Ständerat: Sommersession, 17. Juni 2003

Steuerpaket 2001

Ernst Leuenberger (S, SO): Wir haben heute in diesem Haus das zweitletzte Mal Gelegenheit, zu diesem Steuerpaket Stellung zu nehmen. Definitiv - sollte es heute diesen Tag überleben - wird dann am 20. Juni die Schlussabstimmung hier in diesem Hause sein. Herr Lauri hat finanzpolitisch argumentiert. Ich schliesse mich seinen Argumenten voll an. Die Kantone Bern und Solothurn haben recht vergleichbare und ähnliche Situationen. Das hat ja dazu geführt, dass nicht nur diese beiden Kantone, sondern eine Reihe von weiteren Kantonen und - wenn ich das richtig gelesen habe - auch die gesamte Finanzdirektorenkonferenz uns empfohlen hat, dieses Steuerpaket so jetzt nicht zu verabschieden.
Ich habe den Äusserungen von Herrn Lauri nichts Neues, Originelles beizufügen, es sei denn, einige Fragen zu stellen, ob wir uns hier mit diesem Paket und seinem weiteren Verlauf nicht in einen Konflikt von Institutionen begeben, den wir meines Erachtens vermeiden müssen. Sprechen wir es offen aus: Es gibt die Haltungen der Kantone, die im Ständerat ein gewisses Gewicht haben sollen, haben müssen. Es gibt die Haltungen der politischen Parteien, denen wir allesamt angehören und verbunden sind, und die Haltungen dieser politischen Parteien gehen in eine andere Richtung als die Empfehlungen und Haltungen der Kantone. Das ist ein recht schwieriger Konflikt, und einigen von uns, auch sehr ernst zu nehmenden Persönlichkeiten in diesem Rat, macht dieser Konflikt ungemein zu schaffen. Das ändert nichts daran, dass wir diesen Konflikt durchstehen müssen.
Was mich beschäftigt, ist die Geschichte mit dem Kantonsreferendum. Ich gebe zu: An dieser Einigungskonferenz, die inhaltlich keine Einigungskonferenz war - eine vorher gebildete Mehrheit hat sich Punkt für Punkt, von A bis Z durchgesetzt; das ist in einer Demokratie immer legitim, aber in einer Einigungskonferenz nicht sehr zweckmässig und entspricht eigentlich schweizerischem Suchen nach der mittleren Mitte in keiner Art und Weise -, habe ich etwas verzweifelt die Verfassung zur Hand genommen, mich nach den Möglichkeiten eines Referendums gefragt und mir dabei auch das Kantonsreferendum wieder in Erinnerung gerufen. Ich stelle mir inzwischen einige Fragen, denn die Finanzdirektorenkonferenz hat diese Frage mindestens den Medien gegenüber auch thematisiert.
Das Kantonsreferendum ist noch nie angewendet und offenbar auch noch nie angestrebt worden. Es wäre das erste Mal, seit es eingeführt worden ist, wenn ich es richtig verstanden habe. Aber es gibt vermutlich Historiker im Raum, die mich eines Besseren belehren, wofür ich sehr offen bin. Falls die Kantone dieses Referendum nicht zustande bringen, ist das ein ernsthaftes institutionelles Problem, weil die Kantone sich in diesem schweizerischen Politfeld dann ohnmächtig präsentieren müssen. Ob das unsere Absicht sein kann - ich vermute nicht.
Fall 2: Acht Kantone beschliessen innert nützlicher Frist, ein Referendumsbegehren einzureichen, und dann gehen wir in eine Volksabstimmung. Haben wir uns das zu Ende überlegt, eine Volksabstimmung mit diesen etwas speziellen Fronten? Ich stelle mir etwa ein gutes Dutzend kantonale Finanzdirektoren vor, meinetwegen - wenn Sie mir das Bild erlauben - noch einige frohgemute Linke hintendrein, und auf der anderen Seite drei oder vier bürgerliche Parteien, oder wenn es noch mehr gibt, meinetwegen auch mehr. Da möchte ich spöttisch in Anlehnung an Hochhuth fragen: "Wie viele Divisionen haben die Kantonsregierungen?" Die Kantonsregierungen sind nicht eingerichtet, um Referendumsabstimmungen auf eidgenössischer Ebene gegen die eidgenössischen Behörden, namentlich auch gegen den Ständerat, zu führen.
Ich frage mich, und ich glaube, das wollen wir alle nicht -: Wollen wir die Kantone dazu provozieren - darum geht es heute -, einen Referendumskampf notabene gegen den Ständerat zu führen? Wir sind ja jetzt vor die Frage gestellt: Wollen wir eine solche Situation herbeiführen?
Ich habe mir noch eine dritte Variante überlegt. Wenn denn dieses Kantonsreferendum zustande käme, wenn die Kantone in dieser Abstimmungssituation, die mir als sehr schwierig erscheint, gewinnen sollten, welche Situation hätten wir dann?
Finanzpolitisch hätten wir die Situation, die ich mir an sich wünsche, aber welche Situation hätten wir dann institutionell? Hätten wir dann damit ein neues Zeitalter eingeläutet, in dem die Kantone, die sich in vielen Fragen vom Bund und auch von uns als bundesgesetzgebender Kammer der Kantone oft etwas bedrängt fühlen, praktisch ermuntert und ermutigt würden, Obstruktion gegen die Bundespolitik zu machen? Das wäre eine eigenartige Situation, und ich muss Ihnen sagen, alle drei Fälle - je mehr ich darüber nachdenke - wollen mein Wohlgefallen nicht finden. Ich neige zur Ansicht, es wäre staatspolitisch klug, diesen Konflikt zu vermeiden und heute im Sinne des Antrages Lauri zu sagen: nicht jetzt! Und dann halt nach einem Nein diese Geschichte in einer besser geeigneten Zeit erneut in die Hände zu nehmen.

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