Ständerat: Herbstsession 2001

Votum zu den strategischen Zielen der SBB, Post und Swisscom

Dienstag, 25. September 2001

Die ganze Debatte zu diesem Geschäft

Leuenberger Ernst (S, SO): Erlauben Sie mir einige Bemerkungen zum Bericht des Bundesrates über die Erreichung der strategischen Ziele der drei Bundesunternehmen SBB, Post und Swisscom im Geschäftsjahr 2000.

Sie haben es bemerkt, Herr Bundespräsident: Die beiden Kammern des Parlamentes haben sich noch nicht ganz daran gewöhnt, dass sie seit den grossen Reformen - PTT-Reform einerseits, Bahnreform andererseits - die Budgets und die Geschäftsberichte nicht mehr zu behandeln haben. Das Parlament interessiert sich brennend dafür, was in diesen Service-public-Unternehmungen geschieht. Das Parlament tut auch gut daran, seine grossen Reformziele der Jahre 1996 und 1997 zu evaluieren. Dafür haben wir bisher keinen besseren Ort gefunden als den bundesrätlichen Bericht über die Erreichung der strategischen Ziele von SBB, Post und Swisscom, denn wir nehmen an, dass die vom Parlament gesetzten Ziele der grossen PTT-Reform und der Bahn-Reform in den strategischen Zielen des Bundesrates ein zu eins umgesetzt werden.

Wenn ich das sage, füge ich sofort bei: Viele Parlamentarier - ich gehöre auch dazu - haben damals einige Dinge ausdrücklich nicht so gemeint, wie sie sich nun entwickelt haben. Ich kommentiere diesen Satz jeweils mit einem zweiten Satz, indem ich sage: Wenn der Bundesrat bei der Debatte über die PTT-Reform die Auswirkungen dieser Reform auf das Poststellennetz "en détail" vor den Parlamentskammern skizziert hätte, wäre für diese Reform mit höchster Wahrscheinlichkeit in beiden Parlamentskammern keine Mehrheit zu haben gewesen.

Wir haben uns damals vorgenommen, diese Reform behutsam und sorgfältig durchzuführen. Ich gebrauche den Begriff nicht gern, aber sehr kluge Leute haben davon gesprochen: von behutsamer, schrittweiser Liberalisierung. Beim ungestümen Voranschreiten oder Voranstürmen haben wir uns dieser Aussagen zu erinnern. In wenigen Augenblicken, bei der Debatte über die Motion Hess Hans (01.3370), werden wir Gelegenheit haben, uns über das Reformtempo noch einmal zu unterhalten. Bei diesem Vorwärtsgehen haben wir dafür zu sorgen, dass wir wie der gute Bergführer die ganze Seilschaft auf den Gipfel bringen und nicht unterwegs die Hälfte verlieren. Zur Seilschaft gehören alle Kantone und gehört die Bevölkerung aller Dörfer, Gemeinden und Städte. Selbstverständlich gehört auch das Personal dazu.

Bei den Vorbemerkungen muss ich Ihnen sagen: Bei den Reformen war uns stets klar, dass es sich hier um Reformen handelt, die letztendlich 100 000 Angehörige des Personals dieser drei Bundesunternehmen treffen werden. Es sei hier ausgeführt - und ich bin überzeugt, Herr Bundespräsident Leuenberger wird mir bei dieser Detailaussage ausnahmsweise Recht geben -, dass es sich bei diesen 100 000 Personen, die für Post, Swisscom und SBB arbeiten, in aller Regel um tragende Säulen der schweizerischen Eidgenossenschaft handelt.

Ich habe einmal eine Berechnung für die Eisenbahner angestellt: Es gibt kaum eine Berufsgruppe, die so viele politische, öffentliche Mandate wahrnimmt, wie das beispielsweise bei den Eisenbahnern der Fall ist. Es gibt im Kanton Solothurn Gemeinden, die kaum funktionieren würden, wenn nicht die Eisenbahner in mannigfaltigen Chargen tätig wären. Herr Büttiker wird mir Recht geben, dass nicht ganz alle davon Sozialdemokraten sind, sondern dass es auch wackere Freisinnige und Christdemokraten in der Riege des Bundespersonals gibt.

Zu einzelnen Detailfragen, die kurz aufgeworfen werden sollen: Bei der Swisscom ist mir unangenehm aufgefallen, dass der Bundesrat in seinem Bericht festhält, das Unternehmen habe die Umfrage über die Personalzufriedenheit gar nicht durchgeführt, als man bemerkt habe, dass die Unzufriedenheit gross sei. Das ist eine Figur, die wenig Vergnügen bereitet. Ich möchte den Bundesrat doch bitten, auch der Swisscom, deren Leitung ihre Arbeit im Übrigen ausgezeichnet macht, beizubringen, dass man gelegentlich, auch wenn die Temperatur nicht gefällt, auf das Thermometer schauen muss.

Zweite Bemerkung zur Swisscom: Der Bundesrat legt in seinem Bericht dar, dass er eigentlich die Möglichkeit hätte, zwei Vertreter in den Verwaltungsrat zu delegieren. Er hat sich entschieden, nur einen Vertreter zu delegieren. Ich habe eigentlich immer gelernt, dass ein Mehrheitsaktionär danach trachtet, seinen Willen dann im Verwaltungsrat auch tatsächlich zum Ausdruck zu bringen. Ich wäre froh, wenn hier dargelegt werden könnte, weshalb der Bundesrat auf die Zweiervertretung im Verwaltungsrat der Swisscom verzichtet.

Zur Post will ich bloss festhalten, dass diese ganze, wenig erbauliche Geschichte mit den Diskussionen um das Poststellennetz, die jetzt auch zu parlamentarischen Vorstössen führt, die zum Teil als gewaltige Eingriffe in die soi disant unternehmerische Freiheit der Post gewertet werden, durch behutsameres Vorgehen zu vermeiden gewesen wäre. Wir stellen fest, dass die Post allfällige Abgeltungen wie der Teufel das Weihwasser scheut und sich dagegen wehrt. Trotzdem hat dieser Ständerat - vielleicht macht Herr Bundespräsident Leuenberger Ausführungen dazu - vor nicht allzu langer Zeit die Motion Epiney 01.3206 überwiesen, in der der Bundesrat beauftragt wurde, die Rechtsgrundlagen zu schaffen, um allenfalls der Post, wenn es denn nicht anders gehen sollte, Abgeltungen zu geben. Im Interesse des Service public hat eine Mehrheit dieses Rates gefunden, es sei allemal klüger, auch der Post gewisse Abgeltungen im Rahmen des definierten Leistungsauftrages zu geben, als bei ihr eine Rosskur durchzuführen, die dann von weiten Kreisen der Bevölkerung, zum Beispiel von ganzen Kantonsparlamenten, nicht mehr verstanden wird. Soweit einige Ausführungen zum Thema Post.

Noch einige Ausführungen zum Thema Eisenbahn, obschon Herr Béguelin alles gesagt hat, was zur Eisenbahn zu sagen ist. Er bleibt lebenslänglich der bessere "Eisenbahner", als ich das je werden kann. Mir ist im Zusammenhang mit dem bundesrätlichen Bericht aufgefallen, dass sehr positiv gewertet wurde, zu Recht: die Produktivitätssteigerungen, mehr Transporte, sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr, bei weniger Personal und bei abnehmenden Personalkosten. Diese Zahlen stimmen allesamt, soweit ich sie kontrollieren kann.

Mir liegt einfach daran, hier festzuhalten: Beliebig lässt sich die Produktivität so nicht weiter steigern. Es gibt da die fürchterliche Geschichte eines ungeschickten Bauern, der seinem Esel das Fressen abgewöhnen wollte, und als sich der Esel langsam daran gewöhnt hatte, starb er, und der Bauer sagte: "So habe ich es nicht gemeint." Das darf uns natürlich nicht passieren: Produktivitätssteigerung durchaus, ja. In diesem harten Konkurrenzkampf der Schiene mit der Strasse hat die Bahn letztlich gar keine andere Wahl, als wirklich alle Massnahmen zu treffen, die ihre Konkurrenzfähigkeit steigern.

Eine weitere Bemerkung zu den Detailresultaten im Bereich Eisenbahn. Der Bundesrat legt uns dar, dass leider in der Sparte Güterverkehr, bei Cargo, ein Betriebsverlust von 59 Millionen Franken eingefahren werden musste. Das ist eine ganz wichtige Geschichte - Herr Béguelin hat es gesagt -: Einerseits hat die transportierte Gütermenge erheblich zugenommen; das ist im Sinne der Beschlüsse auch dieses Parlamentes, im Sinne der Ziele der Verlagerungspolitik von der Strasse auf die Schiene. Nun müssen wir aber andererseits feststellen, dass diese Mehrtransporte letztendlich zu grösseren Verlusten beim Bahnunternehmen führen. Wir müssen als Parlament hingehen und sagen: Das haben wir so gemeint. Wir haben gesagt, es werde verlagert. Wir müssen uns vermutlich daran erinnern, dass wir im Zusammenhang mit den flankierenden Massnahmen zu den bilateralen Abkommen gewisse Mittel zur Verfügung gestellt haben, um die Folgen dieses Effektes zu mildern. Ich sage Ihnen in diesem Zusammenhang nur - das hat mehr anekdotischen Charakter, man wird sich in den Zeitungen noch damit befassen -: Es wäre unerträglich, wenn nun das Unternehmen SBB hinginge und seinem Personal sagen würde, es habe das Geld in die Verluste beim Güterverkehr gesteckt. Das Personal habe zwar Tag und Nacht gearbeitet, um mehr Güter zu transportieren, aber die SBB könnten ihm nicht einmal den Teuerungsausgleich bezahlen. Das wäre eine fatale Figur. Ich bin davon überzeugt, dass wir uns hier in diesem Saal alle darüber einig sind, dass das kein gangbarer Weg ist.

Ich bin auch froh darüber, dass der Bundesrat der Frage der Personalzufriedenheit auch im Bereich SBB grösste Aufmerksamkeit schenkt. Ich erlaube mir, die Aufmerksamkeit des Herrn Bundespräsidenten auf einen Satz zu lenken, der im bundesrätlichen Bericht steht, und das vielleicht noch in einem Satz zu spezifizieren. Da steht auf Seite 9 im Kapitel 2.5, SBB: "Ein gewichtiges Problem stellt auch das mangelnde Vertrauen des Personals in die oberste Führung dar." Gemeint ist die SBB-Führung; ich will hier sofort beifügen, der Bundesrat hätte gut daran getan, das noch ein bisschen zu spezifizieren, weil meine Beobachtung der Situation zeigt, dass das Vertrauen in die oberste operative Führung eigentlich durchaus intakt ist.

Ich sage jeweils, es gebe Eisenbahner, die, wenn sie Herrn Weibel die Hand geschüttelt haben, dann die Hand eine Woche lang nicht mehr waschen, um das möglichst lange nachwirken zu lassen. Aber ich will, sofort ernsthaft werdend, beifügen, dass das Vertrauen in den Verwaltungsrat der SBB beim Personal mehr als nur erschüttert ist, und ich bin wöchentlich mit Rücktrittsforderungen gegenüber einzelnen Persönlichkeiten konfrontiert.

Ich füge noch eines bei: Die Geschichte mit den Topkaderlöhnen, die da im Februar durch Indiskretion - nicht von meiner Seite - bekannt wurde, ist nicht ausgestanden. Ich komme nicht umhin, dem Bundesrat zu sagen, er hätte in diesem Zusammenhang keine furchtbar geradlinige Politik gemacht. Ich erinnere mich: Als der Bundesrat 1994 und 1995 mit seiner weltberühmten Vorlage zum Kaderlohnopfer in das Parlament gekommen ist, hat er das Parlament damals davon überzeugt, es sei in schwierigen Zeiten hilfreich und tunlich, wenn die Kader mit Lohnopfern vorangingen; sich selber hat der Bundesrat 3 Prozent vom Lohn genommen. Den Leuten in der Überklasse - dazu gehörten auch die Manager der Bundesbetriebe - hat er 2 Prozent, den oberen Mittelkadern hat er 1 Prozent vom Lohn weggenommen. Ganze vier, fünf Jahre später kommt der gleiche Bundesrat und sagt: April, April; Kader muss man marktgerecht entlöhnen, sonst bekommt man keine guten Kader! Der Bundesrat hat damit Signale ausgesendet, die schwer verständlich sind und - ich kann es Ihnen garantieren - auch in keiner Art und Weise verstanden werden. Ich bin ja gespannt darauf, was der Bundesrat in diesem Zusammenhang als Eckwerte festhalten will.

Ich schliesse damit, dass ich noch einmal sage und indem ich uns von parlamentarischer Seite wirklich bitte, dass wir die Evaluation der grossen PTT-Reform und der Bahnreform laufend fortführen und in den entsprechenden Kommissionen und Subkommissionen wirklich mit grosser Ernsthaftigkeit betreiben. Der Service public, den diese drei Unternehmen erbringen, und die 100 000 Beschäftigten in diesen drei Betrieben sind zu wichtig, als dass wir es hier auf Experimente ankommen lassen können.

Leuenberger Moritz, Bundespräsident: Herzlichen Dank für diese Debatte. Eine Vorbemerkung: Als ich mir die Voten von Herrn Béguelin und Herrn Leuenberger anhörte, dachte ich: Die Welt ist manchmal ungerecht. Rückmeldungen, die ich von betroffenen Kantonen und Gemeinden, vom Personal und von der Kundschaft habe, sind so viel differenzierter und z. T. sogar sehr positiv. Da tut es mir irgendwie leid, dass all die, die überhaupt nicht einverstanden sind, zu Ihnen gehen, sodass Sie ein so verzerrtes und negatives Bild von diesen drei Unternehmungen haben. Ich komme nachher noch im Detail darauf zurück. Ich selbst habe auch Rückmeldungen, und diese decken sich nicht gerade zu hundert Prozent mit den z. T. etwas tristen Bildern, die hier gemalt worden sind.

Zunächst eine Bemerkung zu Herrn Bürgi, weil er den Grundsatz der Kontrolle angesprochen hat. Ich bin gerne bereit, diese Frage mit Ihnen vertieft zu prüfen, kann Ihnen aber nicht hundertprozentig folgen. Es ist schon so, dass der Eigner die politische Vorgabe macht, also den Service public definiert. In diesem Sinne umschreibt er die Zielvorstellung und kontrolliert nachher auch selber, ob das Unternehmen dieser Zielvorstellung gerecht geworden ist oder nicht. Ich sehe darin keinen unüberwindbaren Zielkonflikt. Es gibt solche Zielkonflikte - beispielsweise dann, wenn es um die Sicherheit geht. Dort sehe ich solche Zielkonflikte. Zum Beispiel ist das Bundesamt für Verkehr daran interessiert, dass Infrastrukturen für die Bahn gebaut werden, und zwar günstig - in unserem Interesse, wir bezahlen sie. Hier kann es einen Zielkonflikt mit der Sicherheit geben, z. B. bei der Frage, ob ein Tunnel mit einer Röhre oder mit zwei Röhren gebaut wird. Da kann man in einen Zielkonflikt mit der Kostengünstigkeit und der Sicherheit der zukünftigen Bahnbenützer kommen. Deswegen bin ich dafür, dass man da eine Trennung vornimmt. Es kann auch einen Zielkonflikt geben, wenn der Vertreter einer Region im Verwaltungsrat einer konzessionierten Transportunternehmung sitzt. Da kann er in einen Zielkonflikt kommen: Er möchte, dass seine Region gut bedient wird, gleichzeitig ist er in einem Verwaltungsrat und hätte dort ja eigentlich die Ziele des Unternehmens zu verfolgen. Weil es diese Zielkonflikte bei ein und derselben Person gab, haben wir bei den konzessionierten Transportunternehmungen eine systematische Entflechtung vorgenommen. Dies gilt auch für die SBB, wo der Verwaltungsrat ja vorher - auch politisch abgestützt - viel breiter zusammengesetzt war. Aber so, wie wir es jetzt ausgestaltet haben, bin ich der Ansicht, dass der Vertreter des Bundes sowohl die Definition des Service public, die Zielvorgabe, als auch die Kontrolle, ob das erreicht worden sei, durchaus unter einen Hut bekommen kann.

Es gibt schon Schwierigkeiten; ich skizziere Ihnen jetzt Folgendes: Der Verwaltungsrat wählt einen CEO. Ich sage es extra abstrakt, damit man nicht über Personen redet. Der Bundesrat ist mit diesem CEO eigentlich nicht einverstanden und sagt: Wir sind nicht dieser Meinung. Aber es ist die Kompetenz des Verwaltungsrates. Der Verwaltungsrat sagt: Ich mache das schon, das ist meine Verantwortung, die Politik ist da nicht zuständig. Es scheitert mit diesem CEO; es kommt nicht gut heraus. Dann kommen natürlich die parlamentarischen Vorstösse, und der Bundesrat muss hier den Kopf herhalten, er muss in den Medien den Kopf herhalten. In der öffentlichen Auffassung ist er schuld, dass es mit dem CEO nicht gegangen ist. Der Verwaltungsrat, der sagte, er trage dann die Verantwortung, ja, der trägt die, aber das sieht man nicht. (Heiterkeit) Ich sehe ein: Da ist eine Schwierigkeit, wo unser theoretisches Konstrukt mit der politischen Realität einfach nicht übereinstimmt. Dass wir deswegen eine Änderung machen und dann sagen, der Bundesrat müsse trotzdem das Okay zur Wahl eines CEO geben, diesen Schritt wage ich noch nicht. Das sind ja die Diskussionen, die in der GPK geführt werden. Zum Teil wird ja auch noch die FK in Seminarien beigezogen. Ich finde, dass wir die ersten Schritte, die dort gemacht werden, evaluieren sollten. Teilweise werden wir da vielleicht Korrekturen vornehmen. Zu den einzelnen Betrieben, zur Post: Ich will betonen, dass die Post die Grundversorgungs-Dienstleistungen im letzten Jahr in guter Qualität und flächendeckend erbracht hat. Das mache ich deswegen, weil Sie sich so ausführlich kritisch mit der Post auseinander gesetzt haben. Die Kosten des Universaldienstes im Umfange von 4,5 Millionen Franken konnten von der Post ohne staatliche Subventionen gedeckt werden. Die Post bietet auch weiterhin hohe Qualität an. Die Laufzeit der A-Post konnte verbessert werden. Die Paketzentren haben ihre Kapazitäten gesteigert. Die Laufzeiten konnten in 95 Prozent eingehalten werden. Auch gehören die Preise der schweizerischen Briefpost zu den tiefsten in Europa. Ihre Qualität steht ebenfalls im internationalen Vergleich an der Spitze.

Nun zu den SBB: Insgesamt, muss ich auch hier sagen, sind die Zielvorgaben des Bundesrates im Jahr 2000 erreicht worden, sie sind zum Teil auch übertroffen worden. Eine Ausnahme ist die Mitarbeiterzufriedenheit, das haben Sie erwähnt, da gebe ich Ihnen Recht. Das ist der grosse Mangel, und da müssen sich die SBB verbessern. Es wurde von Herrn Leuenberger gesagt, diese Unzufriedenheit konzentriere sich auf den Verwaltungsrat, sie richte sich nicht gegen die Generaldirektion. Das ist eine etwas kühne Interpretation, es ist eine mögliche Interpretation. Ich selbst teile sie nicht. Ich selbst möchte hier sagen: Die SBB haben schwierige Zeiten hinter sich, schwierige Zeiten vor sich, ich habe vorher in abstrakter Weise nicht über die SBB gesprochen, aber der Verwaltungsrat der SBB und der Verwaltungsratspräsident der SBB geniessen mein Vertrauen. Ich möchte das hier auch deswegen gesagt haben, weil es sowohl den Verwaltungsrat als auch den Kadern einfach möglich sein muss, zu arbeiten und zu wissen, wo der Bundesrat steht. Ich setze diese Einschätzung neben die Ihrige. Adressat sind vielleicht weniger Sie als der Verwaltungsrat selbst. Aber wir haben mit dem Verwaltungsrat und den Kadern ständig Rapporte. Sie dürfen nicht meinen, wir würden nur einmal im Jahr miteinander über die Zielvorgaben sprechen; wir tun das regelmässig. Mit dem Departement wird es auf jeden Fall jeden Monat getan, mit mir sicher alle zwei Monate. Dieses Vertrauen möchte ich hier erwähnt haben. Insgesamt zeigten sich fast 85 Prozent der Kunden und Kundinnen mit den Leistungen der SBB zufrieden. Ich nehme zur Kenntnis, dass die anderen 15 Prozent geradewegs zu Ihnen gegangen sind. Ich möchte aber der Gerechtigkeit halber die ganzen 100 Prozent beurteilen: Die Kundenzufriedenheit im Personenverkehr konnte gegenüber dem Vorjahr gesteigert werden; im Güterverkehr ist sie konstant geblieben, aber wir erwarten hier eine Steigerung. Diese Frage gehört auch zu unseren ständigen Themata mit dem Verwaltungsrat. Sie haben noch über das Engagement der SBB in England gesprochen. Auch hier wurde vorsichtig vorgegangen. Ich muss sagen, nachdem die Spielregeln in England mitten im Prozess in einer solchen Art und Weise geändert worden sind, haben die SBB zu Recht gesagt: Wir lassen nicht so mit uns umgehen, unser Engagement wird sich entsprechend anpassen. Aber dass die SBB einen Versuch unternommen und sich an diesem Wettbewerb beteiligt haben, ist gerade für die weitere Forderung, die Herr Leuenberger vorher gestellt hat, nämlich bezüglich der Kooperation mit Italien und Deutschland, absolut notwendig.

Solche Anforderungen werden auf die Eisenbahnen zukommen: Wie verhält es sich international mit der Wettbewerbsfähigkeit? Wie kann die Zusammenarbeit mit anderen Gesellschaften durchgeführt werden?

Um dies beantworten zu können, ist es wichtig, dass dieser Versuch - der nichts gekostet, aber Erfahrung gebracht hat - gewagt worden ist. Aber eben, die Spielregeln wurden geändert, und die SBB wollen sich hier nicht in ein Abenteuer stürzen.

Zur Swisscom: Auch hier haben wir die Unzufriedenheit des Personals nicht verdrängt, sondern festgestellt, dass sie mit der grossen Umstrukturierung zusammenhängt. Besorgnis erregend würde es dann, wenn die Unzufriedenheit nicht beseitigt werden könnte. Im Jahr 2000 betrug die Personalfluktuation 18 Prozent und war bei den bis und mit 40-Jährigen und bei den über 40-Jährigen genau gleich hoch. Es ist die Frage gestellt worden, warum wir im Verwaltungsrat nur einen Staatsvertreter haben. Uns genügt ein Staatsvertreter. Es ist in Tat und Wahrheit übrigens oft so, dass der eine Staatsvertreter zum Teil auch zusammen mit dem Verwaltungsratspräsidenten kommt. Der Verwaltungsrat ist klein, und der Staatsvertreter - es ist Herr Felix Rosenberg, Sie kennen ihn alle - macht diese Arbeit absolut genügend. Im Verwaltungsrat ist es nicht so, dass er da überstimmt würde. Wir brauchen da nicht eine Quote - zwei oder drei, die sich da besser durchsetzen könnten. Die wirkliche Arbeit besteht nicht darin, dass wir nur diesen einen Staatsvertreter überzeugen und mit ihm eine Diskussion führen müssen, sondern der Verwaltungsratspräsident selbst ist wie gesagt auch regelmässig bei den Besprechungen dabei, die wir für unsere Einflussnahme auf die Swisscom durchführen. Von Herrn Stadler und Herrn Wicki ist die Frage aufgeworfen worden, ob die strategischen Ziele während der laufenden Geltungsdauer nicht häufiger angepasst werden müssten, beispielsweise was die Broadcasting Services angeht. Eine Anpassung der strategischen Ziele in diesem Bereich war nicht nötig, weil die Swisscom von sich aus auf den Verkauf verzichtet hat. Wenn ich sage "von sich aus", ist das natürlich auch so ein Fall: Da gab es auch Diskussionen, und Sie haben sich im Ständerat sehr klar geäussert. Aber es gehört ja schliesslich auch dazu, dass ein Unternehmen wie die Swisscom nicht nur Antennen für die Mobiltelefonie hat, sondern auch in einem politischen Sinne hinein in den Ständerat, und dass es dann entsprechend reagiert. Andererseits, wenn das nötig gewesen wäre, hätten wir ja die Möglichkeit gehabt, den Staatsvertreter im Verwaltungsrat der Swisscom zu instruieren. Von daher ist es nicht nötig, dass man den Umweg macht, die strategischen Ziele neu zu formulieren. Eine solche formelle Instruktion haben wir übrigens damals ins Auge gefasst, und wir hätten so die Interessen des Bundes sichern können. Die Vorarbeiten und die Gespräche mit den Unternehmen für die Revision der strategischen Ziele von Post und Swisscom sind bereits angelaufen. Die Revision der Eignerstrategie für die SBB ist für das nächste Jahr vorgesehen. Es ist geplant, den Entwurf der strategischen Ziele im Spätherbst den Gewerkschaften zur Stellungnahme zukommen zu lassen. Der Bundesrat wird voraussichtlich im Dezember über die Ziele befinden. Zum einen werden die Vorgaben für die verschiedenen Geschäftsfelder der Unternehmen angepasst. Hier stehen Anpassungen an neue Marktverhältnisse, an neue Organisationsstrukturen im Vordergrund. Zum anderen wollen wir die Unternehmen auf nachhaltige und auch auf ethische Grundsätze verpflichten. Es bestehen in einzelnen Punkten noch Differenzen, über die ich an dieser Stelle jetzt noch nicht berichte, aber die Gespräche laufen jetzt. Zu diesen Grundsätzen gehören natürlich auch die Kaderlöhne, die jetzt auch wieder erwähnt worden sind. Ich habe es schon einmal gesagt: Wir wollen Eckwerte für die Kaderlöhne in die strategischen Ziele übernehmen. Allerdings nur in einer generell-abstrakten Weise und nicht in Zahlen, wie das zum Teil gewünscht worden ist. Das Folgende betrifft auch wieder die Frage von Herrn Pfister, ob die Leistungsaufträge angepasst werden sollen oder nicht: Die Unternehmen haben die Ziele, wie ich vorher bereits gesagt habe, insgesamt erreicht; allerdings hat z. B. die Post die finanziellen Vorgaben verfehlt, namentlich im Paketbereich und bei verschiedenen Wettbewerbsdiensten. Da sind Verbesserungen nötig. Die Zielerreichung und die Einhaltung der Leistungsaufträge werden im Rahmen von periodischen Aussprachen mit den Unternehmen laufend geprüft. Einmal jährlich im Frühling erstatten beide Unternehmen umfassend Bericht. Der Bundesrat prüft dann, ob die Ziele erreicht worden sind. Dabei kontrollieren auch einzelne Ämter, wie das Bundesamt für Verkehr oder das Bundesamt für Kommunikation, die Einhaltung der gesetzlichen Leistungsaufträge und evaluieren die Reformen. Die Post muss ihrerseits die Qualität der Grundversorgung durch eine unabhängige Stelle überprüfen lassen. Der Bundesrat wird in der nächsten Woche die neue Fernmeldeverordnung verabschieden. Dabei werden wir Anpassungen an die technische Entwicklung vornehmen, z. B. den ISDN-Anschluss als Teil der Grundversorgung definieren. Das heisst, ich werde es beantragen, aber ich nehme an, dass der Bundesrat damit einverstanden ist. Bei der Post werden wir dem Parlament im kommenden Frühjahr eine Gesamtschau unterbreiten. Wir möchten alle hängigen Forderungen, die im Raum stehen, also Erweiterung des Leistungsauftrages, Poststellendichte, progressive Marktöffnung und Finanzierung der Grundversorgung, eingehend prüfen und mit Ihnen diskutieren. Bei den SBB werden wir im kommenden Frühjahr die neue Leistungsvereinbarung behandeln und dannzumal über neue Leistungsaufträge diskutieren. Sie haben am Schluss noch gefragt, ob es politisch gesehen nicht einen Stimmungsumschwung bezüglich Liberalisierung und Privatisierung gebe, und was der Bundesrat daraus für Konsequenzen ziehe. Da muss ich einfach sagen: Der Bundesrat hat all die Revisionen, die wir hier durchgeführt haben - Swisscom, Post, SBB -, nie mit dem Ziel der Liberalisierung oder der Privatisierung gemacht; nicht weil das ordnungspolitisch etwas Heiliges und Gutes sei, wollte er das durchziehen, sondern das Ziel war immer, den Service public, also die gleichmässige Bedienung zu kostengünstigen Preisen im ganzen Land, sicherzustellen. Die Mittel, die müssen jeweils angepasst werden. Ein Kriterium, um diese Mittel anzupassen, ist durchaus das Vorgehen unserer Nachbarländer in der Europäischen Union. Wir hätten die Strommarktliberalisierung ja kaum in beiden Parlamenten beschlossen, wenn nicht eben die Entwicklung tatsächlich auch um unser Land herum so wäre und der Markt nicht tatsächlich die Grenzen überschreiten würde. Nie aber haben wir gesagt, wir glaubten an die Liberalisierung, wir glaubten an die Privatisierung, deswegen würden wir diese Revision machen. Gerade bei der Strommarktliberalisierung haben wir dieses Gesetz miteinander erarbeitet, damit die Sicherheit und die Kostengünstigkeit bei den Konsumenten im gleichen Umfang garantiert sind, wie das vorher der Fall war. Das ist eigentlich die Triebfeder unseres politischen Handelns. Dass wir auch z. B. die Vernehmlassungen für das weitere Vorgehen bei der Swisscom, das weitere Vorgehen auch bei der Post - Stichwort Postbank - als echte Vernehmlassungen ansehen, bei der solche Ängste zum Teil auch genannt werden, und dass wir das in diesem Sinne ausrichten und in diesem Sinne auch die ursprünglichen Ideen wieder verändern, gehört zur direkten Demokratie. Insofern nehmen wir auch auf die Stimmung und auf die Möglichkeit einer späteren Volksabstimmung und auch auf die Akzeptanz hier im Parlament Rücksicht. Da müssen wir flexibel sein.

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