
1. August
2006: Bundesfeier
in Kestenholz
Ansprache
von
Ständerat Ernst Leuenberger, Solothurn.
Wir
feiern den Geburtstag der Schweiz. Wir beziehen uns dabei auf den Bundesbrief
mit dem Rütlischwur von 1291 und auf das, was Friedrich Schiller
im 19. Jahrhundert im "Wilhelm Tell" geschrieben hat.
Der 1.
August ist ein junger Nationalfeiertag. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts
begann man in der Schweiz, diesen Tag zu feiern als rings um die Schweiz
vor allem aber im neu geeinten Deutschland (ab 1871) nationale, ja nationalistische
Gefühle stark und stärker wurden.
Dieser Bundesfeiertag sollte auch dazu beitragen, die konservativen
Sonderbundskantone, vor allem die Innerschweizer mit der neuen Schweiz
von 1848 zu versöhnen. Die Schweiz von 1848 war ja bekanntlich
erst möglich nach einem Bürgerkrieg, dem Sonderbundskrieg.
Immerhin
der historischen Wahrheit zur Ehre müssen wir ganz nüchtern
feststellen - und wir feiern ja den Bundesfeiertag auch am hellichten
Tag : Der frühe Schweizerbund von 1291 war eine Sache der Leute
von Uri, Schwyz sowie jener von Ob- und Nidwalden. Unsere Solothurner
Vorfahren kamen erst fast 200 Jahre später dazu nämlich 1481.
Der erste
Schweizerbund war ein Schutz- und Trutzbündnis gegen die Mächtigen
jener Zeit, gegen das Ausland, gegen die herrschsüchtigen Nachbarn.
Die moderne
Schweiz will mehr:
Die Bundesverfassung
sagt das klar:
Zitat : Präambel der Bundesverfassung:
- in der
Verantwortung gegenüber der Schöpfung
- im Bestreben, den Bund zu erneuern, um Freiheit und Demokratie, Unabhängigkeit
und Frieden in Solidarität und Offenheit gegenüber der Welt
zu stärken,
- im Bewussteinsein der gemeinsamen Errungenschaften und der Verantwortung
gegenüber künftigen Generationen,
- gewiss dass nur frei ist, wer seine Freiheit gebraucht, und dass die
Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen.
Genau genommen
fundiert die heutige Schweiz in ihrer heutigen Zusammensetzung auf der
Verfassung von 1848.Gründungsdatum der modernen Schweiz ist somit
eigentlich der Verfassungstag von 1848, das wäre der 12. September.
An einer
Geburtstagsfeier werden Glückwunschbotschaften überbracht,
manchmal gibt es auch Geschenke.
Am Bundesfeiertag besteht unsere Glückwunschbotschaft, besteh unser
Geschenk darin, dass wir für einen Augenblick über unsere
Schweiz nachdenken, unseren Schweizer Stolz aussprechen, unserer Freude
über das Land Raum geben, aber auch einige kritische Bemerkungen
anbringen. Ein wenig tun wir uns schwer damit, uns selber zu feiern
oder gar zu loben. Das ist gut so; es entspricht republikanischen Tugenden.
Die Schweiz
war und ist eine friedlich zusammenlebende Solidargemeinschaft von Menschen
verschiedener Sprachen, unterschiedlicher Religionen, verschiedener
politischer Ansichten;
von Menschen unterschiedlicher Herkunft (nicht alle unsere Vorfahren
waren 1291 dabei); von Berglern, Flächländern und Städtern,
von Reichen und Armen, von Starken und Schwachen. Das ist unser väterländischer,
unser mutterländischer Stolz. Tragen wir Sorge zu.dieser Schweiz.
Unsere
Denker, Schriftsteller haben uns Ratschläge zu diesem Stolzsein
gegeben:
Gottfried Keller sagte:" achte jeden Mannes Vaterland, das deine
aber liebe."
Dürrenmatt korrigiert leicht:" Vaterlandsliebe muss kritisch
sein, sonst wird es Affenliebe."
Stolz sein
auf die Schweiz heisst dankbar sein all jenen gegenüber, die in
der Vergangenheit für die Schweiz und an der Schweiz gearbeitet
haben.
Solz sein
auf die Schweiz heisst, die positiven Eigenschaften pflegen und stärken,
auch modernisieren, schlechte Verhaltensweisen kritisieren und korrigieren.
Was heisst
das konkret?
Solidarität:
Entsprechend
dem eidgenössischen Slogan: "Alle für einen, einer für
alle." wollen wir
solidarisch sein mit den Schwächeren im Lande und ausserhalb des
Landes in der weiten Welt. Wir wenden uns frohgemut und kämpferisch
gegen die Egoisten, Abzocker, Profiteure, Gytsgnäpper, Batzenklemmer.
Wir tragen Sorge zu den Menschen, wir üben Menschlichkeit. Wir
neigen uns verständnisvoll und herzlich den Schwachen, Kranken,
den Gestrauchelten, ja auch zu den Fremden zu. Mit andern Worten: sozialer
Ausgleich, eine gute Sozialpolitik entspringt guter Schweizer Art.
Solidarität
erträgt keine Ausgrenzungen aufgrund von Nation, Geschlecht, Rasse
ode Religion.
Fremdenfeindlichkeit ist zwar kurzfristig ein politsches Erfolgsrezept
wie figura zeigt, aber sie zerstört die Grundlagen der Willensnation
und Solidargemeinschaft Schweiz und ist daher zu überwinden.
Zum Thema Solidarität gehört auch, nicht wegzusehen, wenn
in der Welt Verbrechen geschehen. Es ist unerträglich zusehen zu
müssen, wie Kinder und Alte ausgebombt, umgebracht werden im Libanon.
Und dem Schweizer Bundesrat fällt dazu nur ein: es brauche einen
Bericht über die Neutralität des Landes.
Zukunftsglaube:
Wir sind
Zukunftsgläubige, Zukunftswillige und Zukunftsfähige
Wir wenden uns gegen Angstmacher.
Wir tragen Sorge zu den Kindern und ihrer Welt.
Das heisst Sorge tragen zur Umwelt, Luft, Boden, Wasser, Natur; nicht
alles aus wirtschaftlichem Profitdenken jetzt verbrauchen, sondern den
Nachfahren, unseren Kindern und Enkeln/innen eine intakte Umelt als
Erbe hinterlassen.
Für
Demokratie, für Weltoffenheit
Unser Stolz
aufs Schweizer Vaterland, aufs Schweizer Mutterland, ist Stolz auf die
Vergangenheit, Stolz auf das Erreichte, verbunden mit der Zuversicht,
dass wir auch die nicht wenigen Zukunftsprobleme friedlich angehen und
lösen werden.
Unser patriotischer Stolz macht uns auch stark in der Auseinandersetzung
mit Fundamentalismus aller Art, sei dies nun religös, politisch
oder sonstwie ideologisch abgestützt. Wir treten Isolationisten,
Predigern der Ueberheblichkeit, Miesmachern aller Art klar entgegen,
scheuen die Auseinandersetzung nicht.
Zum Thema
Weltoffenheit gehört für mich auch, dass wir Schweizerinnen
und Schweizer nicht nur Spitzesportler und Superreiche einbürgern,
sondern auch sog. "gewöhnliche" Menschen. Ich habe einen
Verdacht: manch einer, der mit der Schweizerfahne der Fussballnationalmannschaft
zujubelt, am Sonntag darauf gegen erleichterte Einbürgerungen stimmt
oder eine konkrete Einbürgerung an der Gemeindeversammlung ablehnt.
Wir sind
für offenes Aufeinander-zu-Gehen, für die Auseinandersetzung
im Dialog.
Demokratie meint nämlich Dialog, meint auch konfliktreiches Suchen
nach der besten Lösung; meint auch das Recht der Kleinen und Schwachen,
sich zu Wort zu melden. Oder wie bei Hansjakobli und Babettli im Lied
von Mani Matter bei ihrem Spiel mit dem Tabourettli. Das Recht und ufe
z zdopple muss garantiert sein.
Es bleibt mir zu danken, Ihnen allen, die Sie - jede und jeder an seinem
Ort - weiterhin für eine solidarische, offene und zukunftsorientierte
Schweiz eintreten wollen. Ich ermuntere die Jungbürgerinnen und
Jungbürger sich zu engagieren, um die ihre Zukunft und die ihrer
Nachfahren gestalten zu helfen. Wir wünschen unserem Land, allen
Einwohnerinnen und Einwohnern Wohlergehen, etwas Glück und einfach
alles Gute zum Geburtstag und freuen uns auf eine gute Zukunft. Mir
wie Sorg ha zu dr Schwiiz, zu Land und Lüt.
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