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![]() Ständerat: Wintersession 2000; 29.11.00 Umsatzabgabe. Dringliche Massnahmen Ganze Dabatte zu diesem Geschäft Leuenberger Ernst (S, SO): Als kleine einsame Minderheit erlaube ich mir, aus grundsätzlichen Erwägungen, Nichteintreten zu beantragen. Mein Nein ist ein Grundsatznein und ich beginne damit, dass ich Ihnen sage, es gibt nichts Neues unter dieser Stempelsteuersonne. Alle paar Jahre wieder treffen wir uns mit den gleichen Argumenten und Gegenargumenten in parlamentarischen Gremien. Ausgangspunkt ist immer der Finanzplatz, der uns darauf hinweist, dass er gezwungen ist, gewisse Geschäfte ins Ausland zu verlagern, wenn man nicht Entlastung bringt. Das bewegt dann jeweils parlamentarische Mehrheiten dazu, zu sagen: Wir müssen sofort entlasten, am besten auf dem Dringlichkeitsweg. Die Gegenseite argumentiert immer - auch heute - und sagt: Wir sehen ja ein, dass diese Steuer offenbar nicht mehr zeitgemäss und auch nicht ganz zweckmässig ist, aber bitte lieber Finanzplatz der du nicht am Hungertuch nagst, mach uns doch Kompensationsvorschläge, damit unsere Bundeskasse nicht noch mehr als leer wird. Das ist alle paar Jahre wieder die Auseinandersetzung die wir führen. Ich bitte schon jetzt darum: Erklären Sie mir nicht morgenfüllend, dass diese Stempelsteuer überholt ist und erklären Sie mir die Wettbewerbssituation nicht. Ich habe sie begriffen, Frau Spoerry sei Dank, die mir das vor sechs oder sieben Jahren am Fernsehen erklärt hat und ich bin ein gelehriger Schüler, wenn die parlamentarischen Kolleginnen mit etwas erklären. Aber bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir endlich, nach so langen Jahren Stempelsteuerdiskussion, finanzpolitischer Diskussion, dazu finden müssten und dem Finanzplatz sagen: "Finanzplatz, wir brauchen Kompensation." Wer gestern morgen um 11.00 Uhr dieses "factsheet" - wie es in der modernen Finanzdepartementssprache heisst - gelesen hat, hat begriffen, dass wir sehr aufpassen müssen, was wir finanzpolitisch jetzt anstellen. Ich habe hier zwischen den Zeilen etwas herausgelesen, dass der Spielraum für Steuerentlastungen relativ gering geworden ist. So jedenfalls habe ich das begriffen, aber vielleicht habe ich da etwas noch nicht ganz begriffen und brauche dann noch Nachhilfeunterricht. Es gibt drei Punkte, die wir bei dieser bundesrätlichen Vorlage zu bedenken haben und ich beziehe mich auf diese, die ja hier in diesem Rat doch wieder aufgenommen wird. Wir haben den finanzpolitischen Aspekt zu bedenken, das ist kurz abgehandelt: Wir können es uns nicht leisten, dieser Bundeskasse jetzt grössere Steuerausfälle zuzumuten. Wenn wir aus Sachzwanggründen Umlagerungen vornehmen müssen, braucht es Kompensation und aus Gründen der Steuergerechtigkeit - worin auch das Element der sozialen Gerechtigkeit eingeschlossen ist - kann diese Kompensation grosso modo nur aus dem Kreise jener kommen, die vorher eine Entlastung erfahren haben. Das ist so klar wie die Sonne. Ich würde beifügen und meine das etwas traurig und nicht polemisch: Nachdem wir vorhin hier beschlossen haben, wir könnten diese AHV-Finanzumverlagerung nicht vornehmen, ist es ein bisschen schwer erträglich, wenn wir jetzt vis-à-vis dem Finanzplatz grosszügiger sind als wir es eigentlich sein müssten. Der ernsthafteste Einwand, finde ich, ist neben dem finanzpolitischen derjenige wegen der Dringlichkeit. Ich war, ich bin, und ich bleibe der Meinung, Dringlichkeitsrecht ist vorgesehen für jene Fälle, in denen diesem Land Gefahr droht. Wir dürfen nicht relativ geringfügige Geschichten, die gewiss ernsthafte Gründe im Hintergrund haben, in diesem Land über Dringlichkeitsrecht regeln. Das könnte dazu führen, dass wir im Land eine Stimmung entstehen lassen, wir seien nun in der Phase der - wie ich dem zu sagen pflege - Brüningschen Notverordnung, und Sie wissen aus der Geschichte, dass das 1932 war, kurz vor dem Beginn der Katastrophe. Ich entschuldige mich für diesen Vergleich, er hinkt auf allen Beinen, aber Notrecht, Dringlichkeitsrecht ist jenen sehr wenigen Fällen vorzubehalten, in denen wirklich grosse Not, grosse Gefahr vom Land abzuwenden ist, und in der Steuer- und Finanzpolitik ist diese grosse Not Gott sei Dank - dank dem Finanzminister und seiner klugen Finanzpolitik - noch nicht am Mann. Also die Dringlichkeit geht sowieso nicht. Man hat dann in der Kommission die Frage diskutiert - ich bedaure, dass man das nicht bis zum Schluss diskutiert hat -, ob es in der bundesrätlichen Vorlage allenfalls Elemente gebe, bei denen die Dringlichkeit selbst dem skeptischsten "Antidringlichkeitsmenschen" einleuchten müsse, und einige Kommissionsmitglieder sind zum Schluss gekommen - es lagen auch Anträge vor -, dass bei diesem Artikel 19 Absatz 3 der bundesrätlichen Vorlage und dem, was dahinter steht, das Gebot der Dringlichkeit eigentlich gegeben sei. Das würde etwa 50 Millionen Franken an Steuerausfällen kosten. Aber, so ist von Leuten, die etwas von der Sache verstehen, argumentiert worden, in den übrigen Fällen sei eigentlich die Dringlichkeit nicht gegeben und nicht erforderlich. Da hätte der ordentlich Gesetzgebungsweg durchaus genügt. Diese Fragen wurden dann in der Kommission nicht ausgemehrt, weil sie von anderen klugen Vorschlägen überlagert wurden, die dann zu Mehrheitsanträgen der Kommission wurden und die mindestens unter finanzpolitischen Aspekten meinen Erwägungen ein klein wenig entgegenkommen, indem die Steuerausfälle dadurch geringer sind, als sie es gemäss der ursprünglichen bundesrätlichen Vorlage waren. Aber ich sage Ihnen noch einmal, dass die Dringlichkeit eigentlich fast das wichtigste Argument gegen diese Vorlage ist. Wir müssen sehr aufpassen, dass wir nicht plötzlich, im Stil der Achtzigerjahrebewegung zum "Subito-Handeln" Zuflucht nehmen und dann immer alles subito haben sollten. Ich werde mit zunehmenden Lebensjahren auch ungeduldiger, das wird so sein müssen, aber wir müssen uns davor hüten, so ungeduldig zu werden, dass wir immer schon alles gestern geregelt haben wollen. Wir müssten uns eigentlich als Politikerinnen und Politiker angewöhnen, - und da werde ich sehr boshaft -, dass wir jenen Kreisen, die steuerliche Entlastungen wollen, dann auch klar sagen, was das Eidgenössische Finanzdepartement hier gestern gesagt hat. Wir müssten ihnen sagen, das gilt ganz speziell für den Finanzplatz, dass sie Steuerumschichtungen haben können, aber keine Gratisentlastungen. Ich habe den Verdacht, dass aus politischen Kreisen bereits sehr früh, als in Bankenkreisen noch eine gewisse Neigung bestanden hat, mit Kompensationen zu arbeiten, Signale gesendet worden sind, dass sie sich den Kopf nicht über Kompensationen zerbrechen müssten, da sie die Geschichte politisch gratis haben könnten. Das ist etwas, was mich ungemein beschäftigt. Wenn der Jargon der Dreissigerjahre noch erlaubt wäre - er ist inzwischen nicht mehr erlaubt -, würde ich jetzt ein Kapitel aus der Broschüre "Der Patriotismus der Besitzenden" des uralten Aargauers Arthur Schmid von 1919 anfügen. Aber lassen wir dieses Kapitel. Ich bitte Sie, auf diese Vorlage nicht einzutreten. Herrn Bundesrat Villiger möchte ich sagen, dass ich mit meinem sturen Nichteintretensantrag sein Papier von gestern etwas "einmitte". Dafür müssten Sie mir eigentlich dankbar sein. |
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