
Ständerat: Wintersession 1999
Votum zum Eintreten
auf die Beratung des Bundespersonalgesetzes
Fünfte Sitzung- Montag, 13. Dezember 1999
Leuenberger Ernst (S, SO): Ich entschuldige mich dafür, bereits
in der zweiten Woche das Wort zu ergreifen, ich hätte es lieber vermieden.
Ich habe sodann Interessen zu deklarieren: Ich bin Präsident der Gewerkschaft
SEV, des Schweizerischen Eisenbahn- und Verkehrspersonal-Verbandes,
der u. a. rund 75 Prozent des SBB-Personals organisiert. Der Übergang
vom Beamtengesetz zum Bundespersonalgesetz, das ist von der Kommissionspräsidentin
vortrefflich dargestellt worden, ist im Wesentlichen eine Folge der
grossen PTT- und Bahnreformen. Es könnte nützlich sein, sich ganz knapp
in Erinnerung zu rufen, was damals an Zusagen, Versprechungen und Perspektiven
eröffnet worden war. Dem Swisscom-Personal hatte man damals gesagt,
das privatrechtliche Anstellungsverhältnis sei für diese Wachstumsbranche
weitaus das Beste. Ich kann Ihnen hier heute nur gestehen, dass auch
bei diesem Personal inzwischen eine enorme Ernüchterung eingetreten
ist. Dem Postpersonal hat man gesagt, es bleibe öffentlich-rechtlich
angestellt. Wenn Sie sich vielleicht die Mühe nehmen, einmal Artikel
15 des Postorganisationsgesetzes zu konsultieren, stellen Sie fest,
dass man im Jahre 1997 in dieses Gesetz noch hineingeschrieben hat:
"Die Dienstverhältnisse des Personals der Post unterstehen der Gesetzgebung
über das Bundespersonal." Von GAV war da noch keine Rede, weil man 1997
davon ausging, es bleibe für das Postpersonal alles so, wie es einmal
gewesen sei. Die damalige Ausgangslage beim Swisscom- und Postpersonal
hatte ja für den ganzen Rat eine sehr positive Auswirkung, indem nämlich
die Organisationen dieses Personals das Referendum gegen das Telekommunikationsgesetz
- gegen das Telefonprivatisierungsgesetz, wie es auch etwa genannt worden
ist - nicht unterstützt haben und damit die Volksabstimmung nicht stattfinden
musste. Ich wage keine Prognose darüber, wie sich das Schweizervolk
zu dieser Frage geäussert hätte. Das SBB-Personal, das sich ein Jahr
später "revidieren" oder "reformieren" liess, hat dann im SBB-Gesetz
bereits die Formulierungen vorgefunden: "Unterstellung unter das Bundespersonalgesetz",
"Detailregelung in einem Gesamtarbeitsvertrag". Innerhalb eines Jahres
haben sich also die personalrechtlichen Vorstellungen - auch der gesetzgebenden
Behörden - recht intensiv verändert; so oder so ist das Versprechen
gegeben worden. Ich danke dem Bundesrat und insbesondere der vorberatenden
Kommission, dass sie keine Anträge stellen, das SBB-Personal oder das
Postpersonal aus dem Bundespersonalgesetz herauszulösen. Der Bund als
grösster Arbeitgeber des Landes hat eine grosse Bedeutung. Es ist -
wie bereits ausgeführt worden ist - wahr, dass die Arbeitsbedingungen
beim Bund eine Signalwirkung für die Wirtschaft haben, im symbolischen
Sinn auch eine Signalwirkung für die ganze Gesellschaft; nach schweizerischer
Auffassung haben die Bundesarbeitsbedingungen und die Art und Weise
des Verhandelns und Umgehens der Sozialpartner auf Bundesebene untereinander
weitgehende Signalwirkung und galten in den letzten achtzig Jahren als
Garant für soziale Verständigung, für sozialen Ausgleich und mithin
auch für sozialen Frieden; einige haben von Leuchtturmfunktion gesprochen.
Ich könnte vielleicht beifügen, dass der Arbeitskampf zwischen den Organisationen
des Bundespersonals und den Bundesarbeitgebern in den letzten achtzig
Jahren ausschliesslich am Verhandlungstisch stattgefunden hat. Die Organisationen
des Bundespersonals, die ich näher kenne, haben die Absicht, es weiter
dabei bleiben zu lassen. In dieser Situation komme ich nicht umhin,
hier festzuhalten, dass es für viele Angehörige des Bundespersonals
eine fast beschönigende Umschreibung dessen ist, was sie in ihrer alltäglichen
Praxis an ihrem Arbeitsplatz derzeit erleben, wenn von raschem Wandel
gesprochen wird. Einige haben das Gefühl, das Tempo sei horrend; andere
haben das Gefühl, das nackte Chaos sei ausgebrochen. Ohne mich diesen
Qualifikationen anschliessen zu wollen - ich gebe einfach Eindrücke
wieder, die an mich herangetragen worden sind -, will ich Ihnen nicht
verschweigen: Über diesem Gesetzeswerk, welches wir jetzt beraten, baumelt
das Damoklesschwert der Referendumsdrohungen, namentlich aus Personalkreisen
in der Westschweiz. Ich habe mich - ob mir das als Verantwortlicher
einer Gewerkschaft passt oder nicht - damit abzufinden, dass in einigen
Kantonen die Referendumskomitees bereits am Werk sind. Sie könnten es
sich leicht machen. Sie könnten sich sagen - ich spüre das aus Ihren
Voten heraus -: So sollen sie doch einmal handeln, wir wollen dann sehen,
wie die Abstimmung ausfällt. Man geht im Allgemeinen ja davon aus, ein
Abstimmungskampf über den Beamtenstatus gehe eindeutig aus. Täuschen
wir uns nicht! Ich habe mein Votum mit einem Hinweis auf die Reform
der PTT und der SBB begonnen. Inzwischen ist für breite Kreise der Bevölkerung
das Tempo der Reform der Betriebe des Service public so hoch und zum
Teil so gewagt, dass ich mir sehr gut vorstellen kann, dass wir schlussendlich
eine Volksabstimmung über den Service public in der Schweiz zu bestehen
haben könnten, wenn wir uns nicht mit grösster Vorsicht und grösstem
Vorbedacht an diese Gesetzesrevision machen. Denken Sie daran, wie breite
Kreise der Bevölkerung darauf reagieren, wenn man ihnen mitteilt, dass
Stationen und Postfilialen geschlossen, Dienstleistungen nicht mehr
erbracht und erhebliche Tarifanpassungen ins Auge gefasst werden! Mit
ein bisschen Phantasie können Sie sich vorstellen, in welche Konfliktsituation
wir da hineingeraten könnten. Ich will auch der Hoffnung Ausdruck geben,
dass der Bund nicht die Absicht hat, dieses Gesetz gegen sein Personal
durchzusetzen. Ich habe Grund zur Annahme, dass Herr Bundesrat Villiger
nicht auf dieser Linie ist. Ich habe bei den Vorbereitungsarbeiten zu
diesem Gesetzentwurf des Bundesrates vielmehr den Willen von Herrn Bundesrat
Villiger persönlich gespürt, wo immer möglich auf Verständigungslösungen
mit den Organisationen des Bundespersonals hinzuarbeiten. Ich möchte
deshalb nicht, dass wir uns bei einerpraktisch mutwillig herbeigeführten
Referendumsabstimmung plötzlich in der Situation wiederfinden, dass
der Bund gegen sein Personal antreten muss. In der Sorge darum trete
ich auf diesen Gesetzentwurf ein. Ich hoffe als Solothurner, der etwa
3500 Bundesbedienstete in seiner Gemarkung kennt, dass wir mit diesem
Bundespersonalgesetz zu einer guten Lösung kommen. Selbstverständlich
behalte ich mir das letzte Wort noch vor.
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