Blick vom 1. Oktober 1999

«Aschi» ist das Trumpf-Ass der SP

VON FREDY GASSER SOLOTHURN

Zwei Fragen prägen den Wahlkampf: Schaden FdP-Ständerat Rolf Büttiker seine Besuche in Berner Bordellen? Holt Ernst Leuenberger für die SP den Ständerats-Sitz zurück, den sie vor zwölf Jahren verloren hat?

August 1999. Im politischen Gebälk des Kantons Solothurn kracht es gewaltig: Die Berner Ex-Prostituierte Rita Dolder enthüllt in einem umstrittenen Buch, dass auch Rolf Büttiker (49) sich bei ihr verlustiert hat. Der FdP-Standesherr steht öffentlich zu dieser Triebabfuhr. Viele glaubten, eine bis anhin makellose politische Karriere sei damit beendet. Doch das Gegenteil trat ein: Der Wirtschaftsförderer der Region Olten-Gösgen-Gäu wurde von einer Welle der Sympathie überschwemmt. Dank seinem Mut zum öffentlichen Bekenntnis geniesst er nun einen Bonus, von dem andere Politiker nicht einmal zu träumen wagen.
Die Nase über die Milieu-Enthüllungen rümpften allerdings die Christlichdemokraten. Sie hatten lange damit geliebäugelt, ihre wenig bekannte Ständerats-Kandidatin Anna Mannhart (56) gemeinsam mit dem Routinier Büttiker aufs Ticket zu setzen. Nach dessen «Beichte» verzichteten sie aber degoutiert auf den Plan eines Listenverbundes. Damit allerdings setzt die CVP sich selber noch mehr unter Druck als sie es ohnehin schon ist. Denn als einzige der grossen Parteien muss sie ohne ihre bisherigen Aushängeschilder in den Ring steigen: Nationalrätin Ruth Grossenbacher (62) und Ständerätin Rosemarie Simmen (61) treten nicht mehr an. Die CVP steht also vor der schwierigen Aufgabe, ihre zwei Sitze mit Neuen abzusichern. Das ist keine komfortable Ausgangslage. Kommt hinzu, dass die Gegner personell gut gerüstet sind. Die FdP mit Rolf Büttiker _ und die SP mit Nationalrat Ernst «Aschi» Leuenberger (54), dem Trumpf-Ass der Genossen im Ringen um die Ständeratsmandate.
Der gewerkschaftliche Haudegen, Präsident des Schweizerischen Eisenbahn- und Verkehrspersonal-Verbandes, ist gleichzeitig auch Zugpferd auf der SP-Liste für den Nationalrat. Niemand zweifelt daran, dass er auf beiden Geleisen schwungvoll vorwärtsdampfen wird. Dank dieser politischen Saftwurzel erscheinen die ambitiösen Ziele der SP als nicht unrealistisch: Einen dritten Sitz im Nationalrat holen und das Ständeratsmandat zurückerobern, welches vor zwölf Jahren an die CVP verloren wurde. Die Freiheits-Partei und der wild kandidierende Marcel W. Wyss (siehe unten) werden im Kampf der Grossen um die künftige Abordnung für die Ständekammer nur eine Aussenseiterrolle spielen. Die auch im Kanton Solothurn nur noch auf dem Pannenstreifen dahinstotternde FPS schickt den früheren Kantonsrat Patrick Eruimy (37) ins Rennen.
Gezerre auch um die sieben Nationalratssitze: Als ernsthafter Konkurrent mischt erstmals die SVP mit. Zwar ist sie im Solothurnischen erst seit 1991 aktiv. Bei den letzten kantonalen Wahlen 1997 hat die Partei aber bewiesen, dass sie das traditionelle Machtgefüge von FdP, SP und CVP empfindlich stören kann. Und mit Nationalrat Roland Borer (48) portiert sie einen Bisherigen _ von der FPS übergelaufen wie Ulrich Giezendanner im Aargau. Die SVP schielt nach jenem Sitz, der in den letzten Jahren zwischen den Parteien herumgereicht wurde. Zuvor war alles klar geregelt: drei Mandate für die FdP, jeweils zwei für SP und CVP. Doch 1991 verloren die Freisinnigen einen Sitz an die Freiheits-Partei, und die SP musste einen den Grünen
überlassen. Vier Jahre später sicherte die SP sich wieder ihren früheren Besitzstand, hingegen schickte die FPS weiterhin Borer nach Bern. Eine Rückkehr zur einstigen «Zauberformel» 3-2-2 ist auch 1999 unwahrscheinlich. Immerhin ringen 60 Männer und 26 Frauen auf insgesamt 13 Listen um die Gunst des Souveräns.

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