Solothurner Tagblatt,
28. April 2003
«FdP-Spitze
macht Denkfehler»
Die FdP-Spitze
mache einen staatspolitischen Denkfehler, wenn sie Roberto Zanetti als
unwählbar abstemple, sagt SP-Ständerat Ernst Leuenberger.
In der Regierung brauche es die besten politischen Kräfte.
Interview:
Wolfgang Niklaus
Sie
haben ganz schön Gas gegeben am SP-Parteitag. Hat FdP-Präsident
Ruedi Nützi Sie so genervt?
Ernst Leuenberger: Es ist mir in die Knochen gefahren, als ich festgestellt
habe, dass der FdP-Präsident tut, als gelte es am 18. Mai einen
dritten freisinnigen Regierungsrat zu wählen. Das ist aber nicht
der Fall. Ich weiss auch, dass Nützi selber das nicht will. Der
Freisinn ist in der Vergangenheit bei diesem Versuch dreimal gescheitert.
Es ist
doch absolut legitim, wenn Nützi sagt: Einer wie Zanetti, der so
linke Positionen vertritt, ist für die FdP nicht wählbar.
Es ist in der Tat sein gutes Recht, das zu sagen. Allerdings: Dieser
Kanton ist in einer schwierigen Phase - auch "dank" freisinniger
Kantonalbankpolitik. Also braucht es einen sehr starken Regierungsrat.
Das ist aber nur möglich, wenn es gelingt, die besten politischen
Kräfte in diesem Kanton in die Regierung zu bringen. Eigenständige
Persönlichkeiten, die konsens- und teamfähig sind. Da nützt
uns weder ein weich gespülter Sozi noch ein weich gespülter
"Schwarzer" etwas in der Regierung. In diesem Punkt macht
der FdP-Präsident einen staatspolitischen Denkfehler. Abgesehen
davon, dass seine Argumentation einer sachlichen Überprüfung
nicht standhält: Roberto Zanetti wäre nicht zehn Jahre Gerlafingens
erfolgreicher Gemeindepräsident gewesen, wenn er ein so krasser
Linksaussen wäre, als den der FdP-Chef ihn jetzt darstellt. Nützi
könnte ja offen sagen, dass er als FdP-Präsident es sich vor
den eidgenössischen Wahlen nicht leisten kann, den SP-Kandidaten
zu unterstützen. Weil ihm die SVP sonst vorwirft, er sei gar kein
richtiger Bürgerlicher.
Was
macht Sie so sicher, dass die FdP-Basis sich, wie Sie gesagt haben,
"einen Deut um Nützis Aussagen schert"?
Seit 1985 versucht die SP in Kampfwahlen, den zweiten Sitz in der
Regierung zu holen. Jedesmal sagten die jeweiligen FdP-Chefs, unser
Kandidat sei nicht wählbar. Rolf Ritschard etwa musste sich anhören,
er sei ein "Jungtürk". Die Statistik belegt aber, dass
weite Teile der FdP-Wählerschaft ihrer Parteispitze nicht aufgesessen
sind. Sonst wäre beispielsweise ein Jörg Annaheim nicht auf
44 Prozent Wähleranteil gekommen.
Erinnerungen an den eigenen Regierungsratswahlkampf, als Sie 1992 Thomas
Wallner unterlegen sind?
Das bestreite ich in keinster Weise. Die Situation ist sogar sehr
vergleichbar. Auch bei mir hiess es: Der Leuenberger ist ein rotes Tuch
für die FdP-Wähler. Diesbezüglich am eindrücklichsten
ist mir aber in Erinnerung, als ich 1963 als 18-jähriger Kantischüler
miterlebte, wie die FdP mit Willi Ritschard umgesprungen ist, als er
für die Regierung kandidierte. Und wie sie ihn später als
Bundesrat hofierte. Es ist ein Spiel, das ich bestens kenne.
Machen wir einen Punkt. Sie selber dürften
heuer ja im Schlafwagen in den Ständerat gewählt werden.
Derzeit gibts tatsächlich zwei Kandidaten für zwei Plätze.
Wir wissen aber auch, dass - gerade mit Blick auf die Regierungsratswahlen
- sehr intensive Gespräche unter den Bürgerlichen stattfinden.
Ich bin überzeugt, dass es Avancen gibt. Sobald die Regierungsratswahl
entschieden ist, rechne ich damit, dass weitere Persönlichkeiten
ins Feld geschickt werden.
Dann
gäbe es wenigstens einen Ständerats-Wahlkampf, der diesen
Namen verdient.
Ich sage ehrlich: Mir ist ein klassischer solothurnischer Wahlkampf
lieber, als wenn zwei Leute für zwei Sitze antreten und es die
Wähler nicht interessiert. Ich scheue Auseinandersetzungen nicht.
Bleiben
wir bei der aktuellen Ausgangslage: Gibts einen gemeinsamen Wahlzettel
mit FdP-Ständerat Rolf Büttiker?
Diesbezüglich haben noch keine offiziellen Kontakte stattgefunden.
Wenn das auf Ebene Parteispitzen beschlossen werden sollte, wäre
ich einverstanden. Nicht glücklich wäre ich, wenn das irgendwelche
Komitees in die Hand nehmen möchten.
Rolf
Büttiker hat Sie deswegen also noch nie angefragt?
Man redet über vieles. Aber offizielle Kontakte gabs noch keine.
Sie
politisieren seit 20 Jahren in Bern. Ein klassischer Sesselkleber.
Ich
bin davon überzeugt, dass ich meine politische Arbeit immer sehr
intensiv und mit dem nötigen Engagement gemacht habe. Und dass
sie in Zeiten politischer Verteilkämpfe wichtiger ist denn je.
Ich hätte auch Spass, sie weiter zu machen. Im Übrigen gilt:
Als ich 1999 in den Ständerat gewählt wurde, habe ich meine
Zeituhr auf null gestellt.
Büttiker
ist "erst" seit 1987 in Bern, FdP-intern aber nicht unumstritten.
Sie sind mit Akklamation nominiert worden. Sind die Genossen so viel
unkritischer als die Freisinnigen?
Nein, das ist ganz einfach die realpolitische Situation im Kanton.
Ein SP-Mann hats viel, viel schwieriger, überhaupt in den Ständerat
zu kommen. Ist er erst einmal drin, setzt man das nicht so einfach aufs
Spiel. Die Solothurner FdP hingegen hat ja fast ein Abonnement auf diesen
Sitz. Ich bilde mir also nichts darauf ein, wenn Büttiker mal kritisiert
wird und ich mit Akklamation nominiert werde.
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