Ständerat: Frühjahrssession 2005:

Bundesgesetz über Radio und Fernsehen. Totalrevision

Ernst Leuenberger spricht sich gegen die finanzielle Unterstützung reicher Verlagshäuser aus Gebührengeldern aus.

03.03.05 Leuenberger Ernst (S, SO): Es wird für mich ganz wichtig sein, aus bundesrätlichem Mund zu hören, ob der Bundesrat seinen Antrag aufrechterhält hier im Rat; das wird ganz wichtig sein für das weitere Vorgehen. Ich könnte dann allenfalls anbieten, diesen Basar etwas zu verkleinern.
Worum geht es letztlich? Es geht um sehr viel, und gleichzeitig ist es auch einfach. Zum einen geht es um die Frage: Wo liegt die Obergrenze des Gebührensplittings? Bei 5 Prozent oder bei 4 Prozent? Und die zweite Frage ist: Gibt es eine Untergrenze, oder gibt es - wie der Bundesrat ursprünglich gemeint hat - keine Untergrenze? Die Untergrenze von 2 bis 4 Prozent, welche hier die Minderheit I eingeführt hat, kam zustande, weil es in der Kommission eine Zeit lang so aussah, als ob jene, die dem Bundesrat bei seiner Generalkompetenz - höchstens 4 Prozent - misstrauen, zufrieden gestellt werden könnten, wenn man eine obligatorische Untergrenze einführt.
Es hat sich, muss ich Innen gestehen, dann gezeigt, dass die Ängste der Lokalradios - die durchaus begründet sein mögen -, der Bundesrat gäbe dann nur 2 Prozent wie bisher, weil es bei den Lokalradios heute schon 2 Prozent gibt, weiterhin bestehen. Es geht eigentlich um die Frage, in welchem Zeitraum die Lokalradios mehr erhalten; ob das dann 4 oder 5 Prozent sein werden, werden wir ja entscheiden. Es hat sich gezeigt, dass die Lokalradios nicht abliessen, weiter für eine höhere Obergrenze als die 4 Prozent zu kämpfen, die eigentlich fast ein bisschen als historischer Kompromiss in die Kommission hineingekommen sind - man hatte den Eindruck, als ob die an dieser Fragen Interessierten sich auf die 4 Prozent geeinigt hätten. Ich sage es noch einmal: 4 Prozent - also was der Bundesrat vorschlägt und was auch diese Minderheit I Ihnen als Obergrenze vorschlägt -, das ist, bezogen auf das Radio, eine Verdoppelung dessen, was heute geleistet wird. Diejenigen, die Gewichtsprobleme haben, wissen, dass zu schnelles Wachstum oder zu schnelle Gewichtszunahme durchaus gesundheitliche Probleme mit sich bringen können. Auf einen Schlag von 2 auf 4 oder, wie das einige meinen, sogar von 2 auf 5 Prozent zu gehen, das könnte tatsächlich da und dort Probleme geben. Deshalb ist sicher die Obergrenze von 4 Prozent als Ausdruck der Redlichkeit ernsthaft in Erwägung zu ziehen.
Ich sage es hier noch einmal, damit niemand etwas falsch verstanden haben kann: Niemand in diesem Saal wehrt sich dagegen, dass kleine, sympathische, liebevoll gemachte Lokalradios in den Genuss von Gebührenanteilen, und zwar in den Genuss von mehr Gebührenanteilen als bisher, kommen sollen. Die bisherigen 2 Prozent haben sich als zu wenig erwiesen. Es drängt sich also geradezu eine Erhöhung auf.
Eine andere Frage stellt sich bezüglich des Fernsehens: Fernsehen ist eine sehr, sehr teure Geschichte. Ich sage das als Solothurner deutlich, ich habe ein wenig mit Herrn Germann darunter gelitten, als es sich für den Kanton Solothurn herausstellte, dass es bei dieser Regionalfernseh-Bewilligungserteilung höchstwahrscheinlich niemals für ein solothurnisches Fernsehen reichen wird, obschon wir vereinzelt Politiker haben, die es verdienten, auch alle Woche einmal im Fernsehen zu kommen. (Heiterkeit)
Das wird jetzt aber leider, leider nicht der Fall sein, denn das, was wir als Lokalfernsehen auf privater Basis hatten, ist inzwischen in österreichischen Händen. Das gefällt uns nicht so sehr, weil wir zusammen mit den Aargauern immer noch gewisse antihabsburgische Gefühle in uns tragen. Die Illusion, dass es gelingen könnte, mittels Gebührenanteilen das ganze Land mit einer Kette von Regional- und Lokalfernsehen zu überziehen, muss wirklich als Illusion dargestellt werden. Da bitte ich Sie wirklich, nicht in Euphorie, nicht in Enthusiasmus, zu verfallen, sondern realistisch zu bleiben und zu sagen: Es ist ehrlicher, heute zu sagen, dass beim Fernsehen kein Gebührensplitting nach Belieben drinliegt. Abgesehen davon, und ich habe es schon einige Male angesprochen, ich sage Ihnen ehrlich Folgendes: In Bern gibt es das Regionalfernsehen TeleBärn - Solothurn ist Bern fernsehmässig zugeordnet -, welches zur Espace Media Group von Charles von Graffenried gehört; dieser ist Multimillionär, wie ich da in zürcherischen Hochglanzbroschüren jeweils nachlesen kann. Da will also jemand freier Unternehmer sein, er will etwas unternehmen. Und was ist das allererste, das ihm dabei einfällt? Er sagt: "Ich brauche Bundessubventionen" - ich sage jetzt dieses Wort -, "ich brauche Gebührensplitting". Ich würde Sie, die den Gedanken des freien Unternehmertums zumindest in Ihren Deklarationen näher stehen als ich, dringend um Folgendes bitten: Es kann nicht Aufgabe dieser Gesetzgebung sein, Mediengrosskonzerne - für schweizerische Verhältnisse - über Gebührenanteile zu subventionieren!
Ich sage es noch einmal: Die lieben kleinen sympathischen, fröhlichen Lokalradios müssen endlich mehr erhalten als bisher - aber hütet euch am Morgarten beim Fernsehen, was ihr da anstellt. Gebührenanteile für den "Tages-Anzeiger", Gebührenanteile für Herrn von Graffenried, das kann es ja wohl nicht sein. Ich will Ihnen etwas in Aussicht stellen, um zur Vereinfachung beizutragen: Wenn der Bundesrat tapfer und kämpferisch an seinem Entwurf festhält, will ich in Aussicht stellen, dass ich dann die Minderheit I zurückziehe, aber selbstverständlich muss ich zuerst das bundesrätliche Votum abwarten.

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