
Was
wäre der Künstler
ohne Publikum? Was wäre
die Gesellschaft ohne Kunstschaffende?
Gedenkausstellung
mit Bildern von Werner Meier in der Kultur Arena Bern.
Vernissage vom Samstag, 27. Oktober 2007. Worte
von Ernst Leuenberger, Ständerat Solothurn, alt Präsident
SEV
Liebe
Elisabeth
Liebe Freunde von Werner Meier
Am 16.
Mai 2007 ist Werner Meier in seinem 91. Lebensjahr verstorben nach einem
intensiven Leben als Eisenbahner, Gewerkschafter, Politiker und Maler.
Er war also einer meiner Vorgänger an der Spitze des SEV und im
eidg. Parlament.
Aus dieser Sicht wage ich eine Würdigung seines Schaffens wenn
mir auch der Weg zu eigenem künstlerischem Schaffen mangels Voraussetzungen
nie zugänglich war.
"Was wäre der Künstler ohne Publikum? Was wäre
die Gesellschaft ohne Kunstschaffende?
Diese
Fragen, die uns Werner Meier stellt, können wir selbstbewusst aufnehmen.
Sie rhetorisch-kämpferisch betonen. Wir haben hier die wunderbare
Gelegenheit, Werner Meier in einer Gedenkausstellung wieder zu entdecken.
Wir können des Künstlers Werdegang und Passion für seine
Arbeit in Erinnerung rufen, uns in seine Begeisterung versetzen, wenn
Meier etwa von Bildungskursen erzählte, an denen er mit Eisenbahnarbeitern
auch moderne und abstrakte Kunst diskutierte. Was man an solchem Zeugs
finde könne, war eine nahe liegende Frage. Meier erinnerte sich
an lebhafte Gespräche, die sich daraus entwickelten. Und freute
sich: "Ein paar Wochen danach habe ich eine Ansichtskarte aus dem
Louvre und eine aus der Pinakothek erhalten. Und das von Eisenbahnern."
Wir können auch anders und leiser fragen. "Was wäre der
Künstler ohne Publikum? Was wäre die Gesellschaft ohne Kunstschaffende?
Führen wir uns diese Fragen - heute im Jahr 2007 konkret gestellt
- vor Augen, ist an ihnen nicht auch etwas Melancholisches? Haben wir
uns nicht schon längst aufgemacht in eine Gesellschaft, wo eine
grosse Mehrheit im besten Fall mit Schulterzucken auf die Provokationen
der Kunst reagiert. Kunst wird missverstanden, missbraucht als Ornament.
Verzeihen Sie mir meine Provokation, sind Sie doch die falschen Adressaten.
"Werner Meiers Landschaftsbilder laufen nicht auf Volkstümlichkeit
im Sinne von Tümlertum hinaus" betonte vor genau 20 Jahren
Dr. Kurt Kipfer; Arzt, Politiker und Schriftsteller, an diesem Ort.
Sie derart missverstehen kann nur, wer vom Leben des Künstlers
absieht. Es ist an den Nachgeborenen, das Andenken und die Aktualität
des Schaffens hochzuhalten und deshalb danke ich der Kulturarena für
diese Ausstellung, danke ich für die Öffentlichkeit für
einen Mann, sein Leben und sein Werk.
Werner Meier - Sohn des Bahnhofvorstandes von Göschenen- , "ging
in der Realität unserer Tage zur Schule" , er setzte sich
als Eisenbahner mit Industrie und Technik, dem "Rätsel Atom"
, der Massengesellschaft auseinander. Wir finden ein Panorama seiner
Zeit, die in weiten Teilen auch meine und Ihre Zeit ist. Werner Meier
hat aus den Spannungen seines Lebens die Kraft für sein Werk geschöpft,
er war als Politiker, Gewerkschafter, mannigfaltig Engagierter am Puls
der Zeit. Und doch - und da kommen wir, nennen wir es ruhig so - auf
die Tragik im Leben Meiers zu sprechen. Nach zehn Jahren im Stationsdienst
der SBB - mit insgesamt 50 Versetzungen - war die letzte Stationierung
1943 in Lugano, wo Meier den Dichter, Maler und Bildhauer Giuseppe Foglia
kennen lernt. "Jede Minute, da du anderes tust als malen, ist für
dein Leben verloren" gab ihm der Förderer und langjährige
Freund mit auf den Weg. Doch die Umstände fordern anderes von ihm.
Die Frage der Zeit "Anpassung oder Widerstand?" beantwortet
er eindeutig. Er verhilft Juden aus Italien zur Flucht in die Schweiz.
Und was anderes als vernünftig ist es für den Eisenbahner
Werner Meier, die Chance zu ergreifen, 1944 dem Ruf des legendären
Robert Bratschi ins Gewerkschaftssekretariat der Eisenbahner in Bern
zu folgen.
Doch ein Traum, der Traum nur noch Maler zu sein, ging zu Ende. Meier
gab die Malerei nicht auf, nicht als Redaktor der SEV-Zeitung "Der
Eisenbahner", die er nicht nur redigierte, sondern auch illustrierte,
auch nicht als Präsident des SEV in den 70er-Jahren, nicht als
Nationalrat der Sozialdemokratischen Partei; nicht als SBB-Verwaltungsrat.
Doch ich weiss es aus eigener Erfahrung - quasi in den politischen und
gewerkschaftlichen Fussstapfen Meiers: Wer Berufsarbeit und politische
Mandate gewissenhaft ausübt, muss zurückstecken, muss gewaltig
zurückstecken. Wie muss es da erst einem Künstler gehen! Meier
ist an diesem Konflikt nicht zerbrochen, doch Trauer schwingt mit, wenn
wir in Meiers selbstverfassten Lebenslauf lesen:
"So lag es auf der Hand, dass ich der Muse weitgehend zu entsagen
hatte. Meine künstlerischen Möglichkeiten beschränkten
sich auf die Ferien und auf die - eher raren - freien Wochenenden. Dabei
plagte mich stets der Zwiespalt zwischen meinen gestalterischen Vorstellungen
und dem zeitlich Realisierbaren."
Und doch kann er, muss immer wieder als Künstler schaffen. Wenn
er etwa mit James Schwarzenbach auf einem Podium sitzt - "sonst
wollte ja niemand antreten" - und sich für die klaren Wort
auch von vielen Eisenbahnern anfeinden lassen muss, dann kann er zuhause
und sei in nachtschlafender Zeit nicht anders, als zu Pinsel und Farbe
greifen
1987, Meier war 71, fand in der Kultur-Arena die erste Retrospektive
statt und im Pensionsalter wurde die Luft für den Künstler
wieder freier. Die Ausstellung wurde ein grosser Erfolg. Werner verband
auch in der Präsentation künstlerisches und gesellschaftliches
Engagement: Die Hälfte des Reinerlöses der Ausstellung ging
an humanitäre Institutionen. Die Kultur-Arena nimmt diese Tradition
mit der Gedenkausstellung wieder auf. Dafür sei auch hier eine
grosse Dankeschön gesagt an die Familie des Künstlers.
Mit grossem Vergnügen erinnere ich mich daran, wie er mir eines
seiner Eisenbahner-Bilder für den SEV schenkte. Er hängt in
der Eingangshalle des Sekretariats in Bern. Wir nehmen so wenig die
Gelegenheit wahr, Lebenden zu danken. Ich tue es heute einem verehrten
und lieben Verstorbenen gegenüber, der mir in Jahren schwieriger
Arbeit an der Spitze der Gewerkschaft oftmals ein gesuchter "Chum
mer zHülf" war.
Erzählen
Sie, wenn Sie ein Bild von Werner Meier kaufen und vielleicht verschenken
vom Leben des Eisenbahners und Künstlers, malen Sie sich aus, wie
Meier 1943 mit den Flüchtlingen über die Grenze geht, währenddessen
italienische Schönheiten mit den Grenzwachleuten flirten. Und stellen
Sie sich vor, es sässen auch heute noch Künstler im National-
oder Ständerat. Und seien es Künstler sozusagen im Exil wie
Werner Meier.
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