Ständerat: Frühjahrssession 2005:

Europäisches Eisenbahn-Hochleistungsnetz.

Statt hier Erklärungen anzuhören, täte der Rat besser daran, mit den Kürzungen bei der Leistungsvereinbarung Bund -SBB aufzuhören, damit die Bahninfrastruktur wirklich ausgebaut werden kann, nicht nur auf dem Papier.

Leuenberger Ernst (S, SO): Sie gestatten mir sicher die etwas maliziöse Bemerkung, dass ein bisschen der Geist des 19. Jahrhunderts in diesem Saal weht, sobald wir über Eisenbahnen sprechen. Ich mag das 19. Jahrhundert, glauben Sie mir das. Es weht aber auch ein wenig der Geist von ehemaligen Volksabstimmungen. Viele Auseinandersetzungen, die wir hier in Eisenbahnfragen führen, sind eigentlich Repetitionen von dem, was seinerzeit schon bei den Volksabstimmungen, von den Gegnern namentlich, ins Feld geführt worden ist. Die Befürworter, die schliesslich obsiegt haben, haben mühselig immer versucht, die ausgestreuten Nebel und die Folgen der Nebelgranaten, die da verschossen worden sind, etwas wegzublasen und die Geschichte wieder dorthin zu bringen, wo sie eigentlich hingehört.
Faktum ist sicher, dass dieses Parlament, unterstützt von einer klaren Mehrheit des Volkes - dort, wo notwendig, von einer klaren Mehrheit der Stände -, seinerzeit beschlossen hat, mit dem FinöV-Projekt 1998 einen ganz grossen Wurf zu machen. Geben wir es zu: Grosse Würfe liegen uns nicht besonders. Das Verzagen kommt relativ schnell. Ich stelle auch fest: Bei den Diskussionen, bei den nötigen und weiss Gott auch fälligen Diskussionen um die Realisierung dieser beschlossenen Grossprojekte, ist es ganz klar, dass die ursprünglichen Gegner und die Bedenkenträger sehr viele Fragen herausfinden.
Damit ich mich mit Herrn Pfisterer nicht zu sehr duelliere, will ich ganz klar bekennen, dass ich weiss, dass er bei der Volksabstimmung ein redlicher Befürworter dieser Projekte war und es immer noch ist. Seine Sorge beruht ja, wie er auch ausgeführt hat, auf Prioritätensetzung und auch auf den finanzpolitischen Problemen.
Immerhin, ein bisschen Geschichte könnte nichts schaden. Diese ganzen FinöV-Projekte, namentlich die Neat-Projekte, sind schlussendlich sehr stark durch die beiden Kammern dieses eidgenössischen Parlamentes geprägt worden. Die Netzvariante, die schlussendlich obsiegt hat, auch vor dem Volk, die dazu geführt hat, dass man sehr viel aufs Mal realisieren muss, was zu gewissen Kostenfolgen führt, die uns allen Sorge bereiten, diese Netzvariante ist nun mal beschlossen worden. Eine Generalrevision der ganzen FinöV- und Neat-Politik ist eigentlich nicht angezeigt.
Allerdings dürften wir in den Details gelegentlich auch ein bisschen sorgfältiger sein. Es war keine Heldentat, als wir beim Entlastungsprogramm 2003 hingegangen sind und gesagt haben: Ja, da gibt es noch den FinöV-Fonds, da könnte man ja den Zufluss etwas umlenken, das Wasser etwas abgraben, um der notleidenden Bundeskasse zu helfen. Das war keine Heldentat. Es war auch keine Heldentat, als wir uns damals damit getröstet haben: Ja, schliesslich wird das alles wieder zurückbezahlt. Schauen wir uns in die Augen, und geben wir es zu: Wir wussten damals alle, dass die Entwicklung der Bundesfinanzen nicht so sein wird, dass das wieder rückgängig gemacht werden kann - da steh ich nun, ich armer Tor, und muss gestehen: Leider bekomme ich in dieser unglücklichen Frage Recht.
Ich will mit meinem Votum eigentlich zum Ausdruck bringen, dass jene, welche damals, 1998, A gesagt haben, bereits 1991/92 A gesagt haben, gut daran tun, jetzt B zu sagen. Selbstverständlich werden wir mit Argusaugen darüber wachen, dass all diese Gelder dem Zweck entsprechend eingesetzt werden. Aber ich bin überzeugt davon: Was uns der Bundesrat und die Kommissionsmehrheit hier beantragen, stellt eine zweckdienliche Problemlösung dar.
Noch ein Detail zur Rückzahlbarkeit respektive zur Rentabilisierungsgeschichte: Es hat in diesem Parlament eine Zeit gegeben, wo ganz laute Experten - einer davon sitzt in St. Gallen und heisst, glaube ich, Jaeger - dem Bundesrat Gutachten unterbreitet haben, wo "wissenschaftlich", so sagt man dem, nachgewiesen wurde, es sei problemlos möglich, 75 Prozent der Neat über verzinsliche Darlehen zu finanzieren; das sei dann längerfristig rentabel. Der damalige "schwarzbübische", hartnäckige, starrköpfige Finanzminister Stich hat gesagt, das sei ja gar nicht möglich. Aber beide Kammern des Parlamentes haben zu Beginn der Neunzigerjahre diese 75-Prozent-Euphorie geteilt - ich auch, weil ich die Neat wollte. Später ist man dann auf 25 Prozent zurückgegangen. Auch da gab es einige Leute, die gewusst haben, dass es mit diesen 25 Prozent schwierig sein würde. Heute ist eine gewisse Anpassung an die Realitäten nötig.
Wir werden dann später in dieser verkehrspolitischen Debatte noch über Verlagerung sprechen, und in diesem Zusammenhang werde ich mir dann erlauben, zwei, drei Bemerkungen zum bilateralen Landverkehrsabkommen der Bilateralen I zu machen und dort die Frage aufzuwerfen - damit die Provokation jetzt schon im Saal sitzt -, ob sich dieser Opfergang der Schweiz beim Landverkehrsabkommen unter dem extremen Druck der damaligen Swissair gelohnt hat: ja oder nein? Das wird die Frage sein, die ich dann aufwerfen werde.
Aber vorläufig trete ich ein auf diese Vorlage und stimme dem Entwurf des Bundesrates bzw. dem Antrag der Kommissionsmehrheit bei allen vier Vorlagen zu, und ich bitte Sie darum, ebenso zu tun. Ich bitte Sie auch darum, nicht alle Jahre eine Generalrevision der FinöV-Beschlüsse vornehmen zu wollen, obschon wir da noch einige Sorgen zu bestehen haben werden.

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