Ständerat: Herbstsession, 24. September 2002

Sonntagsinitiative

Ganze Debatte zu diesem Geschäft


Leuenberger Ernst (S, SO), für die Kommission: In der Tat treffen wir hier eine alte Bekannte an, die Sonntags-Initiative beziehungsweise den parlamentarischen Versuch, einen indirekten Gegenvorschlag zu dieser Volksinitiative auf Gesetzesebene auszuarbeiten. Der Nationalrat hat schon sehr früh einen Gegenvorschlag vorgelegt, den Sie auch auf der heutigen Fahne finden. Unser Rat hat in einer ersten Runde das Eintreten auf einen Gegenvorschlag abgelehnt; erst in der Differenzbereinigung hat dann auch unser Rat am vergangenen 11. März mit knapper Mehrheit Eintreten beschlossen.
Dieses Eintreten auf einen Gegenvorschlag bedeutete, dass die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen den Auftrag erhielt, den Gegenvorschlag des Nationalrates zu prüfen und eventuell einen eigenen vorzulegen. Das tut Ihre Kommission nun. Sie hat sich dabei auf die loyale Mitarbeit des Astra stützen können, trotz materieller Bedenken, die dort und bekanntlich auch beim Bundesrat vorhanden sind.
Der Gegenvorschlag unserer Kommission liegt nun vor; ich will ihn sogleich in drei Abschnitten erläutern. Ich darf zu Beginn noch darauf hinweisen, dass die Fahne in einem wichtigen Detail hat korrigiert werden müssen: Es liegt ein Minderheitsantrag für die Gesamtabstimmung vor. Dort ist irrtümlicherweise als Mitunterzeichner Herr Lombardi aufgeführt. Herr Lombardi gehört aber nicht zur Minderheit. Anstelle des Namens Lombardi ist auf dieser Fahne der Name Lauri zu setzen.
Wenn Sie erlauben, werde ich gleich mit Ziffer I beginnen und erklären, was wir da erfunden haben. Sie haben sofort festgestellt, dass Artikel 2 Absatz 2 des geltenden Rechtes, des heutigen Strassenverkehrsgesetzes, dem Bundesrat die Kompetenz gibt, Fahrverbote zu erlassen, namentlich Nacht- und Sonntagsfahrverbote. Im neu vorgesehenen Artikel 2 Absatz 2bis wird ein Fahrverbot an Sonntagen für Motorfahrzeuge stipuliert.
Die Kommission möchte mit Ihrem Entwurf dem Bundesrat die Kompetenz geben, den Sonntag selber zu bestimmen, nachdem es sich erwiesen hat, dass wir hier im Parlament grosse Mühe bekundet haben, uns auf einen bestimmten Sonntag einigen zu können. Das ist der erste Punkt dieses Gegenvorschlags.
Der zweite Punkt des Gegenvorschlags ist das Fahrverbot an diesen bestimmten Sonntagen von 08.00 Uhr bis 20.00 Uhr. Sie beachten, dass der Nationalrat eine viel längere Tagesdauer festgelegt hat, von 05.00 Uhr bis 22.00 Uhr. Die ständerätliche Kommission hat aus praktischen Gründen eine kürzere Geltungsdauer genommen. Es wurde namentlich aus Tourismusgebieten argumentiert, dass mit einem Schluss des Fahrverbots um 20.00 Uhr Leuten an einem Sonntagabend noch ermöglicht wird, aus einem Tourismusgebiet nach Hause zurückzukehren.
Der dritte Punkt betrifft die Ausnahmen von diesem Fahrverbot. Da gibt es eigentlich im ersten Teil keine Differenz zum Nationalrat. Die Ausnahme soll für den öffentlichen Verkehr und auch für berufsmässige Fahrten mit Gesellschaftswagen gelten. Die ständerätliche Kommission hat neu die weitere Ausnahme hinzugefügt, dass sich auch stark mobilitätsbehinderte Menschen mit Motorfahrzeugen bewegen sollen können.
Im Weiteren wird im vierten Punkt des Absatzes 2bis(neu) wie auch beim Nationalrat festgehalten, dass der Bundesrat die Kompetenz hat, weitere Ausnahmen zu bestimmen.
In einem fünften Punkt wird der Bundesrat bevollmächtigt, den Verkehr mit dem Ausland zu regeln. Diese Bestimmung ist eigentlich überflüssig, sie wird hier aber der Vollständigkeit halber erwähnt. Es versteht sich von selbst, dass der Bundesrat und seine Verwaltung mit dieser Aufgabe betraut sind.
Wir haben sodann in einer Ziffer II in diesem ständerätlichen Entwurf für einen Gegenvorschlag die Frage geregelt, was geschehen soll, wenn dieser Versuch - es ist ein Versuch, der auf vier Jahre angelegt ist - ausläuft. Da ist in der nationalrätlichen Fassung und auch im ständerätlichen Kommissionsentwurf festgehalten, dass im vierten Jahr der Gültigkeit dieses Beschlusses die Bundesversammlung dazu Stellung nehmen soll, ob dieser Versuch definitiv zu machen oder abzubrechen ist. Das ist also eine Verpflichtung, die der Gesetzgeber im vierten Gültigkeitsjahr sich selber auferlegt. Er wird die Sache erneut prüfen und dann Beschluss fassen.
In Ziffer III, die die Übergangs- und Schlussbestimmungen enthält, gibt es eigentlich nur eine redaktionelle Änderung über die Gültigkeit dieses zu fassenden Beschlusses.
Ich habe Sie am Schluss meiner einleitenden Ausführungen darauf aufmerksam zu machen, dass wir jetzt in die Detailberatung eintreten werden, und ich bitte Sie, dem Kommissionsentwurf in der Detailberatung zu folgen. Ich habe Ihnen sodann mitzuteilen, was Sie der Fahne bereits entnommen haben, dass nämlich eine Kommissionsminderheit mit der grösstmöglichen Stärke, mit der eine Minderheit antreten kann, Ihnen am Schluss beantragen wird, die heute beratene Vorlage in der Gesamtabstimmung zu verwerfen. Dieser Entscheid ist, das sei zugegeben, nur mit dem Stichentscheid des Kommissionspräsidenten zustande gekommen, und das zeigt Ihnen allen, dass wir uns in relativ knappen Verhältnissen befinden. Aber heute Morgen sind die Zeitungen voll davon, sie sagen, knappe Mehrheitsverhältnisse disziplinieren. Wir werden sehen, ob dieses Modell auch in der Schweiz spielt.
Ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass nach dem geltenden Parlamentsrecht - sollte heute der Ständerat in der Gesamtabstimmung zu diesem Gegenvorschlag Nein sagen - der Gegenvorschlag von der Geschäftsliste des Parlamentes gestrichen ist. Weshalb ist das so? Eine Ablehnung dieser Vorlage in der Gesamtabstimmung würde qualifiziert wie ein Nichteintreten, und dieser Rat, der Ständerat, ist in einer ersten Runde auf den Gegenvorschlag nicht eingetreten. Jetzt haben wir sozusagen parlamentsrechtlich die zweite Runde. Sollten wir diesen Beschluss fassen, der einem Nichteintretensantrag gleicht, dann wäre bei zweimaligem Hin und Her bei Eintretensdifferenzen dieses Geschäft tatsächlich von der Geschäftsliste gestrichen.
Das bringt mich dazu, mir zu erlauben, Sie namens dieser knappest möglichen Mehrheit noch einmal zu bitten, sich noch einmal zu überlegen, was ein Gegenvorschlag denn eigentlich grundsätzlich soll. Ein Gegenvorschlag meint immer, dass man findet, das Kernanliegen einer Initiative habe etwas Richtiges, habe etwas für sich, habe etwas Unterstützungswürdiges. Man geht dann hin, macht einen Gegenvorschlag und zieht einer Initiative die gröbsten Zähne oder - um im Hühnerhofjargon zu reden - rupft das Huhn so weit, bis es nur noch neuen ästhetischen Gesichtspunkten genügt; offenbar können auch gerupfte Hühner eine gewisse Ästhetik entwickeln, die mir zwar fremd geblieben ist, aber das ist vermutlich mein Problem.
Ich finde, wir haben in dieser Kammer Volksinitiativen immer sehr ernst genommen. Ich bitte Sie, das auch heute zu tun. In diesem Sinne bitte ich Sie, die Detailberatung an die Hand zu nehmen, den Kommissionsanträgen zu folgen und in der Gesamtabstimmung dem beratenen Entwurf zuzustimmen.

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Ernst Leuenberger SO für die Kommission: Als ob es 1973 nie gegeben hätte! Wir alle, die wir in diesem Saal sitzen, haben 1973 erlebt, als der Bundesrat in schwieriger Zeit, um Erdöl zu sparen, just das gemacht hat, was jetzt einzelne Mitglieder dieses Rates hier als undurchführbar und unmöglich bezeichnen. Offenbar waren die Behörden der Eidgenossenschaft 1973 in schwieriger Zeit klüger als wir heute alle zusammengerechnet. Die Geschichte ist praktikabel, 1973 beweist es. Gehen Sie bitte in die Archive und schauen Sie nach, wie man das damals gemacht hat. Oder wenn Sie mal neben dem Autofahren einen Augenblick der Besinnlichkeit finden, versuchen Sie sich ganz persönlich daran zu erinnern, wie Sie das damals erlebt haben. Das ist vielleicht für einen Kommissionssprecher etwas polemisch, aber Sie haben bei der Beschreibung der praktischen Probleme ordentlich dick aufgetragen.
Ich möchte noch versuchen, eine sehr ernsthafte Geschichte etwas anders zu beleuchten: Die Initiative muss unbedingt dem Volk vorgelegt werden. Ich darf Sie in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam machen, dass alle Volksinitiativen, die ich kenne, eine Rückzugsklausel und ein bezeichnetes Gremium enthalten, das das Recht hat, die Initiative zurückzuziehen. Weshalb? Die Initiative hat nie den ersten Zweck, eine Volksabstimmung zu provozieren. Jede Initiative, und das haben die Politologen uns gezeigt, hat die Absicht, anregend zu wirken, eine Frage auf die politische Agenda zu setzen, die möglicherweise ohne dieses Mittel der Initiative sonst nicht auf die politische Agenda käme. Die Initiantinnen und Initianten lassen sich mit dem Mittel der Rückzugsklausel immer eine Türe offen: Falls es auf einfacherem Wege statt über den Weg einer Volksabstimmung geht, dann sind sie bereit, Initiativen zurückzuziehen. Ich würde nicht so weit gehen, das Ringen um den Rückzug einer Initiative als Kuhhandel zu bezeichnen.
Jene von Ihnen, die schon in Initiativkomitees sassen, wissen, dass es durchaus legitim ist, dass man entweder zur Regierung oder zum Parlament geht und sagt: Wenn du, Parlament, mir auf dem Gesetzeswege entgegenkommst, dann ziehe ich meine Initiative zurück. Das hat im Übrigen auch einen ganz praktisch-politischen Grund: Immerhin wissen wir, dass seit Einführung des Initiativrechtes nur wenige Volksinitiativen tatsächlich angenommen worden sind. Das hat aber noch niemanden dazu bewogen, das Initiativrecht abschaffen zu wollen, weil man bei näherer Beobachtung und Betrachtung eben feststellen kann, dass die Initiative ein Anregungsmittel ist.
Mein grosser Lehrer in politischen Wissenschaften, Erich Gruner, hat uns einmal gesagt, das Mittel der Initiative führe immer wieder dazu, dass politische Kreise, die nicht parteipolitisch oder verbandsmässig strukturiert sind, ihre Anliegen mit diesem Mittel in die politische Beratung einbringen könnten. Das sei - führte er aus - ein Integrationsmittel sondergleichen.
Wenn ich die Initiantinnen und Initianten der Sonntags-Initiative, die zum grossen Teil junge bis sehr junge Leute sind, höre und ihre Begeisterung für ihr Projekt sehe, muss ich Ihnen nochmals sagen: Es würde sich auch demokratiepolitisch lohnen, ihnen in Form dieses Gegenvorschlages etwas zu offerieren.
Ich bitte Sie, der sehr knappen Kommissionsmehrheit zuzustimmen und diese Vorlage anzunehmen.

 

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