Ständerat: Herbstsession 2001

Motion Jutzet Erwin. Übergriffe auf Angestellte des öffentlichen Verkehr

Dienstag, 02. Oktober 2001

Die ganze Debatte zu diesem Geschäft

Leuenberger Ernst (S, SO): Es fällt mir schwer, mich in eine juristische Debatte einzumischen und Herrn Kollege Marty Dick zu widersprechen, aber ich muss es dennoch tun.

  1. Mir leuchtet eigentlich ein, was der Motionär schon im Nationalrat ausgeführt hat. Er hat sich die bundesrätliche Antwort vorgenommen und als Ausgangspunkt gewählt. Ich zitiere aus der bundesrätlichen Stellungnahme: "Zum heutigen Zeitpunkt fällt ein überwiegender Teil des Personals im öffentlichen Verkehr unter den Begriff des Beamten, wie er im Schweizerischen Strafgesetzbuch (Art. 110 Ziff. 4 StGB) definiert ist."
    Dann nehme ich mir diesen Begriff des Beamten gemäss Artikel 110 Ziffer 4 StGB einmal vor - ich gestehe, als juristischer Laie: "Unter Beamten sind verstanden die Beamten und Angestellten einer öffentlichen Verwaltung und der Rechtspflege. Als Beamte gelten auch Personen, die provisorisch ein Amt bekleiden oder angestellt sind, oder die vorübergehend amtliche Funktionen ausüben." Ich versuche mir dann immer einen Buschauffeur einer konzessionierten Transportunternehmung vorzustellen und kann diese Beamtendefinition einfach nicht mit diesem Buschauffeur in Einklang bringen.
    Ich bin dann der bundesrätlichen Antwort weiter gefolgt und habe auch den in der bundesrätlichen Antwort zitierten Artikel 285 Ziffer 1 Strafgesetzbuch zu Hilfe genommen: "Wer eine Behörde, ein Mitglied einer Behörde oder einen Beamten durch Gewalt oder Drohung an einer Handlung, die innerhalb ihrer Amtsbefugnis liegt, hindert, zu einer Amtshandlung nötigt oder während einer Amtshandlung tätlich angreift wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft." Auch da habe ich dann Mühe, den Buschauffeur einer konzessionierten Transportunternehmung mit diesem Beamten in Übereinstimmung zu bringen.
    Ich habe in einem Zeitalter, in dem wir praktisch monatlich erfahren, dass irgendwo wieder das Beamtenstatut abgeschafft und durch etwas anderes ersetzt worden ist - wie wir das beim Bund getan haben - angesichts dieser begrifflichen Definition Mühe mit der bundesrätlichen Antwort, die mir hier weismachen will, die Angestellten der konzessionierten Transportunternehmungen (KTU) seien im Sinne dieses Gesetzes Beamte. Aber selbstverständlich werden Sie versuchen, mich davon zu überzeugen, sie seien es doch.

  2. Der Motionär hat im Nationalrat ausgeführt, dass die Praxis auf diesem Gebiet komplett anders aussehe als das damals in der bundesrätlichen Stellungnahme dargestellt worden sei. Er führte aus, dass es praktisch keine Fälle gebe, wo die Aggressoren officialiter verfolgt worden wären; es gebe praktisch keine solchen veröffentlichten Fälle. Vielleicht kann uns die Verwaltung durch die Stimme der Frau Bundesrätin etwas zu diesem Handel sagen. Was ich mit dem nationalrätlichen Motionär als störend empfinde, ist, dass der Arbeitgeber in solchen Händeln zwar Parteistellung hat, wenn es sich um Sachbeschädigung handelt. Sobald aber seine Angestellten attackiert werden, hat plötzlich dieses Verkehrsunternehmen keine Parteistellung mehr. Eine der Forderungen des Motionärs geht ja just darauf hinaus, dem Verkehrsunternehmen auch Parteistellung zu geben, wenn seine Angestellten attackiert werden.

Ich denke, die zitierten Gründe bringen mich dazu, Herrn Cornu zuzustimmen und diesem Vorstoss als Motion zuzustimmen, um den Bundesrat wirklich zu verpflichten, diese Geschichte an die Hand zu nehmen. Eines kann auch Frau Bundesrätin Metzler mir heute nicht ausreden: Die vorgebrachte Begründung wird nicht mehr sehr lange hinhalten. Ich habe es sehr genau gelesen. Zum damaligen Zeitpunkt, das muss im November 2000 gewesen sein, notabene vierzehn Tage bevor über das Bundespersonalgesetz abgestimmt worden ist, mag das gegolten haben; damals, am 15. November 2000, waren nämlich die ganzen SBB- und die ganzen Postangestellten noch Beamte, das sind sie inzwischen nicht mehr.

Aber mir geht es nicht vor allem um SBB- und Postangestellte. Mir geht es darum, hier zu bestreiten, dass bei Gericht dann die Angestellten einer konzessionierten Transportunternehmung auch tatsächlich nach diesem Beamtenparagraphen behandelt würden. Der Motionär hat auch im Nationalrat ausgeführt, dass sich das in der bundesrätlichen Antwort zitierte Bundesgerichtsurteil eigenartigerweise nicht auf ein Vorkommnis im öffentlichen Verkehr bezieht, sondern auf einen Amtsvormund. Das ist doch eine ein bisschen andere Geschichte. Leider habe ich dieses Urteil nicht, vielleicht müssen wir uns das noch beschaffen und anschauen. Jedenfalls bitte ich um Zustimmung zur Motion.

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