Aargauer Zeitung vom 25. September 1999

Politik muss unterhaltsam sein

Olten: Kandidierende für den Ständerat stellten sich den Wählerinnen und Wähler

Vier Kandidierende, die in den Ständerat wollen, stellten sich im Oltner "Aarhof" dem Publikum. Dieses war nicht eben zahlreich erschienen, erlebte aber eine angeregte Diskussion, die sich nicht ausausgetretenen Pfaden bewegte.

Fünfzig, dreissig, zwanzig, so lauten nicht etwa die neusten Lottozahlen, vielmehr geht es um die Anzahl Personen, die in den letzten Tagen die Wahlforen der Solothurnischen Staatsbürgerlichen Gesellschaft besuchten. In Olten waren es gerade mal zwanzig Interessierte, die die für den Ständerat kandidierenden Anna Mannhart (CVP), Rolf Büttiker (FDP), Ernst Leuenberger (SP) und Patrick Eruimy (FPS) auf den Zahn fühlen wollten.

Wieso ist der Wahlkampf so flau?
Es lag deshalb auf der Hand, dass der Gesprächsleiter Beat Nützi, Chefredaktor des «Oltner Tagblatts», eingangs auf den bislang flauen Wahlkampf einging und die Kandidierenden nach möglichen Gründen befragte. Nationalrat Ernst Leuenberger wies auf das riesige Informationsangebot hin. Es bestünde mit privaten Radio- und Fernsehstationen ein Angebot wie nie zuvor, hier stelle sich bei vielen Personen eine Sättigung ein. Weiter führte Leuenberger ins Feld, dass die nationale Politik stark personalisiert sei, zu anstehenden Themen würden immer dieselben - zehn bis zwölf Schweizer Politiker -befragt, dadurch stünde das Gros der übrigen Politiker im Schatten dieser Spitzenleute. Allerdings sehe er nicht so schwarz und glaube, dass die Wahlbeteiligung nicht noch stark sinken werde.
Nicht so optimistisch äusserte sich in dieser Frage der wieder kandidierende Ständerat Rolf Büttiker. Das Volk wolle heute Politik mit Unterhaltungswert und werde von diversen Fernsehsendungen auch in diese Richtung erzogen. In den letzten Jahren hätten die Parteien zudem ihre Kraft, Leute zu mobilisieren, verloren. Denn möglicherweise ist die Politik im Vergleich zum Tempo von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Prozessen zu gemächlich. Die einizige Frau der Runde, Kantonsrätin Anna Mannhart, stellte fest, dass es heute wichtig sei, im Wahlkampf zu den Leuten zu gehen, statt diese zu sich zu rufen. Ihre Partei habe in den letzten Wochen und Monaten darüber hinaus gute Erfahrungen gemacht, indem sie themenbezogene - statt personenbezogene Anlässe organisierte. Schliesslich führte Patrick Eruimy ins Feld, dass ein grosser Teil des Wahlkampfs heute übers Internet ablaufe, das Interesse an der Politik nehme aber gleichzeitig kontinuierlich ab. Sogar seine eigene Partei hätte das Engagement Wahlkampf gedrosselt, weil sich immer die gleichen Personen engagierten.

Dichte des Netzes sozialer Hilfe
«Wir sind für Halten oder allmählichen Abbau, sicher aber nicht für einen weiteren Ausbau», fasste Mannhart ihre Haltung in der Sozialpolitik zusammen. Dem entgegnete Leuenberger, dass es einen Verfassungsauftrag gebe, der existenzsichernde Renten vorsehe. Dies sei ein Gebot, das es ernst zu nehmen gelte, man dürfe die Maschen des sozialen Netzes nicht laufend vergrössern. Während an der Ersten Säule, der AHV, dauern korrigiert werde, profitierten viele Unternehmer von den Geldern der Zweiten Säule. In seinem Sinne ebenfalls traditionell argumentierte Büttiker, der für eine liberale Wirtschaftspolitik eintrat, «denn gute Wirtschaftspolitik ist automatisch gute Sozialpolitik und Garant für Wohlstand». Eruimy plädierte in dieser Angelegenheit für einen Perspektivenwechsel: Man habe bislang immer die Lage der Bedürftigen betrachtet, nun gelte es auf die Leute zu achten, "die gemolken werden".
Interessant waren die Auslührungen der vier Kandidierenden in Sachen Wirtschaftspolitik. Es zeigte sich, dass gegen Fusionen von Unternehmen kaum ein politisches Kraut gewachsen ist. Rolf Büttiker führte an, dass es Sachzwänge (Globalisierung, Europäisierung) gäbe, die Fusionen unumgänglich machten. Dennoch sei längst nicht jede Fusion sinnvoll und zudem hätten Unternehmer ihre soziale Verantwortung wahrzunehmen. Anna Mannhart ergänzte, dass bei Kenntnis von anstehen den Fusionen bereits vorgängig die Folgen abgefedert werden müssten, um Ar beitslosigkeit möglichst zu verhindern. «Es ist eine Frage des Anstandes, wenn Unternehmer ihre soziale Verantwortung wahrnehmen», meinte Patrick Eruimy, «die Politk muss sich aber aus wirtschaftlichen Entscheiden raushalten. Ich will nicht den Stab über Fusionen brechen.» Auch Ernst Leuenberger stellte fest, dass Politiker die Wirtschaft kaum beeinflussen können, sah aber auf europäischer Ebene durchaus noch Möglichkeiten, Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu schaffen. "Wir müssen den Leuten aber auch ehrlich sagen, dass mit dem negativen EWR-Entscheid 7 bis 10 Prozent Wirtschaftswachstum und Hunderte Stellen geopfert wurden.»
Die Diskussion im "Aarhof" wurde sehr sachlich geführt. Dass man das Thema Asylpolitik angeregt debattieren kann, bewiesen die vier Kandidaten bestens. Manchmal wären jedoch exakter umrissene Positionen wünschbar gewesen, womit sich Kandidierenden klarer profiliert hätten.

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