Ständerat: Wintersession

17.12.03

Neat 1. Zweite Phase.
Freigabe der gesperrten Mittel

Ganze Dabatte zu diesem Geschäft

Leuenberger, Ernst (S, SO), für die Kommission: Lassen Sie mich mit einigen Vorbemerkungen beginnen, was vielleicht etwas eigenartig erscheint, aber doch nötig ist:
1. Wir wollen bei dieser ganzen Debatte, und sie wird intensiv sein, eines nicht aus dem Auge lassen: Wir haben eine gewisse zeitliche Dringlichkeit bei der Behandlung dieses Geschäftes zu beachten, zum einen aus finanzhaushaltsrechtlichen Gründen - die Reserven sind erschöpft - und zum anderen aus baulichen Gründen. Die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen, der Bundesrat und die Neat-Aufsichtsdelegation haben immer wieder ausgeführt und dargestellt, dass alles zu unterlassen sei, was zu einer Bauverzögerung bei diesem Neat-Bauwerk führe.
2. Wenn es um Bauten geht, neigen wir alle dazu, uns - zu Recht - sehr intensiv mit kostspieligen Details auseinander zu setzen. Das kann uns gelegentlich dazu verleiten, uns in Details zu verlieren, wo wir uns als Parlament, als Kreditgebungsbehörde, als gesetzgebende Behörde doch eigentlich mit den Grundlinien, mit den Grundlagen zu befassen haben. Ich appelliere an uns, dass wir die Detaildiskussion den technischen Fachleuten überlassen und uns hier nicht im Irrgarten technischer Details verirren.
3. Ich muss Ihnen gestehen, dass es uns nicht ganz gelungen ist, auf der Fahne eine Darstellung zu finden, die restlose Klarheit herstellt. Damit es von Anfang an klar ist: Es figurieren auf Ihrer Fahne zwei Minderheiten. Diese Minderheiten haben zwar inhaltlich sehr viel miteinander zu tun, aber formell rein gar nichts. Es wird jede Minderheit der Mehrheit und dem Bundesrat gegenübergestellt werden müssen. Mit dem Präsidenten und den Antragstellern der Minderheiten ist abgesprochen, dass diese beiden Themen hier strikte getrennt behandelt werden. Denn der eine Minderheitsantrag wird zu einer Ceneri-Diskussion führen, die wir lebhaft und meinetwegen "tessinerisch" führen wollen. Der andere Minderheitsantrag wird zu einer Urner Diskussion führen, die wir in Wilhelm Tell'scher Art zuletzt hoffentlich doch noch fröhlich behandeln und erledigen werden.
4. Begrifflich müssen wir uns bemühen, sehr klar zu sein - die Neat ist halt eine sehr grosse Sache, und FinöV ist eine noch grössere Sache, wovon die Neat nur ein Bestandteil ist. Aber bereits dieser Bestandteil Neat ist gross: Es gibt eine Neat 1, die ihrerseits wiederum in zwei Phasen unterteilt ist. Die erste Phase - das sind die Basistunnels - ist jetzt im Bau.
Heute wird schwergewichtig von der zweiten Phase die Rede sein. Einige von uns werden sich aber bereits daran erinnern, dass irgendwo eine Neat 2 im Raum steht, und wir lassen diese Neat 2 vorläufig auf Seite 6550 der Botschaft stehen: Die Neat 2 steht heute nicht zur Debatte. Zur
AB 2003 S 1191 / BO 2003 E 1191
Debatte steht heute die zweite Phase der Neat 1. Alles andere ist zwar interessant zum Darstellen, im Moment haben wir aber dazu keine Entscheidungen zu treffen.
Ich muss Sie nun bitten, sich über die Rechtsgrundlagen, mit denen wir operieren, Rechenschaft zu geben. Wir haben ja in diesem Zusammenhang zwei Grundlagenbeschlüsse: Der eine ist der Alpentransit-Beschluss von 1991, ergänzt 1998. Dieser Neat-Baubeschluss steht heute formell auch nicht zur Diskussion, aber ich will ihn gerne zitieren, weil die Einfügung von 1998 diese Staffelung festgeschrieben hat, die dazu führte, dass die Neat 1 eine erste und eine zweite Phase hat. Wenn Sie in diesem Baubeschluss nachsehen, finden Sie dort einen - wie gesagt 1998 eingefügten - Artikel 10bis, der ganz klar diese Unterteilung in zwei Phasen vornimmt und in Absatz 1 Litera a festhält, dass die erste Phase den Bau der Basistunnels am Gotthard und am Lötschberg umfasst. Diese erste Phase ist im Bau, die Kredite sind gesprochen; damit haben wir heute formell nicht mehr viel zu tun.
Mit Litera b hingegen haben wir sehr viel zu tun. Es steht nämlich in Artikel 10bis Litera b des Alpentransit-Beschlusses: "Die zweite Phase umfasst den Bau des Ceneri-Tunnels und des Zimmerberg-Tunnels, den Ausbau der Strecke zwischen St. Gallen und Arth-Goldau sowie den Bau einer direkten Verbindung zwischen der linken Zürichsee- und der Gotthardlinie." Das ist nach Alpentransit-Beschluss die zweite Phase; mit dieser zweiten Phase werden wir uns heute nicht auf der Basis des Baubeschlusses, aber auf der Basis des zweiten Beschlusses befassen, nämlich des Alpentransit-Finanzierungsbeschlusses vom 8. Dezember 1999, indem nämlich im heute vorliegenden Bundesbeschluss zwei Artikel dieses Alpentransit-Finanzierungsbeschlusses in Revision gezogen werden.
Der Bundesrat beantragt nun in seiner Botschaft - sie ist überschrieben mit "die teilweise Freigabe der gesperrten Mittel"; er hätte durchaus auch beifügen können: unter Beibehaltung der Sperrung weiterer gesperrter Mittel und der Aufstockung der Reserven - im Prinzip zweierlei. Dazu auch zwei Vorbemerkungen:
1. Wenn wir jetzt über diesen Finanzierungsbeschluss diskutieren werden, dann haben wir uns daran zu erinnern, dass wir uns beim Entlastungsprogramm, das vor kurzem Gegenstand von intensiven Diskussionen war, auch mit Neat-Krediten befasst haben, indem wir nämlich entschieden haben, einen Teil dieser Mittel nicht in den FinöV-Fonds zu leiten, sondern in die Bundeskasse - vorübergehend, wie damals beschlossen wurde.
2. Sowohl die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen wie auch der Bundesrat, die Neat-Aufsichtsdelegation und alle anderen Kommissionen, die sich jeweils liebevoll über diese Projekte neigen, haben immer eine gemeinsame Absicht und einen Auftrag, der allen Zuständigen erteilt wird. Zum einen ist ständig danach zu trachten, dass das Werk innerhalb der vorgesehenen Fristen erstellt werden kann, dass keine Bauverzögerungen eintreten - höhere Gewalt selbstverständlich immer vorbehalten; wir sind in diesem Fall nicht höhere Gewalt, da kämen bloss geologische Einflüsse infrage. Zum anderen ist es ein stetes Drängen und Kämpfen um die Einhaltung des Kostenrahmens bzw. ein Grosseinsatz auf der Suche nach Einsparungs- und Optimierungsmöglichkeiten.
Wenn wir uns nun mit der Freigabe von Krediten beschäftigen, so will ich Ihnen noch einmal zitieren, d. h. in Erinnerung rufen, was bei dieser zweiten Phase von Neat 1 eigentlich gemeint ist. Ich zähle die Punkte noch einmal auf, wie sie auch in der Botschaft auf Seite 6556 enthalten sind: Vom Ceneri-Basistunnel ist die Rede, vom Zimmerberg-Basistunnel ist die Rede, vom Hirzeltunnel ist die Rede, von den Ausbauten zwischen St. Gallen und Arth-Goldau ist die Rede, von Streckenausbauten im übrigen Netz einschliesslich der Betriebsvorbereitungen an der Gotthardachse ist die Rede. Sie finden dann, ebenfalls wieder in der Botschaft und folgerichtig auf der Fahne, entsprechende Zahlen über Kreditfreigaben respektive über Kreditsperren. Sie finden ebenfalls den zweiten Teil, den Zusatzkredit, der nötig wird, weil die Reserven verpflichtet sind - die Reserven sind nicht aufgebraucht, die Reserven sind vollständig verpflichtet.
In diesem Zusammenhang, bei der Beantragung des Zusatzkredites, ist es entscheidend, dass Sie in der Botschaft auf Seite 6567 doch nachlesen, wofür denn dieser Zusatzkredit beantragt wird. Weil alle Wirklichkeit immer leicht komplizierter ist als angenommen, finden Sie dort keine Auflistung über die anbegehrten 900 Millionen Franken, sondern Sie finden eine Auflistung über 2,45 Milliarden Franken mit dem Hinweis, dass noch 1,55 Milliarden Franken vorhanden sind und die Differenz dann die 900 anbegehrten Millionen Franken ausmacht.
Aber wichtig ist, sich in Erinnerung zu rufen, welche Punkte über diesen Zusatzkredit schlussendlich finanziert werden sollen; ich zitiere aus der Botschaft für all jene, die vielleicht etwas schnell gelesen haben: "Mit dem Zusatzkredit werden Zusatzleistungen infolge Projektoptimierungen, Zusatzbestellungen, neue Anforderungen an die Sicherheit, Mehrkosten infolge Projektverzögerungen und die Neudotierung der Reserven finanziert." Dann steht weiter: "Die Zusatzleistungen setzen sich wie folgt zusammen." Dann folgen im Botschaftstext acht Punkte: erstens Ergänzungen Frutigen sowie Vergabemisserfolge BLS Alptransit AG; zweitens Ceneri-Basistunnel; drittens Ergänzungen Auflageprojekt Uri 2001/2003 und Vorinvestition für Abzweigung "Berg lang geschlossen". Dann geht das weiter mit Projektoptimierungen, Betriebsvorbereitungen, Projektaufsicht und so weiter und so fort. Wenn Sie diese Aufzählung hier anschauen, bemerken Sie relativ schnell, dass in der bisherigen öffentlichen Diskussion und auch nach unserer Fahne einzig zwei Punkte aus diesem ganzen Programm offenbar Anlass zu kontroversen Diskussionen geben werden. Das ist dann in der Detailberatung zu klären.
Ich will Sie nun beim Eintreten schnell darüber informieren, was die Kommission an Grundsatzfragen weiter diskutiert hat, bevor wir dann später auf die Details eingehen:
Eine Grundsatzfrage, die allen Leuten am Herzen liegt, ist die Frage der Investitionsfolgekosten respektive die ganze Frage der Rentabilisierung der Neat - eine Frage, die bekanntlich seit Beginn der ganzen Neat-Diskussionen intensiv diskutiert wird und auch immer wieder zu öffentlichen Kontroversen geführt hat. Der Bundesrat hat auch diese neu aufgeflammte Diskussion insofern aufgegriffen, als er sich verpflichtet hat, bis im Frühjahr einen Bericht über all diese Fragen vorzulegen. Beachten Sie auch, dass auf der Fahne ein Kommissionspostulat abgedruckt ist, das den Bundesrat in seinem Bestreben, diesen Rentabilitäts- und Wirtschaftlichkeitsfragen nachzugehen, voll unterstützt und den Auftrag, den sich der Bundesrat selber gegeben hat, auch von parlamentarischer Seite noch einmal aufnimmt.
Was die Rückzahlung der Marktdarlehen anbelangt, hat der Bundesrat klar den Nachweis erbracht, dass er schon bei den Volksabstimmungen immer wieder darauf hingewiesen hat, dass diese Frage letztlich von der Ertragslage im Gütertransport abhängig ist. Dass sich diese Ertragslage in den letzten zehn Jahren, auch durch Dumping-Konkurrenz auf der Strasse aus Osteuropa, erheblich verschlechtert hat, steht fest; das spüren alle inländischen Gütertransporteure, seien sie nun auf der Schiene oder auf der Strasse. Die Ertragslage bahnseitig wird auch stark davon abhängen, ob und wann unsere europäischen Nachbarn Schwerverkehrsabgaben einführen.
Eine zweite Frage, die in der Kommission intensiv diskutiert worden ist, ist eine juristische, nämlich: Ist die vorgeschlagene bundesrätliche Urner Lösung rechtlich überhaupt möglich? Der Bundesrat hat diese Frage ganz klar bejaht, mit dem Hinweis darauf, dass verwaltungsintern von keiner Seite Bedenken geäussert worden seien.
Die dritte Frage, die immer wieder auftaucht, ist eine finanzrechtliche: Warum kommt erst jetzt das Begehren auf einen Zusatzkredit für diese zwei Einspurtunnel am Ceneri? Warum ist dieses Kreditbegehren nicht bereits zum Zeitpunkt deponiert worden, als der Bundesrat diesen Entscheid traf? Auch dazu ist die Botschaft glasklar; auf Seite 6566 steht: "Bei seinem Entscheid, für sicherheitsbedingte
AB 2003 S 1192 / BO 2003 E 1192
Projektänderungen zuerst den Objektkredit 'Reserven' auszuschöpfen, liess sich der Bundesrat von diesem Grundsatz leiten", der lautet, dass Zusatzkredite nur zu beantragen sind, wenn ein gesprochener Kredit erwiesenermassen nicht mehr ausreicht. Und - das ist entscheidend -: "Diese Haltung wurde auch in der Neat-Aufsichtsdelegation diskutiert und im Grundsatz bestätigt. Solange noch bewilligte Reserven vorhanden waren, bestand deshalb kein Anlass, einen Antrag auf einen Zusatzkredit zu stellen."
Im Übrigen hat die Kommission festgestellt - sie hatte sich aus der Neat-Aufsichtsdelegation entsprechend berichten lassen -, dass dieses Vorgehen letztlich dazu führte, dass alle Auftragnehmer, die da immer gute Ideen zur Projektverbesserung haben, nicht auf die Idee kommen konnten, es sei sehr einfach, über Zusatzkredite noch Zusatzbegehren zu finanzieren. Die Hürde für Zusatzkredite soll hoch sein, soll hoch bleiben. Und unsere heutige Debatte wird auch beweisen, dass diese Hürden in Tat und Wahrheit recht hoch sind.
Die Kommission hat auch zur Kenntnis genommen, dass sich Ostschweizer Kreise grosse Sorgen - wie sie argumentieren - um die Nichtberücksichtigung von Projekten aus der Ostschweiz machen. Das hat vor allem mit dem vom Bundesrat beantragten Hinausschieben von Zimmerberg- und Hirzeltunnel zu tun. Beide figurieren, etwas missverständlich, ich muss es Ihnen sagen, sowohl in der Botschaft wie in der entsprechenden Zusammenfassung auf unserer Fahne unter "Anschluss Ostschweiz". Ich will da keine Trostpflästerchen verteilen, aber man könnte ein Hinausschieben des Baus des Zimmerbergtunnels nicht unbedingt nur in der Ostschweiz als Last empfinden. Es gibt durchaus auch andere Landesteile, die das als Belastung empfinden können. Insofern war der Bundesrat da etwas unvorsichtig, als er in der zweiten Phase den Riesenbetrag von 841 Millionen unter dem Titel "Anschluss Ostschweiz" sperrte.
Was genau bedeutet Zusatzkredit? Ich habe es schon erwähnt: Ein Zusatzkredit ist eine vom Parlament aufgrund einer Botschaft des Bundesrates beschlossene Erhöhung des Verpflichtungskredites. Insbesondere sind die freizugebenden Mittel vollständig im Gesamtkredit gemäss Alpentransit-Finanzierungsbeschluss enthalten. Die teilweise Freigabe der zweiten Phase und der Zusatzkredit sind vollständig im FinöV-Fonds berücksichtigt und finanziert. Der Zusatzkredit bewirkt allerdings eine Verlagerung der Laufzeit des FinöV-Fonds um zwei Jahre. Das heisst also im Klartext, dass dieser Zusatzkredit oder diese Erweiterung des Verpflichtungskredites nicht direkt den Bundeshaushalt, sondern eben den FinöV-Fonds belastet.
Ich habe bereits einleitend auf den Zeitdruck hingewiesen. Der Zeitdruck entsteht vor allem im Zusammenhang - ich wiederhole es - mit finanzhaushaltrechtlichen Überlegungen. Wenn keine Reserven, keine Kredite mehr vorhanden sind, müssen entweder neue Kredite gesprochen werden, oder die Ultima Ratio wäre dann, sofort Bauten einzustellen, woran im Ernst niemand denkt.
Das zweite Element des Zeitdruckes ist die Planung und die Inangriffnahme des Ceneri-Tunnels, was, wenn wir das nicht in dieser Session und der Nationalrat in der nächsten Session beschliessen, zu einer zeitlichen Verzögerung des Bauwerks führen könnte, was sich niemand wünscht.
Wir werden in der Detailberatung, in einem zweiten Teil, die beiden grossen strittigen Brocken - Ceneri hier, Uri da - diskutieren und entscheiden.
Ich bitte Sie, auf diese Vorlage einzutreten. Die Kommission ist mit 7 zu 0 Stimmen bei 4 Enthaltungen eingetreten, wobei ich mir die Bemerkung erlaube, dass die 4 Enthaltungen auch Bedenken betreffen, die dann eher in der Detailberatung ihren Ausdruck finden werden. Es sind nicht grundlegende oppositionelle Stimmen gewesen.
Sie haben auch festgestellt, dass wir zweimal über die Ausgabenbremse werden abstimmen müssen. Das erfordert eine gewisse Präsenz im Saal, damit wir das Quorum zustande bringen.
Ich bitte Sie nicht nur um Eintreten, ich bitte Sie auch darum, aus den genannten zeitlichen Gründen heute diesen Beschluss zu beraten und zu verabschieden, damit der Nationalrat zeit- und fristgerecht dann in der Märzsession seinen Beitrag zu dieser Frage leisten kann.

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