
Ständerat:
Frühjahrssession 2005:
Sparpaket 2004.
Eintretensvotum
Leuenberger
Ernst (S, SO): Vor kurzem hat in einer Ratsdebatte ein allseits hochgeschätzter
Kollege sinngemäss gesagt: "Reden Sie mir nicht vom Geld,
da bin ich auf beiden Ohren taub!" Das gehört zur verbalen
Rabulistik, die mir auch nicht ganz fremd ist. (Heiterkeit) Ich will
bekennen: Ich bin hier nicht ganz taub, und das ist der Grund, weshalb
ich bereit bin, auf die Vorlage einzutreten. Ich nehme sie nämlich
ernst und nehme all jene Äusserungen ernst, die darauf hingewiesen
haben, dass wir einen Verfassungsauftrag haben, der mir zwar persönlich
bei der Volksabstimmung nicht gepasst hat - er heisst Schuldenbremse.
Wir haben danach zu trachten, dass wir Verfassungsaufträge ausführen.
Insofern sind wir wohl gehalten, auf solche Vorlagen im Prinzip einzutreten
und zu sagen: Ja, es gibt Handlungsbedarf. Das heisst dann noch nichts
bezüglich der einzelnen Massnahmen.
Eines muss ich Ihnen aber ganz klar sagen - es wurde von niemandem angesprochen,
denn darüber redet man nicht -: Wenn Sie dann glauben, zum Spielraum
hinzu, den wir dem Bundesrat durch die Respektierung der Schuldenbremse
verschaffen wollen, könnten Sie mit neuen Steuerprojekten - lies:
Steuersenkungen oder brutal gesprochen, auch mit Verbalrabulistik, mit
Steuergeschenken an Ihre Klientel - auch noch Spielraum nutzen, den
man über Sparprogramme geschaffen hat, dann, so muss ich Ihnen
gestehen, werde ich auf beiden Ohren sehr taub sein. Ich habe sogar
den Eindruck, dass auch das Volk solche Übungen nicht mitmacht;
erinnern Sie sich gelegentlich, auch wenn das schmerzhaft ist, an die
Volksabstimmung vom Mai 2004.
Diese Mahnung muss man auch ganz klar aussprechen - und ich will anerkennen,
dass sich bisher in diesem Saal niemand als "Schwarznullist"
bekannt hat -: Es gibt offenbar nationalratsseits in grossen Fraktionen
Leute, die ernsthaft daran glauben, man könne den Bundesrat per
Diktat dazu verdonnern, im Jahre 2006 ein Budget mit einer schwarzen
Null vorzulegen.
Ich könnte nun übergehen zu einem Zitat, das auch verwendet
worden ist - ich weiss nicht, ob alle sich bewusst sind, wen sie da
zitiert haben -: "Das Prinzip Hoffnung" ist ein Buchtitel
des marxistischen Philosophen Ernst Bloch, eines sehr bedeutenden und
äusserst klugen Mannes. Man kann selbstverständlich darauf
hoffen, dass sich eine wirtschaftliche Entwicklung besser darstellt,
als wir das befürchtet haben, und dass auch die Einnahmenschätzungen
durchaus optimistischer gemacht werden können. Wobei ich feststellen
muss: Es gab in der Kommission auch einzelne Stimmen, die befürchteten,
gewisse Einnahmenschätzungen seien im heutigen Zeitpunkt zu optimistisch.
Ich möchte anerkennend ausdrücken, dass sich hier drin noch
niemand zum "Schwarznullismus" bekannt hat, denn das ist meines
Erachtens unseriös.
Wenn ich vor dieser winterlichen Landschaft am Blumenverteilen bin,
möchte ich insbesondere auch Herrn Lauri für grosse Teile
seines Votums herzlich danken. Er hat es gewagt, darauf hinzuweisen,
dass glücklicherweise grosse, blühende Firmen in diesem Land
tolle Abschlüsse haben vorlegen können, und hat sich in diesem
Zusammenhang die Frage erlaubt, ob da wohl auch des Kaisers wird, was
an sich des Kaisers wäre.
Nun muss ich noch einen Satz sagen. Da stimme ich dann mit Herrn Lauri
nicht mehr ganz überein, aber vielleicht ist es ein Missverständnis.
Herr Gentil hat einen Rückweisungsantrag begründet, den ich
mitunterschrieben habe, und er hat gesagt: Wir müssen dieses Sparvolumen
etwas eindämmen. Er hat in seiner Begründung Bezug genommen
auf ein 2-Milliarden-Projekt. Ich darf Sie an dieses Papier hier erinnern
- ich hab's etwas angemalt -, das vom Eidgenössischen Finanzdepartement
in der Kommission verteilt worden und mit "Strategie zur Sanierung
der Bundesfinanzen" überschrieben ist. Da ist das Ziel genannt,
und da steht: 1 Milliarde 953 Millionen Franken. Nun muss ich Ihnen
eingestehen: Auf dem Tisch des Hauses liegen heute Vorschläge,
die insgesamt etwa ein Sparvolumen von 900 Millionen enthalten. Die
restliche Milliarde betrifft andere Geschichten: Sie betrifft zu einem
Teil Gesetzesrevisionen, die zum Teil noch sehr weit weg sind.
Man hat uns in der Kommission z. B. gesagt, zur 5. IV-Revision sei im
Herbst 2004 die Vernehmlassung eröffnet worden, Ende Jahr sei sie
abgeschlossen worden, und im Sommer solle dann die Botschaft kommen.
Das Sparvolumen, das auf diesem Strategiepapier der 5. IV-Revision angerechnet
wird, steht noch in den Sternen. Der Realismus des Herrn Gentil und
der Mitunterzeichner des Minderheitsantrages hat eigentlich dazu beigetragen,
dass wir gesagt haben: Dieser Bär müsste zuerst gejagt werden,
bevor man sein Fell zu Markte trägt. Eigentlich möchten wir
vom Bundesrat wissen: Was hast du, Bundesrat, im Sinn zu tun? Auf der
einen Seite haben wir hier die "Schwarznullisten" - nein,
die muss ich rechts zeigen, damit ich korrekt bin -, und auf der andern
Seite, aber da ist jetzt Frau Forster nicht mitgemeint, (Heiterkeit)
müsste ich dann jene zeigen, die realistisch an solche Vorlagen
herangehen wollen und sagen: Es ist wohl nicht alles möglich, was
sich der Bundesrat vorgenommen hat.
Sorge, das muss ich Ihnen gestehen, bereitet mir Punkt 3 dieses Programms,
wo der Bundesrat in bewundernswertem Ehrgeiz ein neues Sparziel von
etwa 500 Millionen Franken formuliert und in eigener Kompetenz über
die Runden bringen will. Da wird er dann sehr summarisch und spricht
von Personal und Tresorerie. Herr Bundesrat Merz wird uns höchstwahrscheinlich
etwas dazu sagen, denn einige Kommissionsmitglieder haben dieses Papier
missverstanden und haben 50 Millionen Franken Einsparungen beim Personal
bereits in den ersten Bereich, der heute zur Debatte steht, transferiert
- offenbar in der Hoffnung, das liesse sich dann beliebig reproduzieren,
sodass man am Schluss dennoch auf diese 1,953 Milliarden Franken käme.
Unser Rückweisungsantrag ist nicht, wie eine bedeutende Zeitung
geschrieben hat, ein ritueller Akt, sondern er ist aus der Sorge geboren,
dass wir nicht im Lande herum Hoffnungen wecken sollten, die sich dann
schlussendlich als Illusionen entpuppen.
Ich gehe jetzt nicht auf jene Teile dieses Sparprogramms, das jetzt
zur Debatte stehen wird, ein, die uns etwas komisch erscheinen. Ich
muss Ihnen gestehen, wenn der Bundesrat innerhalb von zwei Monaten zum
zweiten Mal mit dem gleichen Anliegen kommt, nämlich Streichen
der nicht werkgebundenen Strassenbeiträge an die Kantone - was
ja beim Budget 2005 Gegenstand war und hier jetzt wieder Gegenstand
ist -, dann habe ich den Verdacht, das sei so eine Sollbruchstelle.
Man baut etwas ein, damit auch etwas drin ist, und weiss, das Parlament
weist es dann sicher zurück. Das Tragische war nur, dass dann in
der Kommission - weil die Kommission, mindestens die Mehrheit, sich
fest vorgenommen hatte, alles, was weniger gespart wird, durch andere
Massnahmen zu kompensieren - diese 50 Millionen Franken über zusätzliche
Einsparungen beim Personal kompensiert wurden, die, wie ich höre,
offensichtlich getroffenen Abmachungen zwischen dem Finanzminister und
seinen Personalverbänden widersprechen. Das wäre relativ unfein.
Wir werden dann auf die Arbeitslosenversicherung zu sprechen kommen,
zu der es ernstzunehmende Stimmen gibt, die sagen, es sei äusserst
problematisch, das hier aufzunehmen. Wir kommen dann offenbar auch zu
den ETH-Bauten, von denen bereits Leute sagen, sie gehörten nicht
hierhin.
Ich weiss einfach nicht genau, wie wir inskünftig vorgehen wollen.
Eine Hoffnung habe ich verloren, nämlich die Hoffnung, dass es
ohne weitere solche Übungen abgehen wird, wenn ich eben gehört
habe, dass es Leute in diesem Saal gibt, die gelegentlich sagen: Reden
Sie mir nicht vom Geld, da bin ich auf beiden Ohren taub. Dann wird
auch diese Vorlage, die unter diesem Titel beschlossen worden ist, eines
schönen Tages wieder hier landen, und zwar unter dem Titel Entlastungsprogramm
2005, 2006, 2007 oder 2008 - wir werden es ja dann sehen.
Insofern trete ich ein, stimme aber auch überzeugt dem Rückweisungsantrag
zu, weil ich mit realistischen Sparvorlagen vor die Öffentlichkeit
treten möchte. n.
Das
ganze Geschäft
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