Ständerat: Sommersession 2006, 07.06.06:

Swisscom AG. Abgabe
der Bundesbeteiligungen

Ernst Leuenberger unterstützt erfolgreich den Minderheitsantrag. Keine einzige der 26 Vernehmlassungsantworten der Kantone empfiehlt den reinen Privatisierungskurs des Bundesrates. Die Ängste davor, dass die Entscheidungszentren dereinst irgendwo im Ausland liegen, sind offensichtlich. Ein Rückweisungsantrag, der voluminöser ist als der bundesrätliche Vorlage, ist nun wirklich ein Novum – und ein Verzögerungsmanöver.

Leuenberger Ernst (S, SO): Ich unterstütze mit Überzeugung den Nichteintretensantrag der Minderheit Escher. Immerhin sei diesem Rat mitgeteilt, dass Minderheit und Mehrheit nur so zustande gekommen sind, wie sie jetzt stehen, weil die KVF nicht ganz repräsentativ für den Rat zusammengesetzt ist. Aber das gehört zu dieser Wirklichkeit, und darum, glaube ich, müssen sich beide Seiten schon genau überlegen, wie hart sie diesen Kampf führen wollen.
Herr Kommissionspräsident, jawohl, es geht um Privatisierung oder Nichtprivatisierung der Swisscom; darum geht es, das ist die erklärte Absicht des Bundesrates. Wer eben der Meinung ist, wie ich es bin, der Bundesrat habe hier in einem Schnellschuss eine nicht zu Ende gedachte Vorlage produziert, der darf heute nicht eintreten, um, wie Herr Escher es ausgeführt hat, dem Unternehmen Swisscom jene Sicherheit zu geben, die jedes Unternehmen braucht. Dass ich dagegen bin, wenn wir über die Privatisierung sprechen, hat Gründe. Ich habe zum Beispiel die 26 Vernehmlassungen der Kantone angeschaut: Ich habe keine Kantonsvernehmlassung entdeckt, die jenen Weg vollumfänglich unterstützt, den der Bundesrat in seiner Botschaft gegangen ist. Es gibt eine ganze Reihe von Kantonen, rund die Hälfte, die sich gegen den Verzicht auf die Bundesmehrheit aussprechen. Es gibt dann die zweite Hälfte der Kantone, die ganz deutlich machen, dass sie sich eine Reihe von flankierenden Massnahmen wünschen. Aber Privatisierung, "pure et nette", hat niemand unterstützt.
Im Gegenteil, mich hat beeindruckt, wie einzelne Kantone darauf hinweisen, dass durch diesen Verzicht auf die Mehrheitsbeteiligung schwerwiegende Nachteile für die gesamte Schweiz entstehen könnten. Es wird so weit gegangen, dass von einer Zweiklassengesellschaft zwischen Industriezentren und Randgebieten gesprochen wird, die Qualität der Versorgung der Randregionen könnte gefährdet sein durch diesen Schritt. Immerhin, so wird etwa gesagt, habe die Swisscom bisher darauf verzichtet, für ihr Fixnetz, das mit dem Grundversorgungsauftrag zusammenhänge, Gelder der öffentlichen Hand zu verlangen. Es bestehe aber inskünftig die Gefahr, dass vor allem die öffentlichen Gemeinwesen in Randregionen belastet würden. Es wird darauf hingewiesen, dass die Entscheidzentren einer privatisierten Swisscom irgendwo im Ausland sich wiederfinden könnten. Es wird darauf hingewiesen, dass die kleine schweizerische Eidgenossenschaft bei solchen Entscheidzentren - man denkt offensichtlich an das Vorgehen im Zusammenhang mit Cablecom - eines Tages irgendwo in New York darum betteln müsste, dass der Grundversorgungsauftrag auch tatsächlich erfüllt wird. Darum geht es, und darum geht es hier und heute bei diesem Eintreten oder Nichteintreten: um Privatisierung oder Nichtprivatisierung.
Wenn in der Debatte immer darauf hingewiesen wird, man solle doch keine Angst haben um den Grundversorgungsauftrag, das würde alles gesetzlich geregelt, muss ich Ihnen zum Vorgehen eines sagen: Meine Damen und Herren von den bürgerlichen Rängen, ich lese Ihre Wirtschaftspresse sehr aufmerksam. Da steht immer zuvorderst, dass das Sagen hat, wer ein Unternehmen beherrscht, wer die Mehrheit in einem Unternehmen hat. Das lese ich tagtäglich in diesen Hochglanzbroschüren, die mir gratis zugestellt werden - ich würde keinen Fünfer dafür ausgeben. Ich entnehme das auch den Wirtschaftsseiten der seriösen Publikationsorgane: In einem Unternehmen hat das Sagen, wer die Mehrheit hat. Jetzt kommt man plötzlich daher und sagt, bei Swisscom sei das alles anders, da könne man gesetzlich alles regeln - um dann am Schluss, ich habe es schon gesagt, in New York auf den Knien zu liegen vor irgendwelchen mächtigen Kapitalgebern, die sich ausnahmsweise abends um sieben Uhr fünf Minuten Zeit nehmen, um eine Schweizer Delegation anzuhören. Es hat Zeiten gegeben, in denen Ihre Vorfahren Sätze ausgesprochen haben wie jenen: "Wir Schweizer werden nicht ins Ausland wallfahrten gehen!"
Zum Rückweisungsantrag: Das ist wirklich eine Premiere. Ich habe in meiner langjährigen parlamentarischen Tätigkeit noch nie einen Rückweisungsantrag erlebt, der rein äusserlich voluminöser war als die bundesrätliche Vorlage. Diese Tatsache alleine zeigt mir, dass die bundesrätliche Vorlage offenbar so korrekturbedürftig, so reparaturbedürftig ist, dass der kleine Werkzeugkasten nicht mehr ausreicht, sondern dass man mit einer ganzen Reparaturequipe daherkommen muss. Solche Mängel sind mit Rückweisung nicht zu heilen, da hilft ja doch wohl nur Nichteintreten.
Seien Sie offen: Einige haben etwas Angst vor Volksabstimmungen. Wenn ich nämlich ein Machiavellist wäre, dann müsste ich heute sagen - und ich habe mir das lange überlegt -: Eintreten auf die Bundesratsvorlage, möglichst im Expressverfahren durch das Parlament peitschen und dann vor das Volk damit! Dann könnte ich bloss zurücklehnen, denn das Volk wird nicht Ja sagen zu einer Vorlage, wie sie der Bundesrat hier vorschlägt. Das weiss inzwischen auch der Bundesrat. Das wissen alle Mitglieder des Parlamentes. Und darum finde ich eigentlich diesen Rückweisungsantrag eine sehr taktische Angelegenheit, und wäre ich boshaft, würde ich meinen ehemaligen Sitznachbarn aus dem Nationalrat zitieren. Ernst Eggenberg aus Thun hat immer gesagt: "Weisst du, Taktierer, das sind Halbwahrheitler." Ich habe ihn bloss zitiert, ich will damit keine Aussage verbinden.
Ich bitte Sie heute im Interesse der Zukunft des Unternehmens Swisscom, hier klare Verhältnisse zu schaffen und den Bundesrat in seinem unermüdlichen, etwas überbordenden Eifer zu stoppen, indem wir nicht auf die Vorlage eintreten. Wenn dann eines Tage etwas geändert werden muss, dann mögen die Wägsten und Brävsten der Republik gemeinsam eine Lösung suchen, aber nicht mit Schnellschuss und nicht mit ganzseitigen Beilagen zum Rückweisungsantrag, die bloss zeigen, dass die Übung sehr, sehr verunglückt ist.
Ich bitte um Nichteintreten.

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