Basler Zeitung vom 28. August 1999
Nun lächeln sie wieder, die Kandidaten
Viel wird davon abhängen, ob die Schwarzbuben nicht stur eigene Listen, sondern eigene Kandidaten wählen werden.
Das Schwarzbubenland darf sich freuen: Gleich elf Politikerinnen und Politiker wollen nach Bern. Ein solches Gerangel um einen der sieben Solothurner Nationalratssitze hat es in der Amtei ennet dem Passwang noch nie geben. Die SVP, die gemessen an ihrer Vertretung in kommunalen Kommissionen und Räten ein tristes Mauerblümchen-Dasein fristet, schickt gleich ein Quartett in den Wahkampf. Die CVP setzt auf ein Triopack auf drei verschiedenen Listen. Die Kantonalpartei wird von Vertretern des Gewerbes und der Wirtschaft sowie Jungpolitikern ergänzt. Je einen regionalen Kandidaten schicken FdP, Jungliberale, SP und Grüne ins Rennen. Fabelzeiten dürfte aber keiner der elf erreichen. Dafür ist der Par-cours für einen Sitz in Bern zu anspruchsvoll. Selbst Überholmanöver auf der eigenen Liste werden für die Schwarzbuben zu riskanten Manövern. Mit einem Wohnsitz im Schwarzbubenland ist keine Wildcard zu gewinnen. Wer nach der Poleposition schielt, sollte vernünftigerweise im Mittelland leben und nicht in der Nordwestschweiz.
Spätestens seit der emotional geführten Spitaldebatte ist der Goodwill, den das Schwarzbubenland bis jetzt als Randregion genossen hat, aufgebraucht. Für viele Solothurner gelten die Schwarzbuben seitdem als notorische Nörgeler, die auf spezielle Rechte pochen und stets die Fahne des Separatismus in den Wind stellen, wenn aus dem Solothurner Rathaus der lineare Rotstift gezogen wird. Und weil sich im Kanton Solothurn jede Region am Rand wähnt, wird vorzugsweise nicht der am weitesten entfernte Politiker auf den Schild gehoben, sondern derjenige aus der Nachbarschaft. So weiss man, was man hat und riskiert keine unliebsamen Überraschungen. Gegen die Stimmenpotenz der drei Agglomerationen Grenchen, Solothurn und Olten wird auch bei den Nationalratswahlen vom 24. Oktober kein Kraut gewachsen sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass auch in den nächsten vier Jahren kein Schwarzbube Nationalrat sein wird, ist deshalb gross. Bei lediglich einem Rücktritt - Ruth Grossenbacher von der CVP - gibt es ohnehin keinen Grund, auf ein politisches Erdbeben zu hoffen. Mag sein, dass alt Nationalrat Ernst Leuenberger ins Stöckli gewählt werden wird, weil erstens die CVP den Sitz von Rosmarie Simmen nicht halten kann oder zweitens der Freisinnige Rolf Büttiker über seine Junggesellenzeit als Freier stolpert. Hoffnungen machen können sich die elf Schwarzbuben deshalb nicht.
Der Freisinnige Patrik Senn, von Beruf Nutzfahrzeugverkäufer, ist Jahrgang 1962 und damit Benjamin auf seiner Liste. Da mit Rudolf Steiner und Peter Kofmel zwei Bisherige zur Wiederwahl antreten, dürfte die Dornecker Bewerbung primär der Mobilisierung eigener Wähler im Schwarzbubenland dienen und nicht zu berechtigten Hoffnungen Anlass geben.
Wasserträger sind auch die Jungliberalen und die Junge CVP, die den arrivierten Politikern beim Zimmern ihres Sitzes behilflich sein sollen. Sympathischerweise haben aber gerade die Jungen wie der Jungliberale Daniel Helfenfinger aus Zullwil sowie André Müller aus Nuglar von der Jungen CVP in letzter Zeit Akzente gesetzt und sich profiliert. Müller, der sich gerne mit politischer Prominenz auf Zelluoid verewigen lässt, sei es mit alt EDA-Chef Flavio Cotti oder mit EJPD-Vorsteherin Ruth Metzler, rückt sich eben gerne in passender Begleitung ins rechte Licht. Müller hat es aber auch verstanden, seine Partei im Dorneck neu zu mobilisieren. Gleiches gilt auch für Daniel Helfenfinger im Thierstein, der den Jungliberalen wieder ein politisches Gesicht verpasst hat. Der 26-jährige Student kümmert sich neu um die Wohnlichkeit im eigenen Bezirk und kämpft gegen Basler Fluglärm.
Ebenfalls auf die Karte Jugend setzt die CVP mit Deborah Fischer-Ahr aus Flüh. Die 37-jährige Familienfrau und Sozialpädagogin versucht die Lücke, die durch den Rücktritt von Ruth Grossenbacher (der Königsmacherin von Ruth Metzler) entstanden ist, zu füllen. Ähnliche Absichten verfolgen aber auch fünf Mitkonkurrentinnen auf den drei verschiedenen CVP-Listen. Ein beschwerliches, wenn nicht aussichtsloses Unterfangen.
Ähnlich düstere Wahlchancen geben die Auguren der in Metzerlen wohnhaften Grünen Liane Schär-Spohn. Wenn denn schon ein grüner Sitz resultieren sollte, dann sicher nicht im hintersten Zipfel des solothurnischen Leimentals. Einen Funken mehr Hoffnung haben kann da schon SP-Frau Rosmarie Eichenberger. Die 48-jährige Landschaftsarchitektin verfügt als Kantonsrätin über einen ganz anderen politischen Rucksack und hat sich auch parteiintern einen Namen gemacht. Die SP liegt gesamtschweizerisch im Trend. Mit Gerlafingens Gemeindepräsident Roberto Zanetti sowie dem Bisherigen Boris Banga wird aber auch bei einer allfälligen Ständeratswahl von Ernst Leuenberger die Wahl nicht automatisch auf Eichenberger fallen.
Bleibt also noch der Breitenbacher CVP-Kantonsrat Rolf Grütter, der die Schwarzbuben-Absenz in der Grossen Kammer beenden könnte. Der 47-jährige Vollblutpolitiker hat zweifellos das Format zu einem Nationalrat. Grütters Vorteile sind aber auch seine Nachteile. Der impulsive Politiker neigt weniger zur gedeihlichen Pflege einer kontinuierlichen Politkarriere, sondern betätigt sich regelmässig als Elefant im Porzellanladen. Seine impulsive und temperamentvolle Art des Disputs hat ihm parteiübergreifend nicht nur Freunde geschaffen. Sein Vorstoss, die beiden Bezirke Dorneck und Thierstein per Motion in einen Kanton Nordwestschweiz zu entlassen, ist politischer Sprengstoff. Weil Grütter aber nicht Grütter wäre, wenn er auch in diesem Fall nicht auf volles Risiko setzen würde, ist ihm noch am ehesten ein Überraschungscoup zuzumuten - und zu wünschen. Viel wird aber auch davon abhängen, ob die Schwarzbuben nicht stur eigene Listen, sondern eigene Kandidaten wählen werden. Ohne eine regionale Hausmacht sind auch im Kanton Solothurn keine Wahlen zu gewinnen.
Die letzte Nationalratswahl in diesem Jahrtausend wird aber letztlich auch zu einem Prüfstand in den Beziehungen zum angestammten Kanton. Lassen die Solothurner die Schwarzbuben erneut liegen - Peter Hänggi war Anfang der 90er Jahre der letzte Schwarzbube im Nationalrat -, werden die bereits dünnen Bande in die Ambassadorenstadt noch brüchiger. Es dürfte noch eifriger als bis anhin am Gerüst eines Kantons Nordwestschweiz gebaut werden. Und die Exklusivität, die Rolf Grütter in dieser Frage gegenwärtig besitzt, wird Makulatur. Gut möglich, dass die Schwarzbuben dann nicht mehr um den heissen Brei herumreden, sondern Taten folgen lassen und den Passwang hinter sich lassen.
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