissionsberatungen platzte der TCS-inspirierte Vorschlag von kantonalen Baudirektoren, die S-Bahnprojekte seien über den FinöV-Fonds zu finanzieren. Die Kommission liess sich nicht beirren.

Politisch stellte sich sodann die Frage, wie die Berg- und Randgebiete für die Vorlage gewonnen werden könnten. Der Bundesrat stellt zwar in der Botschaft in Aussicht, Gelder aus einer künftigen Erhöhung der LSVA (Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe) diesen Gebieten zur Verfügung zu stellen für ihre Hauptstrassen. Die Kommission kam zum Schluss, es sei klüger, dieses Versprechen gleich in die Vorlage aufzunehmen mit dem Ergebnis, dass den Berg- und Randgebieten für ihre Hauptstrassen für 20 Jahre je 40 Millionen zur Verfügung gestellt werden sollen.

Die bundesrätliche Vorlage nennt auch elf zurückgestellte Agglo-Projekte. Deren Baubeginn liege nach 2008 und diese seien dann zu finanzieren. Ein einziges durch Irrtum zurückgestelltes Projekt aus dem Baselbiet wurde von der ständerätlichen Kommission für dringlich erklärt.

So hat denn die SR-Kommission die bundesrätliche Vorlage neben zwei Ergänzungen in einigen Punkten präzisiert und sie einstimmig zu Handen des Ständerates verabschiedet.

4. Würdigung

Ein Drittel der Vorlage ist für uns unbestritten (Fertigstellung Nationalstrassennetz).

Ein weiteres Drittel (Aggloverkehr) entspricht in vielen Teilen unseren verkehrspolitischen Vorstellungen.

Der dritte Teil (Enpgassbeseitigung bei den Nationalstrassen) entspricht nicht unseren Wünschen, ist aber wohl nicht vermeidbar. Ganz abgesehen davon, dass mit dem Status quo für die Agglos kein Geld zur Verfügung stünde, hingegen für die Strassen die Hälfte der Mineralölsteuer plus der ganze Zuschlag.

Die Vorlage hat noch einige Klippen zu umschiffen:

- Der TCS kämpft gegen S-Bahn-Beiträge

- Die Lastwagenlobby ärgert sich über die vorgesehene Erhöhung der LSVA

- Regionen mit zurückgestellten Projekten könnten die Vorlage entweder überladen wollen oder sie gar bekämpfen.

Wir brauchen endlich eine vernünftige Vorlage aus dem Parlament um vom Status quo wegzukommen.




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