Ständerat: Frühlingssession 2003
Flugverkehrskontrolle
über deutschem Hoheitsgebiet. Abkommen mit der Bundesrepublik Deutschland
Leuenberger
Ernst (S, SO): Es ist in diesem Zusammenhang über Illusionen, Risikofreude
und verantwortungsbewusstes Handeln zu reden. Zuerst einige Feststellungen:
1. Es hat sich in den Kommissionsarbeiten erwiesen, dass die viel gescholtene
Wochenendregelung nicht die erwarteten negativen Auswirkungen auf den
Flugbetrieb am Flughafen in Kloten hatte. Da sind sehr viele Schutzbehauptungen
über teure PR-Agenturen in die Welt gesetzt worden.
2. Der Rechtsweg vor deutsche Gerichte hat sich als hochriskant und
wenig Erfolg versprechend erwiesen. Es wird vielleicht eines Tages das
Eidgenössiche Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und
Kommunikation oder die Eidgenössische Finanzkontrolle interessieren,
wie viel Geld die Fluggesellschaft Swiss beispielsweise aus Bundesmitteln
in diese Prozessführung eingesetzt hat.
3. Es hat sich leider erwiesen, dass die Nachgespräche, die auch
dieser Rat wünschte und die der Bundesrat führte, nicht zum
gewünschten Ergebnis geführt haben. Das ist angesichts der
politischen Situation in Deutschland, wo eine sehr starke Opposition
diesen Vertrag ja bis aufs Messer bekämpft, weil er ihrer Ansicht
nach für die Schweiz viel zu günstig sei, weiter auch nicht
verwunderlich.
Die Kommission hat sodann ein Gutachten erstellen lassen, und es ist
am Schluss eigentlich zu einer Pattsituation gekommen, bei der sich
die Situation grosso modo und etwas verkürzt dargestellt folgendermassen
präsentierte: Es wurde gesagt, dass, wer in diesem Zusammenhang
die Sicherheit wähle, den Staatsvertrag ratifizieren müsse,
währenddem diejenigen, die risikofreudig seien, auf den Rechtsweg
und auf bessere Zeiten hofften, den Vertrag nicht ratifizieren könnten.
Eine Zwischenfeststellung: Die evident gewordenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten
der Fluggesellschaft Swiss und des Flughafens Unique, der im Wesentlichem
dem Kanton Zürich gehört, haben mit diesem Staatsvertrag nichts,
aber auch gar nichts zu tun. Die Verantwortung für diese Schwierigkeiten
liegen anderswo, beispielsweise, was den Flughafen angeht, bei der löblichen
Regierung des Standes Zürich, die sich da wohl etwas übernommen
hat.
Risikofreude: Ein zürcherischer Staatsmann, Herr Hofmann Hans,
sagte im vergangenen Dezember hier im Rat einen Satz, der von Lenin
stammen könnte: "Manchmal braucht es einen Scherbenhaufen,
damit etwas Neues und Besseres entsteht." Ich muss Ihnen offen
gestehen, dass mich ein solcher Satz erschreckt. Ich habe mich nicht
einmal als 17-jähriger Juso zu solchen Behauptungen verstiegen,
Tabula rasa zu machen, alles zusammenzuschlagen, um neu beginnen zu
können. Das erinnert sehr stark an eine aktuelle politische Situation,
die uns alle mit grosser Sorge erfüllt - also Risiken eingehen,
risikofreudig sein. Economiesuisse hat ihren Tarif schon im Oktober
vergangenen Jahres durchgegeben. In einem von Herrn Ramsauer unterschriebenen
Brief vom 16. Oktober 2002 wird festgehalten, dass die Ablehnung des
Staatsvertrages das Risiko einer kurzfristigen Verschlechterung der
Situation durch eine einseitige deutsche Verfügung berge, mittel-
und längerfristig dagegen die Chance eröffne, dass eine beidseits
tragbare Lösung resultiere, bei einer Ratifizierung des Staatsvertrages
das Thema aber für Jahre mit allen Nachteilen für die Schweiz
vom Tisch wäre. Auch hier: Prinzip Hoffnung und Risikofreude.
Die Risikofreude bezüglich Flugverkehr aus dem Raum Zürich
kennen wir. Wir haben miterlebt, wie ein hochkarätiger, sich selber
für höchstkarätig haltender Swissair-Verwaltungsrat einige
Jahre lang eine Hochrisikopolitik betrieben hat und am Schluss der Eidgenossenschaft
eine Rechnung von über zwei Milliarden Franken präsentiert
hat. Diese Risikofreude hat mich geheilt von zürcherischer Risikofreude.
Es wird dauern, bis ich noch einmal bereit sein werde, auch nur einen
roten Rappen in zürcherische Flugabenteuer zu stecken, mögen
sie auch auf den Knien daherkommen und vor diesem Hause betteln - lassen
Sie sich das heute gesagt sein! Ich wähle heute den Weg der Sicherheit.
Ich bitte Sie auch aufzuhören, Illusionen zu verbreiten - im Kanton
Zürich sind Wahlen, und in Wahlzeiten ist man etwas nervös,
das ist mir in jungen Jahren auch untergekommen. Im Kanton Zürich
sind Illusionen verbreitet worden, indem man den Leuten praktisch gesagt
hat, man solle den Staatsvertrag in Bern ablehnen, dann hätten
sie weniger Fluglärm! Das ist eine sehr einfache Betrachtungsweise,
die gelegentlich in Wahlkampfzeiten vorkommen kann - aber falsch ist
sie allemal! Ich warne vor Illusionen, ich warne vor Risiken, und ich
bitte darum, den Weg der Sicherheit zu wählen.
Ich plädiere dafür, dem Minderheitsantrag zuzustimmen und
diesen Staatsvertrag zu genehmigen. (18.03.03)
Das
ganze Geschäft
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