Ständerat: Frühjahrssession 2005:

Ausländergesetz.

«Während in den 70er-Jahren ein Aussenseiter, der etwas verschrobene Textilindustriellen-Spross Schwarzenbach, diese Fremdenfeindlichkeit mit soit disant konservativen Argumenten gepflegt hat und durch die ganz grosse Koalition aller Bundesratsparteien, aller verantwortungs
bewussten Wirtschaftsverbände damals im Juni 1970 hat abgewehrt werden können, haben sich die Verhältnisse geändert, als der damalige Besitzer der Emser Werke sich in diese Konjunktur eingeschaltet und begriffen hat, dass Fremdenfeindlichkeit politisch ein Top-Erfolgsrezept ist, mit dem man gross Politik machen kann (…).»

16.03.05. Leuenberger Ernst (S, SO): Ausländerpolitik im Sinne dieses Gesetzes ist zu weiten Teilen auch Arbeitsmarktpolitik. Das ist in Rechnung zu stellen. Arbeitsmarktpolitik heisst auch: Es geht um handfeste ökonomische Interessen. Ich bin seit über 30 Jahren Gewerkschaftssekretär. Ich habe immer wieder erlebt, dass bei jedem Konjunkturaufschwung die Unternehmenden den Arbeitsmarktbehörden praktisch die Türe eingedrückt und mehr ausländische Arbeitskräfte verlangt haben. Die Gewerkschaften hatten mit den Jahren in einzelnen Kantonen erreicht, dass sie bei der Erteilung dieser Bewilligungen ein Mitspracherecht haben, bei der Kontrolle der gemachten Auflagen, die dazu führen sollten, dass über dieses Stück Arbeitsmarktpolitik nicht splitternackte Sozialdumpingpolitik betrieben wird. Das ist über Jahrzehnte einigermassen gelungen, und zwar deshalb, weil die wesentlichen politischen Kräfte dieses Landes sowie sämtliche verantwortungsbewussten Wirtschaftsverbände sich immer wieder bemüht haben, in dieser Ausländerpolitik, Teil Arbeitsmarktpolitik, einen Konsens zu finden und Angriffe auf diese Politik eben gemeinsam abzuwehren. Das hat sich inzwischen grundlegend geändert. Wir haben schon in den 70er-Jahren feststellen müssen, dass einzelne dieser Unternehmen, die zuerst hingegangen sind und Bewilligungen für ausländische Arbeitskräfte verlangt und auch erhalten haben, nach Hause gegangen sind und einen Einzahlungsschein ausgefüllt haben für einen Beitrag an die nationale Aktion gegen die Überfremdung von Volk und Heimat, die dann in simple und primitive Fremdenhetze ausgebrochen ist. Damit bin ich beim Hintergrund all dieser Diskussionen, die wir heute und morgen führen. Es ist vermutlich an der Zeit, auch in diesem Zusammenhang Klartext zu reden.
Während in den 70er-Jahren ein Aussenseiter, der etwas verschrobene Textilindustriellenspross Schwarzenbach, diese Fremdenfeindlichkeit mit soit disant konservativen Argumenten gepflegt hat und durch die ganz grosse Koalition aller Bundesratsparteien, aller verantwortungsbewussten Wirtschaftsverbände damals im Juni 1970 hat abgewehrt werden können, haben sich die Verhältnisse geändert, als der damalige Besitzer der Emser Werke sich in diese Konjunktur eingeschaltet und begriffen hat, dass Fremdenfeindlichkeit politisch ein Top-Erfolgsrezept ist, mit dem man gross Politik machen kann, und dazu geführt hat, dass diese grosse Koalition, die die vernünftigten Lösungen in der Ausländerpolitik während Jahrzehnten getragen hat, dann auseinandergebrochen ist.
Vor diesem Hintergrund einer äusserst primitiven und finanzkräftig geförderten Fremdenhetze von politischen Konjunkturrittern müssen wir heute und morgen schwierige und schwierigste Fragen in diesem Zusammenhang diskutieren.
Ich habe grossen Wert darauf gelegt, das hier auszusprechen. Es werden dann einzelne Journalisten sagen, ich hätte jetzt provoziert und durch diese Provokation sei das Gesetz noch schärfer ausgefallen, als es eigentlich geplant war. Als Anhänger der Aufklärung vertraue ich darauf, dass man mir hier in dieser Chambre de réflexion zwar ordentlich heimleuchtet, das gehört zur Diskussion und zum Diskurs; aber ich vertraue auch darauf, dass kein einziges Mitglied dieser zweiten Kammer des eidgenössischen Parlamentes nur aus einer Trotzreaktion in eine bestimmte Richtung stimmt.
Ziel dieser Revision muss es sein, klar zu machen - soweit es um Arbeitsmarktpolitik geht -, dass Dumping verhindert werden muss; es müssen jenen, die Bewilligungen erhalten, Auflagen gemacht werden; es müssen bezüglich der Integrationsanstrengungen dieser ausländischen Bevölkerungsteile, die als Arbeitende in die Schweiz kommen, Auflagen gemacht werden; es müssen Schutzvorschriften erlassen, durchgesetzt und gefördert werden, die jeglichen Verdacht von uns nehmen, dass über diese Bewilligungspolitik letztlich Sozialdumping angestrebt wird.
Wenn es, wie ein Vorredner deutlich ausgeführt hat, unser Ziel sein soll, im Herbst der Personenfreizügigkeit zum Durchbruch zu verhelfen, damit wir wieder Verhältnisse erhalten, wie wir sie am Ende des 19. Jahrhunderts oder zu Beginn des 20. Jahrhunderts gekannt haben, müssen wir hier einige Pflöcke einschlagen, die klar machen: Wir wollen über diese ganze Bewilligungspolitik klare Verhältnisse schaffen, Auflagen erlassen und Auflagen auch durchsetzen. Diese Überlegungen waren für mich der Grund, auf diese Gesetzesrevision einzutreten. Was dann in der Kommission herausgekommen ist, hat mich eigentlich in der Meinung bestärkt, dass wir mit dieser Art Gesetzgebung dieses gesteckte Ziel nicht erreichen. Man soll die Hoffnung nie aufgeben - wir werden sehen, wie das weitergeht.

Das ganze Geschäft

MedienKontaktGaestebuchArchivLinks