Ständerat: Herbstsession 2004

Nationalbankgewinne für die AHV. Volksinitiative
Leuenberger Ernst (S, SO): Ich stelle mein Votum unter zwei Mottos: 1. Nein sagen ist keine Lösung. 2. Wir haben die Pflicht und Schuldigkeit, Auswege zu suchen.
Eine Vorbemerkung: Als ich einigen Voten aufmerksam zuhörte, hatte ich das Gefühl - Sie nehmen mir das vielleicht ein bisschen übel -, dass einige hier votierten, weil sie noch ein schlechtes Gewissen vom 16. Mai her haben. Vor dem 16. Mai haben einige bezüglich der Interessen der Kantone ungefähr das Gegenteil dessen erzählt, was sie heute erzählen. Sie nehmen es mir daher nicht allzu übel, wenn ich ihre verbalen Kraftakte heute durchaus in den Rahmen stelle, in den sie gehören.

Die Ständeräte Ernst Leuenberger (sp, SO) und Eugen David (cvp, SG) bei der Golddebatte.
Bild: keystone


1. Nein sagen ist keine Lösung. Hingehen und sagen, wir treten nicht ein, wir wollen nicht darüber diskutieren, wie man allenfalls eine sinnvolle Verteilung an die Hand nehmen könnte, das ist keine Lösung. Einige Neinsager versteigen sich sogar dazu zu sagen, juristisch sei alles glasklar; Herr Pfisterer hat das hier sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Alles hat eine Geschichte, und immerhin hat der Bundesrat seinerzeit - nicht der heutige Bundesrat - bezüglich dieser nicht mehr benötigten Währungsreserven ganz klare und auch juristisch relevante Unterscheidungen gemacht. Ich finde es politisch unredlich, heute als ernst zu nehmender Jurist hier die Erwartung zu wecken, man müsse heute nur Nein stimmen, dann noch einmal Nein stimmen, den Nationalrat niederstimmen, und dann könnten die 26 Kantone der Nationalbank einen Einzahlungsschein schicken und das Ganze wäre erledigt. Es ist unredlich, so zu argumentieren, nachdem man vor zwei Jahren sogar davon gesprochen hatte, es bräuchte dafür eine Verfassungsgrundlage, mindestens aber eine Gesetzesgrundlage. Hier ist etwas mehr Seriosität durchaus gefordert, auch von den Anhängern der Variante "Nein, nein, nein".
2. Auswege suchen: Ein Kollege hat von Teufelsbrücken gesprochen. Sprechen wir es offen aus, wir sind politisch etwas in einer schwierigen Situation, weil unsere Kammern - das wird so sein müssen - unterschiedlich zusammengesetzt sind. Jedenfalls haben die beiden Parteien, die im Nationalrat die grössten Fraktionen haben, hier zufälligerweise die beiden kleineren Gruppen. Das wirkt sich natürlich aus. Wie von unsichtbarer Hand gelenkt, haben sich im Nationalrat diese beiden grössten Gruppen - das hat mit Teufelsbrücken vermutlich schon etwas zu tun - zusammengefunden und haben diesen Nationalratsbeschluss gefasst.
Wenn wir ehrlich sind, und das sind wir hier in diesem Rat, müssen wir sagen: Einige von uns haben sich in ihren Fraktionen bei dieser ganzen Geschichte eher zurückgehalten und die Nationalräte etwas gewähren lassen. Sie haben sich auf die Haltung zurückgezogen: Im Ständerat werden wir das alles korrigieren.
Das ist vielleicht nicht die edelste Haltung, aber die Umstände gebieten manchmal Vorsicht, weil das Haupt ja letztendlich auf den Schultern bleiben sollte.
Wir sind konfrontiert damit, und wir nehmen allesamt, alle 46 Abgeordnete in diesem Rat, die Interessen der Kantone sehr ernst - allesamt! Wir wollen uns da nicht gegenseitig eine grössere oder geringere Kantonsfreundlichkeit vorwerfen, das führt auch nicht zum Ziel. Wir haben also unter dem Titel "Auswege suchen" tatsächlich Mittel und Wege zu finden, wie die Interessen der Kantone gewahrt werden können - sicher nicht mit Schlaumeiereien, mit einfachem Neinsagen und indem wir meinen, dass alles aus Abschied und Traktanden falle, wenn wir lange genug Nein sagen, dass man dann Einzahlungsscheine nach Bern schicken könne. Es wäre fatal, wenn dieses Signal hier aus diesem Saal hinausginge. Wir haben schlussendlich eine Volksinitiative, die irgendwann vors Volk kommen soll, und wir wissen es alle ganz genau, dass das Schicksal von Volksinitiativen durchaus beeinflusst werden kann durch die Konstellation, die das Parlament im Vorfeld herbeiführt. Ich denke, all jene, die sich wünschen, dass die Kosa-Initiative nicht angenommen wird, müssen heute mit grossem Vorbedacht vorgehen und sollten nicht kontraproduktiv wirken, in dem Sinne, dass dann die Initiative noch die besseren Chancen hat. Darum, glaube ich, ist Nein, Nein, Nein zu sagen keine Lösung, darum ist Nichteintreten keine Lösung!
Herr Kollege Studer hat versucht, Ihnen wohl begründet aufzuzeigen, dass man nicht jahrelang hingehen und sagen kann: Wir haben da einen Spezialfall von nicht mehr gebrauchten Währungsreserven, wenn wir mit denen etwas anstellen wollen, brauchen wir eine neue Rechtsgrundlage. Dann kann man nicht plötzlich über Nacht sagen: Nein, eigentlich braucht es gar keine Rechtsgrundlage! Das ist politisch ein zu grosser Schritt, um im breiten Volk verstanden zu werden. Ich bin äusserst gespannt darauf, wie der Vertreter des Bundesrates in dieser Frage hier argumentieren wird. Ich hoffe, dass der Bundesrat seine ursprüngliche Linie fortsetzt und uns ermahnt, da keine juristischen Kraftakte vorzunehmen.
Ich schliesse damit, dass ich Ihnen sage: Ich stimme mit der Minderheit für Eintreten auf die Vorlage, weil ich der Meinung bin, es lohne sich, hier über diese Verteilung eine Diskussion zu führen. Ich stimme für Eintreten, weil ich weiter auch der Meinung bin, dass es wohl kaum weiterführt, wenn wir hier jetzt dem Nationalrat in einem Kraftakt sozusagen die rote Karte zeigen wollen, weil man ja letztlich nur den Weg ginge zu sagen, mit Nichteintreten, mit wiederholtem Nichteintreten, könne man eine Lösung finden. Ich bin nicht dieser Meinung. Ich bin darum Herrn Kollege Hans Lauri ausserordentlich dankbar, der in seiner vorsichtigen Art angetönt hat, er sehe möglicherweise in einem zweiten Umgang dann ein Zusammenraufen und ein Finden von Lösungen. Ich würde als jugendlicher Eiferer sagen, wir könnten das eigentlich schon heute tun, indem wir jetzt auf die Vorlage eintreten. Eintreten würde nur bedeuten, dass wir der Kommission sagen: Liebe Kommission, beuge Dich beispielsweise über diesen Nationalratsvorschlag, der den Beschluss dieses Rates nicht nur möglicherweise, sondern sicher nie überleben wird; aber es lohnt sich, dass wir uns zusammenraufen und hier Lösungen suchen. Neinsagen ist keine Lösung, und darauf zu hoffen, durch Neinsagen eine Lösung herbeizuführen, ist eigentlich nicht die Art dieses Rates!

28.09.04

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