Der Zürcher Oberländer, 13. Januar 2003

Für den Sozialstaat kämpfen

Ständerat Ernst Leuenberger referierte in Wetzikon

Für die Erhaltung und den Ausbau des Sozialstaates plädierte am vergangenen Freitagabend in Wetzikon der Solothurner Ständerat und Gewerkschafter Ernst Leuenberger. Rund 30 Personen besuchten die Neujahrs-veranstaltung der SP Ortspartei.
In Wetzikon gab es für den prominenten SP-Politiker und Chef der Eisenbahnergewerkschaft ein Wiedersehen mit alten Bekannten. Er begrüsste die ehemalige Nationalrätin Hedi Lang, den nach Paris ausgewanderten "Neat-Baumeister" Peter Zuber und den ehemaligen Ar-beitssekretär Walter Merz.


Den sozialen Frieden erhalten
Unter dem Titel "SP - Das soziale Gewissen der Schweiz" gab der Referent in urchigem Berndeutsch einen Überblick über die Situation der Schweizer Sozialwerke. Er bezeichnete den Ausgleich als Hauptziel der Sozial-demokratischen Partei: Der wachsende Graben zwischen Arm und Reich führe zu Spannungen und Konflikten und gefährde so den sozialen Frieden, der eine Quelle des Wohlstandes und des Wohlbefindens sei.
Es gelte nicht nur, Arbeit und Güter besser zu verteilen, sondern auch für die Erhaltung der Ressourcen zu sorgen, für saubere Luft, sauberes Wasser und gesunde Erde. Weiter müsse der Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen wie Schule, öffentlicher Verkehr und Post für alle möglich bleiben.

Hart kritisierte Leuenberger die Tendenz, im Bereich der Sozialleistungen den Rechtsanspruch durch das Bedürftigkeitsprinzip zu ersetzen. Missbräuche liessen sich nie ganz ausschalten. Hingegen sei es gerade für rechtschaffene Menschen besonders demütigend, wenn sie sich bei den zuständigen Stellen buchstäblich bis aufs Hemd ausziehen müssen. Der Redner verteidigte das Finanzierungssystem der AHV: Anders als bei der Arbeitslosenversicherung (ALV) zahlen hier auch Grossverdiener Beiträge und erhielten dafür einen Ge-genwert. Das komme zwar etwas teurer zu stehen, funktioniere aber recht gut nach dem Solidaritätsprinzip.


Langzeitarbeitslose werden herumgereicht
Seit Jahren werden Langzeitarbeitslose "invalidisiert", damit sie nicht die Fürsorgekosten der Gemeinden zusätzlich belasten. Diese Praxis erwähnte Leuenberger als eine der Ursachen für die akuten Finanzierungsprobleme der Invalidenversicherung (IV). Durch den vom Stimmvolk bewilligten Abbau der ALV werde sich die Situation noch verschärfen. "Strengere Ärzte lösen das Problem nicht".
Aus aktuellem Anlass übte der SP-Politiker auch am System der Beruflichen Vorsorge (BVG) Kritik. Als "tristestes Kapitel" bezeichnete er die Kranken-versicherung: "Das System der Kopfprämien taugt nichts. Schon gar nicht kann es das weitere Steigen der Gesundheitskos-ten verhindern."
"Der Sozialstaat ist nicht billig, aber er ist es wert, dass wir Sozialdemokraten ihn verteidigen, hartnäckig und manchmal stur", erklärte Leuenberger zum Schluss. In der Diskussionsrunde standen Arbeitszeitreduktion, Steuern, Mitbestimmung der Arbeitnehmer sowie staatliche und private Versicherungen im Vordergrund. Kantonsratskandidaten aus Wetzikon, Grüningen und Gossau nutzten die Gelegenheit, sich vorzustellen. An Gesprächsstoff fehlte es auch beim anschliessenden Apero nicht
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