Berner Zeitung, 17.
Februar 2001
Bundesbahnen
SBB halten Cheflöhne
unter Verschluss
Seit
Anfang Jahr verwaltet eine Treuhandfirma die Löhne des SBB-Kaders -
aus Diskretionsgründen. Die SBB-Angestellten sollen nicht erfahren,
dass ihre Chefs fast doppelt so viel verdienen wie Bundesräte.
Karin
Burkhalter und Franz Hophan
Der Frühling
bringt Geld für die SBB-Spitze. Erstmals kommen die Kaderleute in den
Genuss eines vertraglich zugesicherten Bonus. Die Löhne von SBBChef
Benedikt Weibel und den fünf andern Mitglieder der Geschäftsleitung
werden damit zünftig nach oben korrigiert auf ein branchenübliches Niveau.
"3,6 Millionen Franken werden sich die sechs SBB-Manager in diesem Jahr
teilen können", weiss ein Insider. Weibel, in dessen Lohntüte heute
über 300 000 Franken fliessen, dürfte somit fast doppelt so viel verdienen
wie ein Bundesrat. Das wären an die 700 000 Franken.
Zu tiefe
Kaderlöhne
Möglich wird die kräftige Lohnspritze durch das seit dem 1. Januar geltende
Bundespersonalgesetz. Waren die Chefgehälter im alten Beamtengesetz
limitiert, existiert heute keine Obergrenze mehr. Die Topleute der Bundesbahnen
fallen nicht unter den Gesamtarbeitsvertrag (GAV), sie sind nach Obligationenrecht
angestellt. Damit hat der SBB-Verwaltungsrat freie Hand - und er handelt
entsprechend schnell. "Fähige Leute haben ihren Preis. Und die Kaderlöhne
waren bei den SBB eindeutig zu tief angesetzt", betont Mediensprecher
Roland Binz gegenüber dieser Zeitung. Dies habe im Übrigen letzten Herbst
auch eine Studie des Finanzdepartements gezeigt. Die Höhe der individuellen
Lohnanpassungen stehe jedoch noch nicht fest. Der Verwaltungsrat werde
diese erst aufgrund des letztjährigen Geschäftsverlaufes festlegen.
Kon krete Zahlen und Fakten liegen demnächst vor. Über den Bonus will
man aber auch dann nicht reden. "Wir nehmen prinzipiell keine Stellung
zu den Löhnen", lässt Verwaltungsratspräsident Thierry Lalive d'Epinay
durch den Mediensprecher ausrichten. Auch zu den 3,6 Millionen Franken
nicht.
"Das
wäre schäbig"
So
viel Diskretion macht die Gewerkschaftsseite hellhörig. "Kaderlöhne
sind zwar nicht unsere Angelegenheit", betont SPStänderat Ernst Leuenberger,
Chef des Eisenbahnerverbandes (SEV). "Werden aber tatsächlich fürstliche
Boni ausgerichtet und die 3,6 Millionen bewahrheiten sich, wäre die
letzte Lohnrunde an das SBB-Personal mehr als schäbig." Das habe er,
Leuenberger, auch seinem Parteigenossen Benedikt Weibel gesagt.
Die 28000 Bahnangestellten erhalten nach harten und langwierigen Auseinandersetzungen
mit der SBB-Spitze dieses Jahr eine Lohnerhöhung von 2,6 Prozent - ein
Prozent ist als einmalige Prämie deklariert. Zu Beginn wollte das Management
nichts von höheren Löhnen wissen, es zeigte sich von der knauserigen
Seite. Das Angebot lautete, eine einprozentige Erhöhung mit der Arbeitszeitverkürzung
auf 39 Stunden zu kompensieren. "Das hätte eine Nullrunde bedeutet",
sagt der SEVPräsident. "Für uns war das Angebot schlicht unakzeptabel."
Auch mit den 2,6 Prozent sind die Bähnler unzufrieden. Im November gingen
sie deswegen in Bern auf die Strasse. Sollten sie nun erfahren, wie
grosszügig die Chefs bedacht werden, ist für böses Blut gesorgt.
Treuhandfirma
beauftragt
Löhne wecken Emotionen, insbesondere die der Grossverdiener. Das wissen
auch die SBB-Verantwortlichen. Und weil die bundeseigene Aktiengesellschaft
Diskretion hoch hält, haben nicht einmal mehr die SBB-Buchhalter Einblick
in die Spitzensälare. Wie Sprecher Roland Binz bestätigt, lässt das
Management seit Anfang Jahr die Löhne der sechs Geschäftsleitungsmitglieder
und rund 60 weiteten Kaderleuten über eine Treuhandfirma. ausbezahlen.
Dadurch ist nicht mehr ersichtlich, wie viel die einzelnen Manager und
Abteilungsleiter kassieren. Man habe sich aus "rein operationellen Gründen"
für diese Lösung entschieden, da es sich bei diesen Lohnzahlungen um
eine komplizierte und technische Abwicklung handle, sagt Binz. Andere
Überlegungen gebe es nicht. Bei der Post laufen die Lohnzahlungen an
das oberste Kader bereits seit Beginn der Ära Reto Braun über eine externe
Firma. Die Unternehmensführung macht wie die SBB "technische und organisatorische
Gründe" geltend. "Diskretion spielt aber auch eine gewisse Rolle", gesteht
Verwaltungsratspräsident Gerhard Fischer ein.
"Verschlelerungstaktik"
An
die grosse Glocke hängen SBB und Post das "Lohn-Outsourcing" nicht.
Informiert ist nur ein kleiner Kreis. Laut Departement Leuenberger gehört
die Finanzdelegation beider Räte zu den Eingeweihten. Für Hans-Rudolf
Merz, Mitglied dieser Delegation, ist diese Änderung jedoch "vollkommen
neu". Der Appenzeller FDP-Ständerat ist deshalb neugierig geworden.
Er werde das Thema an der nächsten Sitzung zur Sprache bringen, sagt
er. Auch Ständeratskollege Ernst Leuenberger hat davon noch nie gehört,
wundert sich jedoch nicht. "Die SBB-Spitze ' strebt nach Verschleierung,
das ist ihre Taktik." Die Gewerkschaft Kommunikation erfuhr durch Zufall
von der Systemänderung bei der Post. "Wir stellten fest, dass die Mitgliederbeiträge
des Kaders nicht mehr direkt vom Lohn abgezogen werden konnten", sagt
Informationschef Samuel König. Offiziell sei man nicht informiert worden.
Dies erstaunt auch König nicht: "Wir kritisieren generell und seit langem
die fehlende Transparenz."
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