
Ständerat:
Frühjahrssession 2005:
Bundesgesetz über Radio und Fernsehen. Totalrevision
Ernst Leuenberger
verteidigt die Medienfreiheit und hebt die Besonderheit der Schweiz
hervor: «Wir
sind stolz auf dieses vielsprachige Land, in dem eben Medienvielfalt
herrscht, auch wenn die Einfalt manchmal Urständ feiert, auch in
den Medien.»
02.03.05
Leuenberger Ernst (S, SO): In der Eintretensdebatte dürfte man
mit Fug und Recht die Frage stellen: Weshalb eigentlich diese Revision?
Ich gestehe Ihnen, je mehr ich mich mit der Sache beschäftige,
desto mehr komme ich zum Schluss, das geltende Recht hätte noch
eine ordendlich lange Zeit ausgereicht. Der Handlungsbedarf ist nicht
so enorm, wie es einige jetzt darstellen, aber Eintreten wird unbestritten
bleiben.
Ich will nicht zu den Bestreitern gehören, dennoch möchte
ich zwei Vorbemerkungen machen. Die erste: Ich habe es ja begriffen:
Es geht hier um Geldverteilung. Nachdem wir gestern in diesem Rat Geld
verteilt haben, das nicht vorhanden ist, wollen wir heute Geld verteilen,
das schon bei andern ist; wir wollen es ihnen wegnehmen. Das wird die
Auseinandersetzung sein. Dies mehr als Kalauer.
Die zweite Vorbemerkung: Wir haben doch in den letzten Tagen erlebt,
dass die Medien-Wettbewerbssituation, die das Parlament gewollt hat,
jetzt auch in der politischen Auseinandersetzung Früchte trägt.
Es gibt Medienhäuser, die in den letzten Wochen eine regelrechte
Kampagne gegen die SRG gefahren haben. Da war etwelche Lohnschreiberei
im Spiel, aber ich überlasse es dem Berufsethos der zuständigen
Journalisten, wie sie in diesem Kampf der Verlagshäuser mit der
SRG umgehen wollen. Ich nehme an, das sei in Ordnung. Immerhin habe
ich eine blasse Erinnerung, dass man bei der Gründung des Fernsehens
diesbezüglich klüger war: Man hat sich damals zusammengerauft,
die Verlagshäuser und die SRG haben damals gemeinsam - paritätisch
- die AG für das Werbefernsehen gebildet und haben da die ganze
Werbeordnung eigentlich weitestgehend in gütiger Absprache getroffen.
Das ist heute nicht mehr so. Wir wollen nicht dem Schnee des vergangenen
Winters nachtrauern, aber es sei immerhin in Erinnerung gerufen, dass
es durchaus auch anders vor sich gehen könnte.
Mein erster Punkt bei dieser Eintretensdebatte ist - und das ist mir
wichtig, Herr Hans Hess hat die Frage auch schon angesprochen -: Wie
viel Staatskontrolle, Verwaltungskontrolle brauchen die elektronischen
Medien. Das wird eine ganz wichtige Frage sein. Es sei zugestanden -
und das muss hier klar und unmissverständlich festgehalten sein
-: Soi-disant öffentliche Gelder und Gebühren werden als öffentliche
Gelder betrachtet. Wer öffentliche Gelder erhält, hat sich
im Finanzbereich gewissen Kontrollen zu unterziehen. Ich wünschte
mir manchmal, auch einige Private müssten sich etwas kontrollieren
lassen, aber das steht jetzt nicht zur Diskussion.
Aber der kluge Oskar Reck, der etwas von Medien verstand, sagte einmal,
die Medienfreiheit sei eine so wichtige Sache, dass man immer aufhorchen
müsse, wenn jemand davon spräche, man müsse die Medien
in den Griff bekommen. Er führte dann weiter aus, die Medienfreiheit
sei wie ein ungeschaltes Ei und jedweder, der ungeschalte Eier in den
Griff bekommen wolle, zerdrücke sie. Das wäre bei unserer
nötigen, wichtigen Debatte zu bedenken, die wir dann über
die Frage führen werden, wie viel Staats- und Verwaltungskontrollen
elektronische Medien brauchen. Ich sage noch einmal: Finanzhaushaltskontrollen
sind wichtig, aber wenn es dann bis zu den Programmen geht, ist letztlich
die Medienfreiheit gefährdet. Ich nehme an, das ist dann ein Thema,
mit dem sich die Liberalen in diesem Saal befassen werden, denn einige
Liberale nehmen es mir übel, wenn ich liberale Thesen vertrete,
weil ich finde, sie bräuchten einige lebhafte Verteidiger.
Punkt 2: Ich habe vom Wettbewerb gesprochen, der gewollt ist. Wir müssen
uns bei dieser Gesetzesberatung auch einige Minuten darüber unterhalten,
wie viele elektronische Medien nebeneinander ökonomisch in diesem
Land möglich sind. Das ist eine Frage, die halt mit der Kleinheit
und auch mit der Viersprachigkeit unseres geliebten Landes zusammenhängt.
Mein Kantonskollege Büttiker, der sich gewundert hat, dass es immer
mehr SRG-Programme gibt, hat vielleicht unberücksichtigt gelassen,
dass da Programme in den vier Landessprachen veranstaltet und ausgestrahlt
werden. Das ist in Österreich, das etwa eine mit der Schweiz vergleichbare
Grösse hat, erheblich einfacher. Wir sind stolz auf dieses vielsprachige
Land, in dem eben Medienvielfalt herrscht, auch wenn die Einfalt manchmal
Urständ feiert, auch in den Medien. Es ist wichtig, dass diese
Frage debattiert und beantwortet wird, denn die ökonomische Praxis
hat uns gezeigt, dass für zusätzliche national tätige
Fernsehveranstalter offenbar wenig Raum vorhanden ist. Das Land trägt
das ökonomisch nicht, und das sind halt Fakten, die gelegentlich
auch in Rechnung zu ziehen sind.
Es wird dann eine Debatte über David und Goliath oder über
die Eiche und die kleinen Tannenbäume abgehalten. Ich muss Ihnen
ganz offen gestehen: Ich habe nichts dagegen, dass man sich als Schweizer
in der Schweizer Landschaft umsieht und dann plötzlich den Eindruck
hat, da gäbe es einen Goliath SRG und daneben tapfere Davide, wie
etwa Herr von Graffenried in Bern, der ein Lokalfernsehen mit Pornosendungen
in der Nacht veranstaltet und das Ganze Service public nennt.
Das wird ein Teil der Auseinandersetzung sein. Aber wir leben in Europa,
und für mich ist eigentlich die Frage: Wird es in weiterer Zukunft
noch schweizerische elektronische Medien, überhaupt noch schweizerisches
Fernsehen geben? Ich muss Herrn Lombardi Recht geben, wenn er mit Marktanteilen
operiert und festhält, dass sehr viele Konsumentinnen und Konsumenten
der Medien, namentlich auch des Fernsehens, sich ausländische Sendungen
anschauen. Ich bin nicht der Meinung, im Ausland sei alles schlimm,
weil dort alles nur Ausländer seien; dieser Meinung bin ich nicht.
Aber ich bin der Meinung, es könnte aus staatspolitischen, aus
kulturpolitischen Gründen sehr wichtig sein, dass es schweizerische
elektronische Medien, schweizerisch beherrschtes Fernsehen gibt.
Wenn wir das wollen, dann müssen wir begreifen, dass dieser vermeintliche
Goliath SRG im europäischen Konzept ein ganz sympathischer lieber
kleiner David ist. Wir müssen Sorge tragen, dass wir diesem David
nicht seine Steinschleuder aus den Händen winden, wenn er sich
in diesem europäischen Wettbewerbskonzept zu wehren versucht. Das
ist eine ganz wichtige Frage. Wir dürfen den Blickwinkel nicht
zu sehr nur auf die binnenschweizerischen Verhältnisse richten,
sondern wir müssen die Gesamtsituation im Auge behalten.
Ein Weiteres - das ist mir ganz wichtig -: Ich habe die Viersprachigkeit
betont. Ich wundere mich immer wieder, und ich erstarre fast vor Respekt
vor den Altvorderen, die das geschafft haben, damals vor allem radioseitig.
Man hat sich in diesem Land irgendwann entschieden: Es muss Programme
in allen vier Landessprachen geben. Dann hat man gesagt, aber das sei
beim Finanzieren eine sehr schwierige Geschichte, weil diese Sprachgruppen
rein quantitativ nicht alle gleich gross seien. Es gibt die vielen Deutschschweizerinnen
und Deutschschweizer, es gibt relativ viele Westschweizerinnen und Westschweizer,
dann gibt es etwas weniger Tessinerinnen und Tessiner, und dann gibt
es noch einige tapfere Rätoromaninnen und Rätoromanen. Man
hat gesagt, man schaffe ein Modell des Finanzausgleichs, damit alle,
auch die Kleinsten, die echten Davids, eben auch Programme veranstalten
könnten. Das hat im Modell SRG zu einem Finanzausgleich geführt,
der sonst nirgends existiert. Die rund 70 Prozent Deutschschweizer Bevölkerung,
die da entsprechend Gebühren bezahlen, wie es sich gehört,
konsumieren auf der Programmseite rund 40 Prozent dieser Gelder. Die
übrigen 30 Prozent geben sie - und das ist gut so, ich stehe dazu
und würde das verteidigen - an die kleineren Sprachgruppen ab.
Das ist ein grossartiges Modell. Dazu müssen wir Sorge tragen,
und wir dürfen dieses Modell auch auf der Finanz- auf der Geldverteilungsseite
nicht beliebig strapazieren.
Die SRG ist keine Kuh, die - wie ein Bayrischer Finanzminister mal gesagt
haben soll - im Himmel gefüttert wird und auf Erden gemolken werden
kann. Es wäre ein grober Irrtum, das anzunehmen. Ich würde
angesichts der Europasituation - weil ich schweizerische Medienvielfalt
will, auch im elektronischen Bereich - für eine Bündelung
der Kräfte plädieren.
In Bezug auf die Medienkampagne, die da wegen irgendeines teuren Autos
geführt worden ist - ich verstehe nichts von Autos, ich fahre Eisenbahn
-, würde ich Sie dringend bitten: Da soll man dem Entsprechenden
eins auf die Finger zwicken, und dann soll man zur Tagesordnung übergehen
und die Sache als in Ordnung gebracht betrachten.
Ich wünsche mir, dass aus diesem Gesetz Grundsteine hervorgehen,
die mit dem Finanzausgleich auch in weiterer Zukunft ein vielsprachiges
Schweizer Fernsehen, ein vielsprachiges Schweizer Radio hervorbringen
können, mit dem Auftrag, den nationalen Zusammenhalt zu fördern.
Und ich wünsche mir, dass wir als Behörde beim In-den-Griff-Nehmen
etwas behutsam sind.
Das
ganze Geschäft
|
|
     |