Solothurner Zeitung vom 23.9.99

Mehr als nur Nuancen auseinander

Podiumsdiskussion mit dem Ständeratskandidaten Leuenberger, Büttiker und Mannhart

Die drei Ständeratskandidaten Rolf Büttiker (FdP, bisher), Ernst Leuenberger (SP) und Anna Mannhart (CVP) stellten sich an einem Wahlpodium in Solothurn der Öffentlichkeit. Gegensätzliche Positionen zeigten sich vor allem in der Sozialpolitik.

ANDREAS TOGGWEILER

Podiumsleiter Andreas Netzle, Chefredaktor der «Solothurner Zeitung» und des «Grenchner Tagblatts» leitete die Diskussion mit einem Thema ein, das zurzeit in aller Munde ist: Was halten die Kandidaten und die Kandidatin von der Expo.01? - Für einen Abbruch der Expo mochte niemand plädieren, im Gegenteil. «Man hat mit Jacqueline Fendt ein Opfer gefunden und hat jetzt festgestellt, dass es trotzdem nicht geht», stellte Anna Mannhart fest. Die Expo müsse auf alle Fälle durchgeführt werden, da schon bedeutende Vorleistungen erbracht seien. Allenfalls müsse das Vorhaben redimensioniert werden, bevor weitere Gelder gesprochen werden.

Politik: "Hände weg"
Auch Rolf Büttiker plädierte für ein Durchziehen der Expo, allerdings ohne weitere staatliche Unterstützung. Wichtig sei, dass die Politik sich aus der Expo heraushalte. «Das käme nicht gut.» Würde die Expo abgeblasen, würde dies einen massiven Imageschaden der Schweiz bedeuten, meinte Büttiker.
Ernst Leuenberger richtete den Fokus auf die innenpolitischen Auswirkungen. «Die Romands würden sich einmal mehr übergangen fühlen», befürchtete er. Deshalb würde er für die Rettung der Expo auch mehr Bundesgelder investieren. Im Übrigen hätten vor der Landi 39 oder der Expo 64 die genau gleichen Diskussionen stattgefunden. "Danach waren aber alle zufrieden."
Im weiteren Verlauf des Abends diskutierten die Kandidaten über ihre Rolle als solothurnische Standesvertreter, über Sozial- und Finanzpolitik, über die flankierenden Massnahmen sowie über Asyl- und Ausländerfragen.
So möchte sich Anna Mannhart im «Stöckli» weiterhin in der Familien-, Gesundheits- und Sozialpolitik engagieren. Die intensive Kommissionsarbeit im Ständerat werde ihr liegen, betonte die Präsidentin der entsprechenden Fachkommission der CVP Schweiz. Im Weiteren beabsichtige sie sich für die KMU einzusetzen.
«Viele geben an, sich dafür einzusetzen, wenn es um konkrete Taten geht, ist nichts mehr zu sehen», entgegnete Rolf Büttiker, der sich als ehemaliger Präsident der ständerätlichen Kommission Wirtschaft und Abgaben weiterhin der Wirtschaftsförderung verpflichtet sieht und auf eine Reihe von eigenen Bemühungen für die Wirtschaft verwies. Ein weiteres Anliegen von ihm sind Reformen bei Justiz, Parlament und Volksrechten.

«Meine Themen waren Sozialpolitik und Verkehrsfragen", erläuterte der Eisenbahngewerkschafter und bisherige Nationalrat Ernst Leuenberger. Als Präsident der Finanzkommission habe er zudem einen guten Einblick in alle
anderen Bereiche erhalten. Auf die Frage des Podiumsleiters, warum bisher noch kein Ständeratswahlkampf über Sachfragen geführt werde, meinte Leuenberger: «Wir werden gewählt, um gemeinsam Lösungen zu finden, nicht um Differenzen aufrecht zu erhalten.» - Was natürlich sofort das Thema Referendumsdrohungen der Gewerkschaften gegen die flankierenden Massnahmen aufs Tapet brachte. Jedenfalls liess sich Leuenberger von
Mannhart nicht zu einer Stellungnahme bewegen, ob er es wirklich verantworten könne, gegen die «Bilateralen» auf die Barrikaden zu steigen.

«Ängste ernst nehmen»
Leuenberger verwies dagegen auf die seines Erachtens grossen und ernst zunehmenden Ängste des Volkes vor dem Lohndumping. «Daran ist der EWR gescheitert und diese Ängste können wir nur mit griffigen flankierenden Massnahmen entkräften", betonte er. Die SP setzt sich für eine Senkung der Schwelle bei den Allgemeinverbindlichkeits-Erklärung von Gesamtarbeitsverträgen ein. «Das Referendum wird ja so oder so von rechtsaussen ergriffen», warf Büttiker ein, «dann gehen wir halt nochmals vors Volk und erklären, warum wir die bilateralen Verträge brauchen.» Massnahmen gegen das Lohndumping seien zwar richtig, aber die SP schiesse übers Ziel hinaus. Im Ausland würden ja schon strengere Regelungen bestehen als in der Schweiz.

Polstergruppe oder Netz?
Eine weitere Themenrunde war nach entsprechenden Fragen aus dem Publikum der Sozialpolitik gewidmet und der daraus resultierenden Belastung der Bundeskasse bzw. des Steuerzahlers.

Die Meinung der bürgerlichen Vertreter differierte hier klar von derjenigen Leuenbergers. «Wir sind der Meinung das soziale Netz sei zurzeit genügend. Wir brauchen keine soziale Polstergruppe», meinte Mannhart und plädierte beispielsweise für kostenneutrale Anpassungen zu Gunsten der unteren Einkommen bei der AHV. Rolf Büttiker zählte eine Liste mit weiteren Begehrlichkeiten zum Sozialausbau auf. Sein Fazit: «Absolut unrealistisch: Allein das Szenario Halten kostet uns vier MWSt-Prozente. Deshalb unsere Initiative für einen Steuerstopp».
Für Leuenberger hat das Loch in den Sozialwerken jedoch auch mit dem fehlenden Wirtschaftswachstum nach der Ablehnung des EWR-Vertrags und der seiner Meinung nach missratenen Geldpolitik der Nationalbank zu tun. Da konnte Mannhart nicht umhin, auch noch auf die Familienförderung zu pochen: «Unsere Kinder werden unsere AHV zahlen,»
Im letzten Themenblock zur Asylpolitik plädierte Rolf Büttiker für eine forcierte Ausschaffung der Kosovo-Flüchtlinge, während Mannhart auf die praktischen Probleme hinwies, die nicht zuletzt auf das Abseitsstehen der Schweiz in Europa zurückzuführen seien. Leuenberger sieht hingegen in einer verfehlten Einwanderungspolitik der 80er-Jahre gegenüber Arbeitskräften aus Ex-Jugoslawien die eigentliche Ursache des Problems. "Wer Tausende von Arbeitskräften ins Land holt, soll sich nicht wundern, wenn deren Familien im Kriegsfall zu uns kommen."

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