NZZ, 10. März
2001
Die Manager als Teil
der Gesellschaft
Kenneth
Angst, stv. Chefredaktor
Der Markt
regiert, die Gesellschaft reagiert, die Politik interveniert. Gemäss
diesem Drehbuch verläuft auch die anhaltende Kontroverse um die Spitzengehälter
von Topmanagern privater wie öffentlicher Grossunternehmen. Kontrovers
sind die Einkommens-Millionen für die modernen Gladiatoren auf dem wirtschaftlichen
Schlachtfeld einer globalisierten Welt bekanntlich weniger auf dem Markt,
dafür umso mehr auf dem demokratischen Marktplatz der Meinungen. Hier
artikuliert sich zu Recht ein grosser Bedarf nach Erklärung und Rechtfertigung.
Aufgescheucht
durch die auch am Bundesrat vorbei beschlossene Verdoppelung der SBB-Kaderlöhne,
fragen sich viele Bürger: Spinnt der Markt? Stehen die neuartigen Topsaläre
in der Champions League wirklich noch in einem nachvollziehbaren Verhältnis
zu den persönlichen Leistungen der obersten Kader, zu ihrem Beitrag
an den unternehmerischen Erfolg, erbracht im Interesse der ganzen Belegschaft?
Werden die Misserfolge vom Markt ebenso konsequent bestraft wie die
Erfolge belohnt? Gibt es keine einheimischen Alternativen zum teuren
Einkauf im Ausland? Ist die Arbeitsmotivation heutiger Manager auf monetäre
Werte zusammengeschrumpft? Hat die Politik vor allem bei den neuerdings
selbständig geführten, mehrheitlich aber immer noch subventionierten
Bundesbetrieben kein Recht, keine Pflicht zum korrigierenden Eingriff?
Und darf nicht auch von den Verwaltungsräten privater Multis etwas mehr
Sinn fürs Mass, etwas mehr Mut zum Widerstand gegen real existierende
Auswüchse bei der Salarierung ihrer eigenen Kader erwartet werden?
Solche
Fragen sind keineswegs welt- oder marktfremd. Sie sind berechtigt, auch
wenn es darauf keine vorschnellen und eindeutigen Antworten gibt. Letztlich
geht es um wichtige Kernthemen unserer Zeit - um Arbeitsmoral, Leistungsgerechtigkeit,
Einkommensverteilung und Zusammengehörigkeit unter den Bedingungen eines
entfesselten und globalisierten Markt-Kapitalismus. Es lohnt die Mühe,
sich über solche Themen zu verständigen und nach einem neuen Konsens
zu suchen. Denn davon hängt es ab, inwieweit unser System der sozialen
Marktwirtschaft auch in Zukunft jene politische und gesellschaftliche
Akzeptanz erlangt, auf die ein solches System im Interesse stabiler,
wachstumsfördernder Rahmenbedingungen immer und zwingend angewiesen
bleibt.
Gerade
die Schweiz ist innert kurzer Zeit zu einem wichtigen Schauplatz, zu
einem im Ganzen überaus erfolgreichen Akteur des neuen, globalisierten
Markt-Kapitalismus geworden. Fähige Spitzenmanager aus dem In- und Ausland
haben ohne Zweifel Massgebliches zur konkurrenzfähigen, nämlich wertschöpfungsintensiven
und wissensorientierten Positionierung unseres Landes im weltweiten
Firmen- und Standortwettbewerb beigetragen. Eine wachsende und globale
Nachfrage nach solchen Managern im Verbund mit gesteigerten Profiterwartungen
(zu) oft kurzfristig denkender Aktionäre treibt die Saläre, über Aktienoptionen
eng mit der Börsenentwicklung verknüpft, in immer höhere Sphären. Um
solche Topmanager im In- oder Ausland zu finden und in der Schweiz zu
halten, müssen international konkurrenzfähige, also massiv höhere Löhne
als noch vor kurzem landesüblich gewährt werden.
Auf diese
auch hierzulande vom Markt erzwungene Explosion der Managerlöhne reagiert
unsere Gesellschaft überaus misstrauisch und allergisch. Man registriert
rasch wachsende Einkommensscheren innerhalb der Unternehmen. Man stösst
sich an hohen Abgangsentschädigungen für gescheiterte Manager, die so
nicht nur für den erwarteten Erfolg, sondern auch für das Risiko des
Misserfolgs belohnt werden, und man leitet daraus ab, dass Spitzenlöhne
keineswegs auch Spitzenleistungen verbürgen.
Ins Zwielicht
geraten insbesondere auch Bonusregelungen, die zu wenig an der nachhaltigen
Ertragsentwicklung und zu stark an kurzfristigen, von Aktionärserwartungen
abhängigen Börsenkotierungen ausgerichtet sind, also nicht eigentlich
eine Realleistung der Unternehmensführung widerspiegeln. Damit ist für
viele der behauptete Zusammenhang zwischen Managersalären und Firmenerfolg
nicht mehr nachvollziehbar: Die Kaderlöhne erscheinen illegitim, als
Ausdruck egoistischer Raffgier.
Besonders
ungerecht empfunden werden erfolgsabhängige Managersaläre insbesondere
auch dann, wenn das Kader den Unternehmenserfolg nicht als Gemeinschaftsleistung
begreift, sondern für sich allein in Anspruch nimmt und also die Belegschaft
nicht in verhältnismässigem Ausmass (in Form von Boni oder Aktien) daran
teilhaben lässt. Die so stattfindende Umverteilung von unten nach oben
stört dann nicht nur als Ergebnis, sondern erscheint sogar als Absicht.
Wenig vertrauensbildend wirkt schliesslich die Abstinenz vieler Wirtschaftsführer
von gesellschaftlichen und politischen Engagements, was auch eine allgemeine
Vorstellung darüber erschwert, was für Menschen und Bürger die hoch
dotierten Manager eigentlich sind.
Ganz besonderen
Anstoss erregt sodann die schleichende Anpassung bei den Salären der
«öffentlichen» an jene der privaten Manager, die ungefähre Verdoppelung
der Kaderlöhne in den neu als selbständige Unternehmen geführten Bundesbetrieben
innert wenigen Jahren. Insbesondere die Post und die SBB gelten als
«volkseigene», nach wie vor stark mit Steuergeldern subventionierte
Betriebe im Bundesbesitz. Die Volksmeinung will, dass mit Volksvermögen
haushälterisch umgegangen wird. Diese Betriebe leisten wichtige Dienste
für das Land, genauso wie die Bundesverwaltung. Weshalb also sollen,
eigenmächtig verfügt, die Spitzen von Post, SBB und Swisscom bald einmal
doppelt so viel verdienen wie Chefbeamte und Bundesräte, zumal viele
dieser «öffentlichen» Manager keineswegs aus dem internationalen Kadermarkt
rekrutiert wurden, sondern dieselben sind, welche dieselbe Arbeit noch
unlängst zum halben Lohn, kaum aber nur halb so gut verrichtet haben.
Es ist
nun keineswegs unerheblich und folgenlos, wenn sich gegenüber der wirtschaftlichen
Elite weitherum Misstrauen breit macht, wenn ihre Löhne als nicht leistungsgerecht,
wenn der Markt als Verteilungs- und Bewertungsverfahren generell als
gesellschaftlich ungerecht empfunden wird. Auf dem Spiel steht die traditionell
stark ausgeprägte Identifikation der Arbeitnehmer mit ihren Unternehmen,
steht eine bisher ausgeprägte Grundhaltung der Loyalität und Verzichtbereitschaft
gerade auch in wirtschaftlich schwierigen Phasen.
Forderungen
nach mehr Eigenverantwortung und weniger Sozialstaat haben politisch
weniger Akzeptanz, wenn Manager als «gesellschaftsfeindliche Abzocker»
im Verruf stehen. Gewerkschaftliche Lohnforderungen und Verteilungskämpfe,
Vorstösse für eine verschärfte Progression bei Einkommens- und Vermögenssteuern
erhalten Auftrieb. Das für Stabilität und Kontinuität eines Unternehmens
notwendige Vertrauen der Belegschaft in das Management zerfällt, wenn
die Lohnunterschiede innerhalb einer Firma als nicht mehr vertretbar,
nicht mehr nachvollziehbar, nicht mehr leistungsgerecht empfunden werden.
Die Wirtschaft,
ihre obersten Exponenten in den Geschäftsleitungen und Verwaltungsräten
sind deshalb im eigenen Interesse gut beraten, wenn sie das in Gesellschaft
und Politik weit verbreitete Missbehagen ernst nehmen, wenn sie sich
dem Dialog stellen, wenn sie Auswüchse selber bekämpfen, kurz: wenn
sie sich als Teil dieser Gesellschaft begreifen, statt sich davon abzumelden.
Arbeitsverträge mit Topmanagern sind so zu gestalten, dass das durchaus
reale Risiko ihres Scheiterns nicht noch mit hohen Abfindungen vergoldet
werden muss. Bonusregelungen sind konsequenter als bisher an Messgrössen,
an strategische Unternehmensziele zu binden, welche primär die persönliche
Leistung der Kader spiegeln. Auch sollten solche Boni wieder stärker
die Nachhaltigkeit statt die Kurzfristigkeit ihres Wirkens belohnen,
aber auch nichtmonetäre Werte wie die Zufriedenheit der Mitarbeiter
einfordern.
Der Erfolg
einer Firma ist - auch von Aktionären und Medien - wieder weniger einseitig
vorab dem CEO zuzuschreiben, ist wieder mehr als Teamleistung zu begreifen.
Also geht es auch um erfolgsabhängige Salärkomponenten für alle Mitarbeiter.
Wenn es die Ertragslage erlaubt, sind die Löhne nicht nur oben, sondern
auch unten zu erhöhen. Statt sich nur - abhängig von kräftig mitverdienenden
Headhuntern - auf dem teuren Weltmarkt einzudecken, ist vermehrt auch
das eigene Management-Potenzial zu fördern und zu nutzen: Auch den heutigen
Topmanagern wurde ja irgendwann einmal eine erste Chance gewährt. Und
was die verselbständigten Bundesbetriebe betrifft, so ist es wohl richtig,
dem Bundesrat in Vertretung der Eigentümerinteressen (wie früher) das
Recht zur Konsultation bei der Lohngestaltung im Kaderbereich wieder
einzuräumen - in der Meinung, dass hier nicht jedwede Relation zu den
Löhnen im öffentlichen Dienst auf dem Altar des Marktes geopfert werden
sollte.
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