
Ständerat:
Wintersession 2005, 29.11.05
Voranschlag 2006
Ernst Leuenberger
möchte im Rahmen der Debatte um den Voranschlag auch über
die Einnahmenseite sprechen und warnt vor Steuersenkungungen.
Leuenberger
Ernst (S, SO): Mir fällt auf, dass bei Budgetdebatten begrifflich
fast ausschliesslich von Ausgaben gesprochen wird, während wir
wenige Stunden nach der Budgetdebatte wieder über die Erfüllung
von Aufgaben der öffentlichen Hand und des Staates sprechen. Ich
möchte uns dazu einladen, zwischen Ausgaben und Aufgabenerfüllung
nicht einen Riesengraben erscheinen zu lassen. Die Leute draussen könnten
ja meinen, wir würden das Geld zum Fenster rauswerfen, wenn wir
nur noch von Ausgaben sprechen und diese Ausgaben häufig als etwas
Unnützes darstellen.
Es gelingt mir nicht, mich den Komplimenten anzuschliessen, die die
Mehrheit der nationalrätlichen Finanzkommission hier erhalten hat.
Ich habe etwas gestaunt über die unendliche Leichtigkeit der Argumentation
und des Seins, die sich die Mehrheit der nationalrätlichen Finanzkommission
angeeignet hat. Ich fürchte, wenn man derart Budgetpolitik macht,
handelt man sich mittelfristig den Vorwurf der Willkür ein, und
das darf wohl nicht sein.
Es erstaunt mich in dieser Debatte eigentlich jährlich, dass wir
uns darüber einig sind, der Budgetausgleich sei zu finden, und
dass wir uns hier im Ständerat sogar darüber einig sind, in
welchen Fristen dieser Budgetausgleich anzustreben und zu erreichen
sei. Das ist verdienstvoll und nur positiv zu würdigen. Wichtig
ist mir aber, dass man auch über Einnahmen spricht. Wenn ich die
Einnahmenseite auch ein bisschen prospektiv anschaue, auch in Bezug
auf den Finanzplan, dann fällt mir natürlich auf, dass in
Bezug auf die Einnahmenseite in vielen politischen Kreisen Vorstellungen
vorhanden sind, die in diesem Finanzplan wohl kaum Platz fänden,
wenn es uns denn ernst sein sollte mit dem Willen, den Budgetausgleich
zu finden.
Ich meine ganz konkret Vorstellungen über Steuersenkungen. Ich
bin dem Herrn Finanzminister sehr dankbar, wenn er in seinem Votum dann
auch auf diese Steuersenkungsprojekte, die zum Teil in den Schubladen
sind, zum Teil bereits in Botschaftsform vorliegen, eingeht und sie
in einen Zusammenhang stellt mit der Finanzplanung und mit dem Wunsch
und dem Willen, den Budgetausgleich zu erreichen. Ich glaube, das hängt
auch sehr eng zusammen, wenn denn schon von der sehr engen Verknüpfung
von Sach- und Finanzpolitik gesprochen wird.
Ich will Ihnen sodann noch eine andere Sorge vortragen, die bei diesen
Budgetprozessmechanismen zunehmend überhand nimmt. Es gibt praktisch
ein Dogma, das besagt: Wenn in einem Departement eine Budgetposition
nach oben bewegt wird, dann muss im gleichen Departement eine andere
Budgetposition nach unten verschoben werden. Das ist an sich ein hochinteressantes
Spiel, aber ich führe mir dann ein kürzlich erschienenes Pressecommuniqué
des Bundesrates vor Augen, wo er zu Recht darauf hingewiesen hat, dass
da noch Hunderte von Millionen auf der Aufwandseite in Diskussion stehen,
die an sich noch nicht "eingebacken" worden sind, aber in
diese ganze Finanzplanung "eingebacken" werden können.
Beispielsweise spricht er - ich nehme das Ernsthafteste und auch das
Schmerzhafteste - von Unwetterfolgen, die zu beheben sind, und wir werden
uns schnell einigen, dass da einzugreifen und den Leuten zu helfen ist.
Wenn ich mir nun vorstelle, dass jemand auf die Idee käme, das
sei nun nach diesem Departementsbudgetmechanismus zu beheben, dann,
muss ich Ihnen offen gestehen, laufen auch wir Gefahr, uns den Willkürvorwurf
einzuhandeln. Wenn wir uns daran erinnern, dass in den letzten Jahren
zum Teil Bundesämter zwischen den Departementen verschoben worden
sind - und da erhältst du als Departement plötzlich ein Bundesamt,
bei dem im Rucksack längerfristig noch gewisse Riesenpositionen
anstehen können, und dann musst du andere Budgetpositionen zusammenkürzen
-, dann müssen sich das Finanzdepartement und wir im Parlament
uns bewusst sein, dass grösste Vorsicht am Platz ist mit diesem
Departementskompensationsmechanismus.
Schlussendlich bekenne ich Ihnen, dass ich froh bin über die Art
der Beratungen in der Finanzkommission des Ständerates. Ich habe
den Eindruck gewonnnen, dass wir mit grosser Ernsthaftigkeit uns an
dieses Geschäft herangemacht haben und dass wir alle uns vor allem
auch genau daran erinnert haben, welche Reduktionen bei den Entlastungsprogrammen
bereits vorgenommen worden sind. Und wir haben deshalb recht schnell
erkannt, dass der Bundesrat wirklich ein Budget vorlegt, das eigentlich
keine grossen Schnitte mehr erträgt. Das heisst, ich bin bereit,
in der Gesamtabstimmung - die wird ja heute Mittag stattfinden - dem
Budget zuzustimmen, wenn es etwa in der Form, wie es die Kommission
beantragt, in diesem Rat beschlossen werden sollte.
Ich muss Ihnen auch gestehen, dass ich plötzlich entdeckt habe,
rein verfahrensmässig: Das ist das erste und das letzte Mal, wo
ich zu diesem Gesamtbudget Ja oder Nein sagen kann, nämlich heute
Mittag in der Gesamtabstimmung. Was dann in der Differenzbereinigung
rauskommt, das unterliegt nie mehr einer Gesamt- oder Schlussabstimmung
in diesem Rat. Ich werde also nur noch die Möglichkeit haben, meine
Meinung zu Details zu äussern. Vielleicht müssen wir uns über
dieses Verfahren einmal unterhalten.
Ich muss Ihnen auch sagen: Ich habe plötzlich entdeckt, dass bei
der Budgetdebatte im vergangenen Dezember die Mehrheit dieses Rates
hier eine Figur eingeführt hat, an der einige, auch im Nationalrat,
noch Gefallen finden könnten. Wir haben nämlich im Parlamentsgesetz
eine Vorschrift, die besagt: Wenn das Resultat, das in einer Einigungskonferenz
entsteht, in einem Rat abgelehnt wird, tritt ein Mechanismus in Kraft,
der automatisch besagt: Der tiefere Betrag, der in einem Rat zum Beschluss
erhoben worden ist, gilt. Das heisst: Wenn es im Nationalrat Schlaumeier
gibt - ich glaube, es sitzt keiner da -, könnte die Mehrheit, die
sich in der Kommission gebildet hat, zum Schluss kommen: Man lässt
es darauf ankommen, man schickt dann das Resultat einer allfälligen
Einigungskonferenz bachab. Damit hätte der Nationalrat, falls er
die Kommissionsbeschlüsse zu Ratsbeschlüssen erhebt - was
ich, auch nach dem Votum von Herrn Schwaller, nicht hoffe -, auf der
ganzen Linie Recht bekommen. Ich muss Ihnen sagen: Wir Autoren des Parlamentsgesetzes
- ich sage: wir - haben diese Geschichte nicht bedacht, als wir das
eingeführt haben. Jedenfalls haben wir das Zweikammersystem in
der Budgetfrage damit mindestens angekratzt. Auch darüber werden
wir uns einmal unterhalten müssen.
Aber ich bin jetzt fröhlich und zuversichtlich, dass es uns hier
gelingen möge, im Sinne der Kommission Beschlüsse zu fassen.
Ich bin froh, zuversichtlich und hoffnungsfroh wie ein Pfadfinder, dass
es den bürgerlichen Kolleginnen und Kollegen gelingen möge,
in ihren Fraktionen auch mit den Nationalräten in einen fruchtbaren
Dialog einzutreten, damit am Schluss ein Budget entsteht, das in etwa,
mit gewissen Nuancen, dem bundesrätlichen Vorschlag gleicht. Insofern
bin ich bereit, heute Mittag zuzustimmen.
Das
ganze Geschäft
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