VV-Referat
von
Vp Ernst Leuenberger
Verbandsvorstand
SEV am 06. November 2001
in Brenscino, Brissago
Meine Ausführungen
gliedern sich in vier Kapitel:
- Grosswetterlage
im Herbst 01
- SBB-Lohnherbst
- SEV-interna
- Politische
Fragen
1. Kapitel:
Grosswetterlage im Herbst 2001
Die wirtschaftliche,
politische und soziale Grosswetterlage ist eine grundlegend andere geworden
seit unserem Kongress von Ende Mai, anfangs Juni dieses Jahres 2001.
Damals bestand Grund zur Hoffnung auf ein gutes Jahr, mit etwas gebremstem
Wirtschaftswachstum zwar, aber immerhin Optimismus war vorherrschend.
Inzwischen erleben wir einen Krieg im fernen Afghanistan. Die Weltmacht
USA bombt ein mausarmes Volk, das schreckliche Fundis an seiner Spitze
hat, in Grund und Boden. Die Fundi-Attacke auf New York hat die Welt,
hat die Wirtschaft, hat die Gesellschaft erschüttert. Wollte man die
Welt an der Reaktion der Börse messen, zeigt sich ein enormes Ausmass
der Katastophe. Und es blieb für unsere Wahrnehmung nicht bei diesem
einen Schrecken.
Für unsere Augen, für unsere Gedächtnisse heissen die Schreckstationen
dieses Herbstes 2001: New York Zug Swissair Gotthardstrassentunnel.
Und alles hat Auswirkungen auf uns:
- New
York hat die Börsenentwicklung negativ beeinflusst. Das wiederum beeinflusst
neben der generellen wirtschaftlichen Entwicklung unsere Pensionskassen,
die ja auch Aktien besitzen „müssen.“
- In Zug
hat der Hass eines Bürgers auf einen Buschauffeur der ZVB zu einem
Massaker geführt. Politiker und Politikerinnen sind buchstäblich hingerichtet
worden.
- Die
Swissair-Katastrophe zeigt zwar klar das Versagen der Managerkaste
auf, aber Tausende von Gekündigten in diesen Wochen beeinflussen den
Arbeitsmarkt massiv und damit die Lohnabschlüsse enorm. Immerhin prognostiziert
der Chefökonom der UBS für 2002 einen durchschnittlichen Lohnzuwachs
von 2.3%.
- Der
tragische Unfall im Gotthardstrassentunnel zeigt nicht nur die Wildwest-Verhältnisse
im Güter-Strassentransport, er beeinflusst auch unseren Kampf gegen
die zweite Gotthardstrassenröhre.
Wie Ihr
wisst, streben SEV und GBI in einem gemeinsamen Projekt bessere Arbeitsbedingungen
für LkW-Chauffeure und für mehr Sicherheit im Strassen-Güterverkehr
an. Die Stichworte heissen: Kampf gegen Scheinselbständigkeit bei Chauffeuren;
bessere Löhne, Einhaltung der Sicherheits- und Ruhevorschriften, mehr
Kontrollen.
Ein Wort zu den Pensionskassen: Unsere Pensionskassen bei SBB, ASCOOP
und KTU sind von der schlechten Börsenlage, welche durch die Ereignisse
vom 11. September und der Swissair-Geschichte noch akzentuiert wurde,
ebenfalls betroffen. Die Renditen werden für dieses Jahr wohl ein Minuszeichen
vor den entsprechenden Prozentzahlen aufweisen oder zumindest werden
Wertschwankungsreserven aufgelöst. Mit Ausnahme von allfälligen Swissairaktien,
die auf 0 abzuschreiben sind, handelt es sich jedoch in aller Regel
um Buchverluste, welche mittelfristig wieder aufgeholt werden können.
2.
Kapitel: SBB-Lohnherbst
Die Lohnverhandlungen
laufen diesen Herbst bei einigen KTU etwas besser als bei den SBB. Aber
auch bei den KTU bleibt das Bild durchzogen wie das Bsp. RhB mehr als
deutlich zeigt.
Die SBB-Ausgangslage ist klar: Wir haben die volle aufgelaufene Teuerung
als Kaufkrafterhalt plus 3% Reallohnerhöhung gefordert. Wir haben ferner
gefordert, dass der Malus weg muss aus dem SBB-Lohnsystem. Wir haben
klar zeitliche Ausdehnung der Besitzstände verlangt. Wir haben Neueinreihungen
verlangt. Und sind in Verhandlungen getreten, die wir wegen des miserablen
SBB-Angebots unterbrochen haben.
Vielleicht
zur Erinnerung: Unsere SBB-Lohnforderung haben wir zeitlich im frühen
Frühling 01 festgelegt als bekannt wurde, wie unverschämt ein SBB-VR-Ausschuss
die Top-Kaderlöhne erhöht hatte. Dieses Ereignis beeinflusst den auch
seither ganz klar alle Verhandlungen und Gespräche mit den SBB.
Weitere
Elemente des heute schlechten Betriebsklimas bei den SBB sind:
- zehn
Jahre Reorganisation, Rationalisierung mit den Resultat: Abbau von
10 000 Stellen bei den SBB und dem Effekt; dass die verbleibenden
28 000 Angestellten eine grössere Gesamtleistung erbringen (müssen)
als vorher fast 40 000.
- die
Reorganisation entpuppt sich als gigantische Lohnabbauübung. Die letzte
Zahl, die ich zu Ohren bekommen habe, nennt 1300 Zurückgestufte mit
auslaufender Lohngarantie. - um das Mass voll zu machen, lassen die
SBB eine lausige Lohnstudie erstellen, die beweisen soll, dass die
SBB-Leute im Durchschnitt über 7% zuviel verdienen; in einige Fällen
gar 20% zuviel.
- die
SBB haben 2000 mehr Güter als je transportiert. Die Leute haben bis
zum „geht nicht mehr“ gearbeitet und tun es immer noch. Wegen der
miesen Marktverhältnisse im Gütertransport haben die SBB dabei im
Jahre 2000 aber einen Verlust von 59 Mio eingefahren. Statt mit dem
Bund – dem Auftraggeber zur Verlagerung von der Strasse auf die Schiene
– ein ernsthaftes Wort über Abgeltung zu reden, verkünden SBB-Bosse
vollmundig, sie wollten weniger Bundesgeld, nicht mehr.
- die
enormen Personalunterbestände, die einen klaren Managementfehler darstellen,
werden schöngerdet, weil man ja weiss, dass das Personal zu jeder
neuen Anstrengung bereit ist. Auch die Gotthardstrassensperre, die
kommende Expo soll mit Ausnahmemanagement im Personalwesen überwunden
werden.
Ich verschweige
nicht, dass genau in dieser Problematik unser grosses Dilemma liegt:
Sollen wir im Interesse der Verkehrsverlagerung unsere Mitglieder auffordern
weiterhin – voraussichtlich bis Ende 02 – Mehrarbeit bis zum Ueberdruss
zu leisten oder sollen wir sie zur Verweigerung auffordern.
Persönlich
habe ich bisher die erste Variante bevorzugt im Interesse der Zukunft
der Bahn und ihres Personals. Aber auch diese Leistungs-Bereitschaft
hat ihre Grenzen. - erstmals seit Jahren stellen die SBB wieder Leute
an. Das führt zu einer Ausweitung der Lohnsumme. Das macht ganz oben
Angst und führt zu kurzsichtigen Bremsmanövern.
Wie geht
es weiter? Der SEV erwartet in den nächsten 10 Tagen ein neues Angebot
der SBB. Wir werden dieses genau prüfen und nur in Verhandlungen darüber
eintreten, wenn es markant besser ist als die bisherigen zwei Angebote.
Wenn das Angebot zum dritten Mal ungenügend ausfällt, werden wir weitere
Massnahmen ins Auge fassen müssen. Ich werde mich hüten, hier halböffentlich
solche Massnahmen zu schildern. Kein kampfführender Generalstab der
Welt erörtert seine Pläne öffentlich.
Ich will bloss in Erinnerung rufen, dass wir drei Stationen im Lohnkampf
bereits hinter uns haben; zur Erinnerung:
- SEV
Einsatz im Febr/März gegen die exorbitanten Top-Kaderlöhne und eigene
SEV-Forderung.
- Good-will
Aktion der Kolleginnen und Kollegen mit den Buttons
- Protestversammlungen
vom 29. Oktober.
Formell
sei festgehalten, dass bei einer Nichteinigung bis am 15. Dez. für die
Teuerungsforderung ein Schiedsgericht zum Einsatz kommt. Für die Reallohnforderung
und die übrigen Forderungen ist etwas Aehnliches nicht vorgesehen. Falls
ein Schiedsgericht eingesetzt würde, hätten wir uns während der Dauer
des Verfahrens jeglicher konfliktverschärfender Massnahmen zu enthalten.
Und ein solches Verfahren kann Monate dauern.
Ich rufe
in Erinnerung, dass alle Massnahmen des SEV durch die statutarisch und
regelementarisch vorgesehenen Organe beschlossen werden und durch niemanden
sonst.
Zwei Empfehlung
gebe ich hier gerne ab:
- Liebe
SEV-Mitglieder schreibt der SBB-Leitung per mail, per Fax oder per
Brief. Unterstützt die SEV-Lohnforderung und beschreibt Eure Situation
in den letzten Jahren.
- Schreibt
Leserbriefe an Eure Tageszeitungen der Region, des Kantons und stellt
Eure Forderungen.
Die SBB
sind nun gefordert. Ihr drittes Angebot wird den Verlauf der Geschichte
bestimmen. Wenn die Chefs klug sind, machen sie einen Gewaltseffort
auch finanziell, um ihren guten Willen zu zeigen.
3.
Kapitel: Verbandsinterna und Verbandszusammenarbeit
Frauensuche
Die kritischen Voten am VV von Anfangs Mai und am Kongress 01 haben
Folgen gezeitigt. Mit der Anstellungen der beiden Juristinnen Deborah
Balicki und Barbara Spalinger haben wir den Frauenanteil in der GA verdoppelt!!
Jugendbetreuung
Endlich bin ich in der Lage mitzuteilen, dass die Jugendbetreuung wieder
vom Sekretariat aus erfolgen kann. Deborah Balicki, Jg. 1972, übernimmt
diese Aufgabe. In einer Anfangsphase wird sie von Udo Michel begleitet,
der bereits jahrelange Erfahrung als Jugendbetreuer in einer grossen
GBI-Sektion hat.
Mitglieder-Werbung
Wenn die SBB Leute anstellen, sind unsere Werbeanstrenungen mehr als
nur gefragt. Merci allen Werberinnen und Werbern. Aufforderungen an
die Sektionen und UV, die Werbung in allererster Priorität zu betreiben
und zwar intensiv.
Regionalisierung
SEV-Sekr
Die Sekretariatsregionalisierung macht Fortschritte: seit diesem Sommer
betreut der VPOD-Sekretär Peter Hartmann in St. Gallen unsere Sektionen
MThB, FW und begleitet die Entstehung der Bahngesellschaft Thurbo. In
Lausanne wird in den Räumen der SEV-Versicherungen ab Januar 2002 eine
permanence syndical eingerichet, die von den Angehörigen der division
romande im VS Bern betreut wird. Patrick Rouvinez, der seit 1.9. 01
für die SEV-Versicherungen in Lausanne arbeitet, wird einige SEV-Dossiers
weiterführen. In Basel wird im ersten Quartal 02 ebenfalls eine solche
permenance entstehen, die durch Barbara Spalinger betreut wird. Anzumerken
bleibt, dass unser Sekretariat Tessin neuerdings auch in Chiasso Sprechstunden
anbietet. Damit haben wir neben dem Sekr. in Bern mit dem bereits bestehenden
Aussenstellen in Bellinzona und Zürich insgesamt 6 SEV-Ansprechstellen
dezentral. Offen ist noch der Zeitpunkt der Schaffung einer ähnlichen
Aussenstelle in Chur. Damit sollte dann der Dezentralisierungsprozess
abgeschlossen sein.
Vizewahlen
Das 3er-Modell hat die Referendumsfrist überstanden. Ich hoffe, dass
wir heute zur Wahl zweier Vizes kommen. Wenn alles gut läuft, wird in
absehbarer Zeit auch die dritte Vizestelle besetzt werden können.
Finanzfragen
(Beitragserhöhung, Spar- und Verzichtsprogramme)
Dass bei rückläufigen Mitgliederzahlen wegen Personalabbau im ö.V. unsere
Finanzen aus dem Gleichgewicht geraten, haben wir hier seit Jahren gesagt.
Heute liegt eine Beitragserhöhung auf dem Tisch. Es ist nämlich etwas
eintreten, was auch nicht unerwartet kommt. Die vom Sekretariat zu lösenden
Aufgaben nehmen laufend zu. Und das kostet etwas.
Zeitungen
Ich gehöre immer noch zu den Träumern von einer grossen umfassenden
Gewerkschaftszeitung. Work in der Deutschschweiz und das évènement syndical
in der Westschweiz – freilich zum Gewerkschaftshaus gehörend – machen
einen guten Anfang. Wenn daraus etwas wird, kann ich mir eine Integration
der drei SEV-Zeitungen in diese Blätter vorstellen
Verbandszusammenarbeit
VPOD, Gew. Komm.
Neues ist darüber kaum zu berichten. Ich halte am Ziel fest, es sei
sinnvoll, die drei Gewerkschaften SEV, VPOD und Gewerkschaft Kommunikation
unter ein Dach zu führen. Das ist letztlich auch eine Kostenfrage.
Föderativverband
Der Föderativverband war unser Dach. Indessen mit der weitgehenden Selbstständigkeit
der Bundesbetriebe SBB, Post und Swisscom ist das Interesse der entsprechenden
Verbände an diesem Dach geschwunden. Falls die Gewerkschaft Kommunikation
am 3. Dezember 01 den Austritt aus dem FöV beschliesst, werden wir den
VV SEV anfangs Jahr einberufen, um über den Austritt des SEV zu beraten.
Auch das ist letztlich eine Kostenfrage.
4. Kapitel
: politische Fragen
-11. AHV-Revision
-Finanzpolitik. Leere Kassen. Erfolg für Kredit RPV.
-Kapitalgewinnsteuer
-KVG-Initiative
-Avanti und Anti-Avanti
Wir leben
mitten in einem extrem schwierigen Lohnherbst. Zusammenstehen aller
SEV-Mitglieder ist gefragt. Der Druck muss den Unternehmensleitungen
gelten. Wir müssen die Oeffentlichkeit ansprechen. Die ö.V:-Kunden sind
unsere wichtigsten Verbündeten. Unser Zorn muss immer produktiv bleiben.
Wir wollen mehr und besseren ö.V. Wir wollen starke ö.V- Unternehmungen.
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